Digital Economy

Virtuelle Realität – Metaverse-Plattformen und ihre rechtlichen Fragen

Viele Unternehmen weltweit beschäftigen sich immer intensiver mit dem Thema Metaverse und den Möglichkeiten, die durch das Web3 geschaffen werden. Besonders deutlich wird dies bei Projekten, die sich an die breite Öffentlichkeit richten: Sei es der eigene Flagship-Store in einem Metaverse, die Eröffnung zusätzlicher Filialen, die Einrichtung von Spieleumgebungen oder die Vermarktung von Produkten über Non Fungible Tokens (NFTs), also blockchain-basierte Token, welche auf einen digitalen Gegenstand verweisen und nicht beliebig reproduziert werden können. Schon jetzt ist die Liste unterschiedlicher Anwendungen lang. Auch wenn hier manches noch in den Kinderschuhen steckt, spricht doch vieles dafür, dass unsere Interaktion mit anderen auf Metaverse-Plattformen mittelfristig zumindest Teile des Internets, wie wir es heute kennen, ablösen wird. Gerade aus rechtlicher Sicht ist diese Entwicklung hochspannend, da hier an vielen Stellen rechtliches Neuland betreten wird.

Gleiss Lutz berät seine Mandanten bereits seit einiger Zeit zu Fragen rund um das Thema „Metaverse“ und ist als erste führende Wirtschaftskanzlei in Deutschland inzwischen auch mit einem eigenen Standort im Metaverse präsent. Da sich immer mehr Unternehmen mit dem Gedanken tragen, einen Teil ihrer Aktivitäten auch auf eine der Metaverse-Plattformen zu verlagern, geben wir mit dieser Mandanteninformation einen ersten kurzen Überblick, was hierbei aus rechtlicher Sicht besonders zu beachten ist. Für eine Vertiefung einzelner Aspekte, für eine Bewertung der individuellen Pläne und Rückfragen steht Ihnen unser Expertenteam der Gruppe Digital Economy sehr gerne zur Verfügung.

 

1. Was ist ein „Metaverse“?

Unter „Metaverse“ versteht man eine über das Internet zugängliche virtuelle dreidimensionale Umgebung. In dieser virtuellen Welt können Nutzer unter anderem über individuell gestaltbare Avatare aktiv vor allem ökonomischen, sozialen und kulturellen Aktivitäten nachkommen.

Bereits heute werden weltweit über Metaverse-Plattformen wie Decentraland oder Sandbox verschiedenste virtuelle Assets und Dienstleistungen mit erheblichem Volumen gehandelt. Der Aufbau und die Organisation der jeweiligen Metaverse-Plattform hängt stark von der jeweiligen Ausrichtung ab. Eine grundsätzliche Unterscheidung ist zwischen einem zentralen Plattformbetreiber und einer dezentralen Organisation vorzunehmen. Bei ersteren steht ein Betreiber mit klassischer Rechtsform hinter der Metaverse-Plattform, während sie bei einer dezentralen Organisationform von einer „Dezentralen Autonomen Organisation“ (DAO) gesteuert wird. Schon die Organisation in DAOs führt zu rechtlichen Herausforderungen, da diese keiner klassischen Rechtsform zuzuordnen sind. Stattdessen basieren Sie auf in der Blockchain gespeicherten Smart Contracts. Hierdurch haben alle Nutzer innerhalb einer DAO gemeinsam und gleichberechtigt die Kontrolle über Grundsatzthemen wie Richtlinien und Abstimmungen. Folglich existiert kein greifbarer Entscheidungsträger im klassischen Sinn.

 

2. Anwendbares Recht

Die Frage des im konkreten Fall anwendbaren Rechts ist im Zusammenhang mit Metaverse-Plattformen häufig nicht leicht zu beantworten. Bisher existiert kein einheitliches Regelungsregime und einige Stimmen sprechen sogar von einem rechtsfreien Raum. Dies dürfte allerdings jedenfalls in Deutschland mit dem umfassenden Geltungsanspruch des staatlichen Rechts unvereinbar sein. Daher wird das jeweils anwendbare Recht nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts jeweils im Einzelfall zu bestimmen sein.

Sind auf Ebene der Plattformnutzungsverträge Gerichtsstands- und Rechtswahlklauseln vorhanden, können sich hieraus Anhaltspunkte ergeben. Darüber hinaus müssen aber auch die übrigen Anknüpfungspunkte auf Basis der gesetzlichen Bestimmungen des internationalen Privatrechts im Blick behalten werden. Von entscheidender Bedeutung wird dabei auch sein, ob es um das Rechtsverhältnis zwischen einem Nutzer und dem Betreiber des Metaverse oder um das Rechtsverhältnis mehrerer Nutzer untereinander geht.

Auf EU-Ebene wird durch den sogenannten „Digital Markets Act“ und den „Digital Service Act“ ein erstes Zeichen in Richtung staatlicher Regulierung zum Online-Markt und den Verbraucherschutz gesetzt. Eine speziell auf das Metaverse gerichtete Regulierung fehlt derzeit jedoch noch.

 

3. Berücksichtigung verschiedener Rechtsgebiete

Auch wenn eine abschließende Aufzählung der relevanten Rechtsgebiete im Rahmen dieser Mandanteninformation nicht möglich ist, möchten wir nachfolgend doch auf einige besonders wichtige Bereiche kurz hinweisen, die man bei Aktivitäten auf Metaverse-Plattformen im Blick haben sollte:

  • Commercial: Durch den Handel mit digitalen Gegenständen, wie beispielsweise Kleidung von Avataren, digitalen Grundstücke oder Werbeflächen, stellen sich bereits rechtliche Grundsatzfragen, wie bspw. nach dem Eigentum von Crypto Assets, Haftungsrisiken beim Einsatz von Web3-Anwendungen sowie die vertragliche Ausgestaltung von Smart Contracts.
  • M&A/Gesellschaftsrecht: Mit der tragenden Rolle von DAOs im Metaverse und Web3-Bereich, gehen zahlreiche rechtliche Herausforderungen in Bezug auf Gründung und Verwaltung einher. Nicht zuletzt erfordern diese dezentralen Organisationen die Implementierung von Governance-Strukturen sowie tokenbasierte Anreizsysteme. Neue Herausforderungen stellen sich auch im Zuge der Investitionen in Metaverse- und Web3-Unternehmen, die meist mittels Cryptocurrency und Tokens bewerkstelligt sind.
  • Steuerrecht: Mit Blick auf den digitalen Handel ist zwingend auch das Steuerrecht zu beachten. Schon mit Veräußerung oder Vermietung von digitalen Assets stellt sich die Frage nach dem Anknüpfungspunkt und dem Zeitpunkt der Besteuerung. Für Unternehmen – insbesondere DAOs – werden vor allem die Besteuerung von Cryptocurrency sowie Rechnungslegungspflichten eine zentrale Rolle einnehmen.
  • Datenschutzregulierung/Privacy: Durch die umfassenden technischen Möglichkeiten ergeben sich auch neue Anforderungen an das Datenschutzrecht. Wird die digitale Umgebung beispielsweise mit einer VR-Brille genutzt, können personenbezogene Daten noch umfassender und präziser erfasst werden, etwa über Mimik, Gestik, Augenbewegungen sowie nonverbale Kommunikation. Insbesondere bei einem Betrieb des Metaverse über eine DAO stellt sich zudem die Frage nach der Verantwortlichkeit für die Datenverarbeitung.
  • Kartellrecht: Auch Metaverse-Plattformen kommen nicht ohne einen regulatorischen Rahmen für das Marktverhalten aus. Trotz einer bisher fehlenden maßgeschneiderten Regulierung auf Metaverse-Plattformen, wird durch den EU Digital Markets Act ein ersten Schritt zur Regulierung von plattformähnlichen Metaverse- und Web3-Anwendungen gemacht. Kartellrechtliche Themen wie Informationsaustausch und kollusives Verhalten zwischen Wettbewerbern stellen Unternehmen vor weitere Herausforderungen.
  • Gewerblicher Rechtsschutz: Die unzähligen Interaktionsmöglichkeiten mit Bezug zu digitalen Vermögenswerten lassen dem Urherber-, Marken- und Patentrecht eine noch zentralere Rolle zukommen als bisher. Neben dem grenzüberschreitenden Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Werke stellt insbesondere die Nutzung von Marken angesichts der freien Gestaltungsmöglichkeiten im Metaverse Unternehmen vor neue Herausforderungen.
  • Strafrecht: Wie schon aus dem „klassischen“ Internet bekannt, dürfte auch die Verfolgung von Straftaten im Metaverse vor besonderen Herausforderungen stehen. Dies wird dadurch verschärft, dass sich durch den dreidimensionalen Raum und die Nutzung von Avataren gänzlich neue Dimensionen von klassischen Straftaten eröffnen könnten, die über die verbale Ebene, etwa durch Kommentare oder Tweets, hinausgehen können.

 

4. Streitbeilegungsmechanismen mit Blick auf potenzielle Konflikte

Für den Streitfall stehen den Parteien grundsätzlich die bekannten Streitbeilegungsmechanismen wie Schieds- oder staatliche Gerichte zur Verfügung. Dennoch ist die Bestimmung des zuständigen (Schieds-)gerichts in der Praxis oft nicht ganz einfach. Denkbar sind daneben zudem Formen automatisierter Streitbeilegung. Diese dürften jedoch spätestens dann an ihre Grenzen stoßen, wenn es um die Vollstreckung und andere Zwangsmaßnahmen geht.

 

5. Fazit

Die Verlagerung von Aktivitäten in ein Metaverse ist nicht mehr nur Zukunftsmusik, sondern in vielen Fällen bereits Realität. Rechtliche Aspekte sollten dabei von Anfang an mitbedacht werden, um Compliance-Risiken und Haftungsrisiken zu minimieren und Unklarheiten zu beseitigen. Eine externe anwaltliche Begleitung bei der Umsetzung des Schritts hinein in ein Metaverse ist daher sehr zu empfehlen. Gerne begleiten wir Sie bei diesem wichtigen Schritt und stehen Ihnen mit unserer Expertise und Erfahrung zur Seite.

Weiterleiten