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Neues zum Transparenzregister: Wirtschaftliche Berechtigung aufgrund von Vetorechten oder Sperrminorität?

Am 19. August 2020 hat das Bundesverwaltungsamt seine Verwaltungspraxis zum Transparenzregister aktualisiert. Die Neuerungen bei der Bestimmung des wirtschaftlich Berechtigten haben es in sich. Zustimmungserfordernisse, Vetorechte, Widerspruchsrechte oder Sperrminoritäten, mit denen sich Beschlüsse der Haupt- oder Gesellschafterversammlung verhindern lassen, sollen nunmehr auf jeder Beteiligungsebene Kontrolle und damit eine wirtschaftliche Berechtigung begründen können. Ein Paradigmenwechsel.

Zusammenfassung

Am 19. August 2020 hat das Bundesverwaltungsamt (BVA) seine Fragen und Antworten (FAQs) zum Transparenzregister des Geldwäschegesetzes (GwG) aktualisiert. Enthalten sind wesentliche Neuerungen zur Bestimmung des wirtschaftlich Berechtigten in ein- oder mehrstufigen Beteiligungsstrukturen.

Auf Ebene der mitteilungspflichten Vereinigung soll jeder Gesellschafter, der eine Entscheidung der Haupt- oder Gesellschafterversammlung verhindern kann, als wirtschaftlich Berechtigter einzustufen sein. Bei einem einstimmigen Beschlusserfordernis ist dies jede natürliche Person mit Stimmrechten, auch wenn es sich um eine Kleinstbeteiligung handelt. Selbst aus Beschlussquoren soll eine wirtschaftliche Berechtigung folgen können.

In mehrstufigen Beteiligungsketten kommt es zu einem Paradigmenwechsel. Für eine mittelbare wirtschaftliche Berechtigung der natürlichen Person an der Spitze der Kette soll es – anders als bislang – nicht mehr auf eine Anteils- oder Stimmrechtsmehrheit ankommen, damit ihr die Beteiligung an der mitteilungspflichtigen Vereinigung zugerechnet werden kann. Vielmehr soll es nach Auffassung des BVA genügen, wenn eine natürliche Person auf Ebene der Obergesellschaft eine Entscheidung der Haupt- oder Gesellschafterversammlung verhindern kann, um mittelbarer wirtschaftlich Berechtigter der nachgeordneten Vereinigung zu sein. Eine Sperrminorität bei Grundlagenentscheidungen wie Satzungsänderungen, Kapital- oder Umwandlungsmaßnahmen soll ausreichen. Besteht z. B. für bestimmte Beschlüsse qua Satzung ein Einstimmigkeitserfordernis, würde ein einziges Stimmrecht zu einer mittelbaren wirtschaftlichen Berechtigung und damit zur Mitteilungspflicht an das Transparenzregister führen.

Wir halten diese neue Auffassung des BVA aus verschiedenen Gründen de lege lata für unzutreffend. Trotzdem sollte jedes Unternehmen prüfen, welche Auswirkungen die neuen FAQs auf die Bestimmung „seiner“ wirtschaftlich Berechtigten haben könnte. Etwaige Rechtsrisiken können nur anhand des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden.

Unmittelbare wirtschaftlich Berechtigte

Wirtschaftlich Berechtigter einer mitteilungspflichtigen Vereinigung (außer rechtsfähigen Stiftungen) ist gem. § 3 Abs. 2 S. 1 GwG jede natürliche Person, die unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 % der Anteile oder Stimmrechte hält oder auf vergleichbare Weise Kontrolle ausübt.

Schon in früheren Versionen der FAQs hatte das BVA zu Veto- bzw. Widerspruchsrechten Stellung genommen: Habe eine natürliche Person aufgrund eines Widerspruchs-/Vetorechts die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über Entscheidungen der Mitglieder-, Haupt- oder Gesellschafterversammlung, gelte sie nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GwG als wirtschaftlich Berechtigter.

In der jüngsten Fassung seiner FAQs führt das BVA unter B.II.3 und B.II.4 nun aus, dass nicht nur explizite Vetorechte gemeint sind, sondern auch gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Regelungen, die die Mitwirkung eines Gesellschafters an der Beschlussfassung zwingend erfordern. Soweit ein Gesellschafter eine Entscheidung verhindern könne, z. B. wenn die Satzung einen einstimmigen Beschluss erfordere, sei von Kontrolle auf sonstige Weise auszugehen. Die Schwelle von 25 % der Stimmrechte/Kapitalanteile müsse in diesem Fall nicht überschritten werden, damit der Gesellschafter wirtschaftlich Berechtigter sei. Sei für die Beschlussfassung der Haupt- oder Gesellschafterversammlung die Anwesenheit einer bestimmten Kapitalbeteiligung (z. B. 90 %) vorgesehen, folge auch hieraus eine wirtschaftliche Berechtigung. Müssten zwei oder mehr Gesellschafter aber erst zusammenwirken, um eine Entscheidung der Vereinigung zu verhindern, begründe dies keine wirtschaftliche Berechtigung eines der beiden Gesellschafter.

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Im vorstehenden Praxisbeispiel einer Investmentfonds-Publikums-KG, bei der (bestimmte) Änderungen des Gesellschaftsvertrags der Einstimmigkeit bedürfen, wäre nach Auffassung des BVA wohl jede natürliche Person, die als Kommanditist an der KG beteiligt ist und mit ihrem Stimmrecht eine Änderung des Gesellschaftsvertrags verhindern kann, wirtschaftlich Berechtigter der KG. Daneben kommen die hinter dem Komplementär und geschäftsführenden Kommanditisten stehenden natürlichen Personen als weitere wirtschaftlich Berechtigte in Betracht. Ein solches Ergebnis würde in der Praxis zu kaum lösbaren Problemen führen und wäre auch nicht im Sinne des Gesetzgebers.

Mittelbare wirtschaftlich Berechtigte

Um die Anteile oder Stimmrechte auf Ebene der mitteilungspflichtigen Vereinigung in einer mehrstufigen Beteiligungsstruktur der natürlichen Person an der Spitze der Kette zuzurechnen, ist nach der bislang ganz herrschenden Meinung erforderlich, dass die natürliche Person einen beherrschenden Einfluss im Sinne des Handelsgesetzbuches auf die Ober- und alle Zwischengesellschaften in der Kette ausüben kann. Vorbehaltlich anderer Beherrschungsmittel kommt es damit in den meisten Fällen auf eine Anteils- oder Stimmrechtsmehrheit an, damit die natürliche Person als mittelbarer wirtschaftlich Berechtigter der mitteilungspflichtigen Vereinigung zu qualifizieren ist; die bloße Möglichkeit, Entscheidungen zu blockieren, ist im Regelfall gerade nicht ausreichend.

In Abkehr von dieser etablierten Auffassung soll nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsamts unter B.III.2 bis B.III.4 der FAQs nunmehr schon ein Vetorecht gegen Entscheidungen der Haupt- oder Gesellschafterversammlung oder diesem gleichgestellte sog. „Verhinderungsrechte“ (z. B. das Erreichen einer Sperrminorität) zu einem beherrschenden Einfluss führen. Soweit eine natürliche Person unmittelbar oder mittelbar bei der „Muttervereinigung“ eine Entscheidung der Haupt- oder Gesellschafterversammlung verhindern könne oder ohne ihre Zustimmung kein wirksamer Beschluss möglich sei, bestehe ein beherrschender Einfluss.

Dementsprechend habe jeder Stimmrechtsinhaber beherrschenden Einfluss, wenn die Satzung Einstimmigkeit vorsehe. Beherrschender Einfluss bestehe aber auch dann, wenn die Satzung eine Mehrheitsentscheidung erfordere und die Mehrheit von einem Stimmrechtsinhaber abhänge. Auch das Erreichen einer Sperrminorität hinsichtlich grundlegender Beschlüsse der Haupt- oder Gesellschafterversammlung (z. B. Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen, Umwandlungsbeschlüssen, etc.) könne zu einem beherrschenden Einfluss und einer mittelbaren wirtschaftlichen Berechtigung führen.

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Im vorstehenden Beispielsfall einer GmbH und AG mit gesetzlichem Normalstatut sind nach Auffassung des BVA demnach die natürlichen Personen A und B wirtschaftlich Berechtigte der AG; A aufgrund der Möglichkeit, Mehrheitsbeschlüsse bei der GmbH zu blockieren, und B aufgrund der Sperrminorität gegen Grundlagenbeschlüsse. Die Anteile der GmbH an der AG werden A und B aufgrund ihres jeweiligen „Verhinderungsrechts“ zugerechnet.

Bestimmt die Satzung eine größere qualifizierte Beschlussmehrheit als eine Dreiviertelmehrheit oder sogar Einstimmigkeit, kann auch eine geringere Beteiligung als 25 % zu einer Zurechnung und damit zu einer mittelbaren wirtschaftlichen Berechtigung führen.

Für die Rechtsanwender besteht eine zusätzliche Schwierigkeit: Der genaue Umfang der vom BVA für eine Zurechnung geforderten „Verhinderungsrechte“ bleibt in den FAQs unklar. Muss sich die Verhinderungsmöglichkeit auf „sämtliche“ Beschlüsse, „grundlegende“ Beschlüsse, mehrere „Entscheidungen“ oder nur „eine Entscheidung“ beziehen? Unklar ist auch, ob nach Ansicht des BVA bei „Verhinderungsrechten“ die Mitteilungsfiktion Anwendung finden und von einer Mitteilung der Angaben des wirtschaftlich Berechtigten an das Transparenzregister befreien kann.

Einordnung und Empfehlung

Die neue Verwaltungspraxis des BVA zur Bestimmung des wirtschaftlich Berechtigten, insbesondere in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, würde einen Paradigmenwechsel darstellen. Unseres Erachtens ist sie mit den Wertungen des GwG und verwandten Bestimmungen des AktG, HGB und WpHG unvereinbar und de lege lata unzutreffend.

Die vorstehenden Beispiele verdeutlichen eindrücklich die weitreichenden Konsequenzen der neuen Auffassung des BVA. Die „wahren“ wirtschaftlich Berechtigten, die eine Gesellschaft kontrollieren und steuern können, drohen in der Flut von Transparenzregistermeldungen über wirtschaftlich Berechtigte mit „Verhinderungsrechten“ unterzugehen. Die Folge wäre nicht mehr, sondern weniger Transparenz.

Jedes Unternehmen sollte prüfen, welche Auswirkungen die neuen FAQs auf die Bestimmung „seiner“ wirtschaftlich Berechtigten haben könnte. Schon die erste „Prüfungswelle“ nach Einführung des Transparenzregisters am 26. Juni 2017 hat gezeigt, dass dies gerade für größere Konzerne mit zahlreichen Tochtergesellschaften mit größerem Aufwand verbunden sein kann.

Ob eine Mitteilung zum Transparenzregister erforderlich ist, möglicherweise die Mitteilungsfiktion greift und welche Rechtsrisiken bestehen, kann nur auf Grundlage des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden.

Weitere Aussagen in den FAQs

Hinsichtlich weiterer zweifelhafter Aussagen in den FAQs, hält das BVA an seiner bisherigen Auffassung fest:

Zwar können Mitteilungspflichten an das Transparenzregister in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen kraft Mitteilungsfiktion (§ 20 Abs. 2 S. 1 GwG) dadurch entfallen, dass sich die Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten aus einer Zusammenschau der in § 22 Abs. 1 GwG aufgeführten Dokumente und Eintragungen ergeben, die elektronisch aus den in § 20 Abs. 2 S. 1 GwG genannten Registern abrufbar sind. Das BVA geht aber nach wie vor davon aus, dass ausgerechnet Eintragungen im Transparenzregister die Mitteilungsfiktion nicht auslösen können, obwohl diese in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GwG ausdrücklich genannt sind (FAQs B.IV.1).

Ebenso hält das BVA an seiner Auffassung fest, dass die Mitteilungsfiktion bei einer Kommanditgesellschaft im Regelfall nicht greift, wenn neben dem/den Komplementär/en auch Kommanditisten wirtschaftlich Berechtigte sind (FAQs C.II.1, zu Ausnahmefällen C.II.2).

Vereinigungen sind seit 1. Januar 2020 gem. § 20 Abs. 3a GwG zudem verpflichtet, in angemessenem Umfang Auskunft von ihren Anteilseignern zu verlangen, falls sie keine Informationen von ihren wirtschaftlich Berechtigten erhalten. Die Anfragen und Antworten sind zu dokumentieren; die Nicht-Dokumentation ist bußgeldbewehrt (FAQs B.I.4).

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