Energie & Infrastruktur

Update Energiepreisbremsen – Boni- und Dividendenverbot

Im Zusammenhang mit den zum 1. Januar 2023 eingeführten Energiepreisbremsen kann für Unternehmen ein Boni- bzw. Dividendenverbot bestehen. Seit Mitte April 2023 ist der Bundestag mit einer Novelle des Strompreisbremsengesetzes bzw. des Erdgas- und Wärmepreisbremsengesetzes befasst. Dieses Änderungsgesetz wird für die Anwendung des Boni- und Dividendenverbots neben einigen Klarstellungen auch eine wesentliche Änderung bringen.

Wie ist das Boni- und Dividendenverbot unter Berücksichtigung des Änderungsgesetzes ausgestaltet?

Die Anwendung des Boni- und Dividendenverbots ist abhängig von der Höhe der durch das Unternehmen vereinnahmten Entlastungen aus den sog. Energiepreisbremsen. Dabei wird es auch nach dem aktuellen Entwurfsstand des Änderungsgesetzes bleiben.

  • Entlastungssumme von mehr als EUR 25 Mio. aber weniger als EUR 50 Mio. (Eingeschränktes Boniverbot)

Unternehmen, die mehr als EUR 25 Mio. Entlastungssumme beziehen, dürfen den Mitgliedern der Geschäftsleitung sowie von gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsorganen für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 keine Boni, andere variable und vergleichbare Vergütungsbestandteile (unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen) oder über das Festgehalt hinausgehende Vergütungsbestandteile im Sinn des § 87 Absatz 1 Satz 1 des Aktiengesetzes auszahlen, die nach dem 1. Dezember 2022 vereinbart oder beschlossen worden sind. Alle für das Kalenderjahr 2023 ausgeschlossenen Zahlungen dürfen auch nicht in den Folgejahren nachgeholt werden (sog. Nachholungsverbot). Eine bloße Verschiebung der Auszahlung auf die folgenden Kalenderjahre ist unzulässig. Andernfalls würden die Auszahlungsverbote für das Kalenderjahr 2023 umgangen. Demnach dürfen in 2023 zum einen Boni ausgezahlt werden, die sich auf das Kalenderjahr 2022 beziehen. Zum anderen dürfen Boni ausgezahlt werden, die sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 beziehen, aber vor dem 1. Dezember 2022 vereinbart oder beschlossen wurden. Hierfür maßgeblich soll nach den FAQ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (Version 7.0 vom 28. April 2023) der Zeitpunkt der „Grundsatzentscheidung“ sein. In der Praxis sind die Regelungen, nach denen ein Bonus bemessen wird, in den Dienstverträgen vereinbart. Die Zielerreichung wird für ein Vergütungsjahr regelmäßig erst nach dem Abschluss des jeweiligen Vergütungsjahrs und der Feststellung des Jahresabschlusses festgestellt. Deshalb soll nach den FAQ für einen vor dem 1. Dezember 2022 beschlossenen oder vereinbarten Bonus für das Kalenderjahr 2023 keine Auszahlungssperre bestehen, soweit sich der Bonus (nur) nach externen objektiven Kriterien (in der Regel finanzielle Kennzahlen) richtet. Unklar bleibt auch nach dem Änderungsgesetz, was für Boni für das Kalenderjahr 2023 gelten soll, für die nach dem 1. Dezember 2022, in der Regel zu Beginn des Kalenderjahres 2023 für die Bonusbemessung relevante Ziele (insbesondere nichtfinanzielle Ziele) vereinbart bzw. Zielwerte (für sämtliche Ziele) beschlossen werden. Solche Gestaltungen sind gerade in größeren Unternehmen aktuell marktüblich. Nach dem Sinn und Zweck des Boniverbots spricht viel dafür, dass die Auszahlung solcher Boni zulässig sein kann. Denn der Stichtag 1. Dezember 2022 soll nur die Umgehung des Boniverbots durch neue oder nachträgliche Vereinbarungen nach Bekanntwerden der Energiepreisbremsen verhindern. Darüber hinaus ist erlaubt, für die Kalenderjahre ab 2024 neue Boni zu vereinbaren, wenn diese an neue Sachverhalte aus der Zeit ab dem 1. Januar 2024 anknüpfen.

Ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch das Änderungsgesetz zudem deutlich werden, wie mit mehrjähriger variabler Vergütung umzugehen ist. Danach soll bei mehrjähriger variabler Vergütung die „Jahresscheibe“ für das Kalenderjahr 2023 unberücksichtigt bleiben. Auch dies gilt nach dem Wortlaut der Regelung nur für mehrjährige variable Vergütung für das Kalenderjahr 2023, die nach dem 1. Dezember 2022 vereinbart oder beschlossen wurde.
Das Boniverbot wird flankiert durch das Einfrieren der Grundvergütung (mit Ausnahme eines Inflationsausgleichs) sowie einer Vorgabe für eine Vergütungsregelung für neue Mitglieder der Geschäftsleitung; damit bezweckt der Gesetzgeber, die Umgehungsmöglichkeiten bezüglich des Boniverbots einzuschränken.

  • Entlastungssumme von mehr als EUR 50 Mio. (Boni- und Dividendenverbot)

Bei einer Entlastungssumme von mehr als EUR 50 Mio. dürfen Mitgliedern der Geschäftsleitung sowie gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsorganen bis zum 31. Dezember 2023 keine Boni, andere variable oder vergleichbare Vergütungsbestandteile oder über das Festgehalt hinausgehende Vergütungsbestandteile im Sinn des § 87 Absatz 1 Satz 1 des Aktiengesetzes gezahlt werden. Zudem dürfen für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 keine Dividenden oder sonstigen, vertraglich oder gesetzlich nicht geschuldeten Gewinnausschüttungen geleistet werden. Diese Verbote gelten unabhängig davon, ob die Boni und Dividenden bereits vor dem 1. Dezember 2022 beschlossen oder vereinbart waren. Damit dürfen im Ergebnis für das Kalenderjahr 2023 keine Boni oder Dividenden ausgezahlt werden. Bei einer mehrjährigen variablen Vergütung muss somit die „Jahresscheibe“ für das Kalenderjahr 2023 unberücksichtigt bleiben, bspw. bei einem Langfristbonus mit Bemessungszeitraum von 2021 - 2024. Die für 2023 unzulässigen Boni und Dividenden dürfen gleichfalls nicht in den Folgejahren nachgeholt werden. Erlaubt ist lediglich, im Kalenderjahr 2023 Boni und Dividenden auszuzahlen, die für vorhergehende Kalenderjahre (bspw. 2022) gewährt wurden und nur in 2023 zur Auszahlung anstehen.

Unternehmensbegriff

Das Änderungsgesetz verändert für die Anwendung des (eingeschränkten) Boni- und Dividendenverbots den Unternehmensbegriff. Unternehmen im Sinn dieser Vorschriften sollen nicht mehr nur die Einzelunternehmen sein, die selbst eine Entlastungssumme von mehr als EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. erhalten. Vielmehr soll das (eingeschränkte) Boni- und Dividendenverbot nach einer neu eingeführten Begriffsbestimmung auch für verbundene Unternehmen gelten, soweit die von ihnen beherrschten oder gehaltenen Unternehmen mehr als EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. Entlastungssumme erhalten.

Damit wird der Anwendungsbereich des Boni- und Dividendenverbot deutlich erweitert. Sollte die jetzige Entwurfsfassung des Änderungsgesetzes in Kraft treten, fallen nicht nur solche Unternehmen in den Anwendungsbereich des Boni- und Dividendenverbots, die selbst eine Entlastungssumme von mehr als EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. erhalten, sondern eben auch die über diesem Unternehmen stehenden Zwischenholdings und Konzernmütter. Anders als das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in den FAQ meint, handelt es sich dabei nicht mehr nur um eine „Klarstellung“, sondern um eine rückwirkende Erweiterung des Boni- und Dividendenverbots.  

Opt-Out-Möglichkeit

Unternehmen können durch formlose Erklärung gegenüber der Prüfbehörde – nach dem Änderungsgesetz – bis zum 31. Juli 2023 erklären, dass sie auf Entlastungssummen von mehr als EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. verzichten und somit nicht unter das (eingeschränkte) Boni- bzw. Dividendenverbot fallen. Werden die Schwellen von EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. anders als erwartet nicht überschritten, dürfen bei Unterschreiten der Schwelle von EUR 25 Mio. uneingeschränkt Boni ausgezahlt werden und bei Unterschreiten der Schwelle von EUR 50 Mio. Dividenden und eingeschränkt Boni ausgezahlt werden. Denn nach der Gesetzesbegründung zum Änderungsgesetz ist die Abgabe einer vorherigen Opt-Out-Erklärung nicht konstitutiv, um Boni und Dividenden auszahlen zu dürfen. Das bloße Fehlen der Opt-Out-Erklärung ist daher unschädlich, soweit die Entlastung tatsächlich unterhalb von EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. liegt.

Rechtsfolge bei Verstoß gegen das Boni- oder Dividendenverbot

Bislang sahen die Energiepreisbremsengesetze keine Rechtsfolge für einen Verstoß gegen das Boni- oder Dividendenverbot vor. So war bisher nicht klar, ob bspw. die Auszahlung von Boni- oder Dividenden unwirksam war oder ob die Entlastungssumme bei einer solchen Auszahlung vollständig oder anteilig durch die Prüfbehörde zurückgefordert werden konnte. Im Entwurf des Änderungsgesetzes ist nun vorgesehen, dass im Fall eines Verstoßes gegen das Boni- und Dividendenverbot der über dem Schwellenwert von EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. liegende Betrag zurückzuzahlen ist. Boni- und Dividendenzahlungen sollen mithin wirksam bleiben.  

Umsetzungsschwierigkeiten für Unternehmen

Die Umsetzung des Boni- und Dividendenverbots kann bei Unternehmen auch nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes weiterhin zu erheblichen Schwierigkeiten führen.

Das hängt einerseits damit zusammen, dass die Energiepreisbremsengesetze weiterhin Auslegungsfragen offenlassen, die nur teilweise (und ohne Rechtsverbindlichkeit) durch die FAQ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz geklärt werden. Andererseits bleibt die Umsetzung des Boni- und Dividendenverbots den Unternehmen überlassen, was im Einzelfall schwer sein kann. Denn wenn Unternehmen Entlastungssummen über EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. beziehen wollen, kann dies zu einer Kollision mit den vertraglich vereinbarten Ansprüchen auf die Zahlung von Boni bzw. anderen variablen Vergütungsbestandteilen der Mitglieder der Geschäftsführung führen. Es ist deshalb ratsam, mit den Betroffenen den Abschluss von Verzichtsvereinbarungen anzustreben. Dies soll Kollisionen zwischen dem Auszahlungsverbot und den bestehenden vertraglichen Vereinbarungen für die Unternehmen rechtssicher vermeiden. Ohne eine Verzichtsvereinbarung muss im Einzelfall beurteilt werden, ob das Unternehmen einseitig entscheiden kann, den Bonus nicht auszuzahlen und wie rechtssicher eine solche Entscheidung ist.

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