Energie & Infrastruktur

Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land – Änderungen des EEG 2017 im Windschatten des KWKG 2017

ENERGY NEWS #2/2017   Zusammenfassung  
  • Noch bevor das im Juli 2016 verabschiedete EEG 2017 am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist, wurde es – quasi im Windschatten der jüngsten KWKG-Novelle (Gesetz v. 22. Dezember 2016, BGBl. I, S. 3106) – bereits erstmals geändert. Die Änderungen des EEG 2017 betreffen insbesondere die Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land: Zum einen wurden die besonderen Zuschlagsregeln für den Zubau von Windenergieanlagen im sog. Netzausbaugebiet (§ 36c EEG 2017) hinsichtlich der im Netzausbaugebiet für den Zubau geltenden Obergrenze ergänzt.
  • Zum anderen wurden die besonderen Ausschreibungsbestimmungen für sog. Bürgerenergiegesellschaften (§ 36g EEG 2017) enger gefasst, um Umgehungsgestaltungen – etwa über Strohmanngeschäfte – besser zu verhindern.

 

Änderungen zum Netzausbaugebiet

1. Ausgangslage

Im Netzausbaugebiet dürfen Zuschläge für Windenergieanlagen an Land nur bis zu einer bestimmten Obergrenze erteilt werden (§ 36c Abs. 4 EEG 2017). Dadurch soll der Zubau in diesem Gebiet, das durch eine besonders starke Belastung der Übertragungsnetze gekennzeichnet ist, gesteuert und begrenzt werden. Das Netzausbaugebiet und die Obergrenze werden im Einzelnen durch Rechtsverordnung gemäß § 88b EEG 2017 festgelegt. Nach dem bisher vorliegenden Entwurf für die Verordnung zur Einrichtung und Ausgestaltung eines Netzausbaugebiets (Netzausbaugebietsverordnung – NAGV) soll das Netzausbaugebiet weite Teile Norddeutschlands, also Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, die Hansestädte Bremen und Hamburg sowie das nördliche Niedersachsen, umfassen. Die Obergrenze soll ca. 900 MW pro Kalenderjahr betragen.

2. Neuerungen

Der in § 36c EEG 2017 neu eingefügte Absatz 6 verzahnt die Regelungen zur Bestimmung der Obergrenze für das Netzausbaugebiet mit den Regelungen zu sog. grenzüberschreitenden Ausschreibungen gemäß § 5 EEG 2017. Mit dem neuen § 36c Abs. 6 EEG 2017 sollen nun – vereinfacht ausgedrückt – die im Rahmen von grenzüberschreitenden Ausschreibungen bezuschlagten Windenergieanlagen im Netzausbaugebiet bei der Bestimmung der Obergrenze für das Netzausbaugebiet berücksichtigt werden.

Änderungen zu den Bürgerenergiegesellschaften

1. Ausgangslage

Für Bürgerenergiegesellschaften gelten gemäß §§ 36g, 55 Abs. 2 EEG 2017 erleichterte Teilnahmevoraussetzungen für Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land. Grund dafür ist, dass die normalen Teilnahmevoraussetzungen für Ausschreibungen nach dem EEG 2017 die Leistungsfähigkeit lokaler Bürgerenergiegesellschaften typischerweise übersteigen. Der Gesetzgeber möchte lokal verankerten Bürgerenergiegesellschaften aber dennoch die Teilnahme ermöglichen, weil er ihnen einen wesentlichen Beitrag zur notwendigen gesellschaftlichen Akzeptanz von neuen Windenergieprojekten an Land beimisst.

Die Erleichterungen gegenüber den allgemeinen Ausschreibungsvoraussetzungen bestehen insbesondere darin, dass die Windenergieanlagen zum Gebotstermin noch nicht genehmigt sein müssen, dass zum Gebotstermin nur eine
reduzierte Sicherheit (sog. Erstsicherheit) zu stellen ist, dass das sog. Einheitspreisverfahren (uniform pricing) gilt und dass die Frist zur Realisierung des Projekts deutlich länger ist. Nicht zuletzt das Einheitspreisverfahren, also dass ein bezuschlagter Bieter als Zuschlagswert den Gebotswert des höchsten noch bezuschlagten Gebots der Ausschreibungsrunde erhält, ist wirtschaftlich attraktiv.

Deshalb hatte der Gesetzgeber bereits mit der ursprünglichen Fassung des § 36g EEG 2017 die Definition der Bürgerenergiegesellschaft eng formuliert (§ 3 Nr. 15 EEG 2017) und strenge Teilnahmekriterien in § 36g EEG 2017 aufgestellt. So müssen Bürgerenergiegesellschaften aus mindestens zehn natürlichen Personen als stimmberechtigten Mitgliedern/Anteilseignern bestehen, mindestens 51 % der Stimmrechte müssen bei natürlichen Personen liegen und kein Mitglied/Anteilseigner darf mehr als 10 % der Stimmrechte halten. Eine Bürgerenergiegesellschaft darf Gebote nur für maximal sechs Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von nicht mehr als insgesamt 18 MW abgeben.

2. Neuerungen

Im Herbst 2016 kamen beim Gesetzgeber aber offenbar Zweifel auf, ob dies genügt, um falsche Anreize und Umgehungsgestaltungen zu verhindern. Überdies wurde Regelungsbedarf im Verhältnis zum Netzausbaugebiet erkannt. Die Neuerungen in § 36g EEG 2017 sind im Wesentlichen folgende:

a) Erhöhung der Anforderungen an die Eigenerklärung bei Gebotsabgabe

  • Nach der neu gefassten lit. a des § 36g Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG 2017 muss die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Gebotsabgabe eine Bürgerenergiegesellschaft sein und die Gesellschaft und deren Mitglieder oder Anteilseigner dürfen vor Gebotsabgabe keine Verträge zur Übertragung ihrer Anteile oder Stimmrechte nach der Gebotsabgabe geschlossen oder sonstige Absprachen zur Umgehung der Voraussetzungen gemäß § 3 Nr. 15 EEG 2017 nach der Gebotsabgabe getroffen haben, soweit die vereinbarte Übertragung oder die sonstigen Absprachen dazu führen, dass nach der Gebotsabgabe die Voraussetzungen gemäß § 3 Nr. 15 EEG 2017 nicht mehr erfüllt sind oder umgangen werden.
  • Nach der neu gefassten lit. b des § 36g Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG 2017 soll durch die Erklärung nicht nur nachgewiesen werden, dass in früheren Ausschreibungsrunden keine Zuschläge erteilt wurden, sondern dass auch in der laufenden Ausschreibungsrunde die Obergrenze von sechs Anlagen mit biszu 18 MW installierter Leistung nicht überschritten wird.

b) Erhöhung der Anforderungen an die Eigenerklärung bei Zuschlagszuordnung

Die neu gefasste lit. a des § 36g Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 EEG 2017 knüpft an die neue lit. a des § 36g Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 EEG 2017 an. Die Anforderungen an die Bürgerenergiegesellschaften müssen bis zur Antragstellung gemäß § 36g Abs. 3 EEG 2017, also bis zum Antrag auf Zuordnung des Zuschlags, ununterbrochen eingehalten werden.

c) Verzahnung mit den Regelungen zum Netzausbaugebiet

Auch der in § 36g Abs. 5 EEG 2017 neu eingeführte Satz 2 soll Fehlanreize verhindern. Er sieht Ausnahmen vom in § 36g Abs. 5 Satz 1 EEG 2017 geregelten Einheitspreisverfahren für die Fälle vor, in denen in einer Ausschreibungsrunde die Obergrenze für das Netzausbaugebiet ausgeschöpft ist. In diesen Fällen gilt für Bürgerenergiegesellschaften, die ein Gebot für eine Windenergieanlage im Netzausbaugebiet abgegeben haben, nicht der Zuschlagswert des höchsten im Bundesgebiet abgegebenen Gebotswerts, sondern der höchste im Netzausbaugebiet abgegebene Gebotswert. Strategisches Bieten, insbesondere Gebote unterhalb der wahren Kosten, soll dadurch verhindert werden.

d) Verlängerung der Haltefrist Mit dem in § 36g Abs. 5 EEG 2017 neu eingeführten Satz 4 wird die Haltefrist für

Bürgerenergiegesellschaften verlängert. Bürgerenergiegesellschaften profitieren vom Einheitspreis über den vollen Förderzeitraum von 20 Jahren nur, wenn sie von der Gebotsabgabe bis zum Ende des zweiten auf die Inbetriebnahme folgenden Jahres durchgehend die Anforderungen an Bürgerenergiegesellschaften (§ 3 Nr. 15 EEG 2017) eingehalten haben. Fallen die Anforderungen vor Ende der Haltefrist weg, gilt ab dem Zeitpunkt des Wegfalls nicht mehr der Einheitspreis als Zuschlagswert, sondern der Gebotswert.

e) Einschränkung der Verfügungsbefugnis der Mitglieder/Anteilseigner der Bürgerenergiegesellschaft

Nach dem neuen Absatz 6 in § 36g EEG 2017 bedürfen Verträge oder sonstige Absprachen von Mitgliedern oder Anteilseignern der Bürgerenergiegesellschaft der Zustimmung der Bürgerenergiegesellschaft, wenn sie vor der Inbetriebnahme eingegangen werden und diese Mitglieder oder Anteilseigner zur Übertragung der Anteile oder der Stimmrechte nach Inbetriebnahme oder zu einer Gewinnabführung nach der Inbetriebnahme verpflichtet. Dabei darf die Zustimmung nicht erteilt werden, soweit die vereinbarte Übertragung der Anteile oder Stimmrechte dazu führen würde, dass nach der Inbetriebnahme die Voraussetzungen gemäß § 3 Nr. 15 EEG 2017 nicht mehr erfüllt wären oder umgangen würden. Ziel auch dieser Neuerung ist es, Umgehungsgeschäfte und Strohmanngeschäfte zu verhindern. Daher sollen nach der Gesetzesbegründung Verträge mit Banken oder anderen Kreditinstituten, die nur der Finanzierung der Projekte dienen und eine entsprechende Übertragung im Fall des Kreditausfalls und eine reine Zinszahlung vorsehen, nicht unter das Zustimmungsbedürfnis fallen.

Gleiss Lutz Kommentar

Mit dem in § 36c EEG 2017 neu eingefügten Absatz 6 hat der Gesetzgeber seine Absicht unterstrichen, den Zubau im Netzausbaugebiet restriktiv zu steuern, um der dortigen Netzüberlastung effektiv zu begegnen. Die praktische Relevanz dieser Neuerung wird aber letztlich davon abhängen, inwieweit grenzüberschreitende Ausschreibungen nach § 5 EEG 2017 überhaupt das Netzausbaugebiet betreffen.

Mit den zahlreichen Neuerungen in § 36g EEG 2017 zu den Bürgerenergiegesellschaften setzt der Gesetzgeber sein Ziel, Schein-Bürgerenergiegesellschaften die Vorteile des § 36g EEG 2017 vorzuenthalten, nachdrücklich um. Allerdings könnten die durch die Neuerungen weiter gesteigerten Anforderungen das primäre Ziel des Gesetzgebers, den Akteurstyp „Bürgerenergiegesellschaft“ am Markt zu halten, beeinträchtigen. Denn die Neuerungen führen zu Rechtsunsicherheit: Der Gesetzgeber untersagt Gestaltungen, mit denen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 15 EEG 2017 – so wörtlich – „umgangen werden“. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wirft in seiner Pauschalität zwangsläufig die Frage auf, was noch zulässige Gestaltung oder schon unzulässige Umgehung ist. Rechtlichen Diskussionen ist damit der Weg bereitet, die in der Praxis bei der Realisierung, nicht zuletzt der Finanzierung von Projekten von Bürgerenergiegesellschaften, nicht förderlich sein dürften.

 


Zitiervorschlag: Dannecker/Kerth, Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land – Änderungen des EEG 2017 im Windschatten des KWKG 2017, Gleiss Lutz Energy News #2/2017 vom 12. Januar 2017

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