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Geschäftsgeheimnisgesetz ist in Kraft getreten

Nach langer politischer Debatte wurde das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) am 21. März 2019 vom Bundestag und am 12. April 2019 vom Bundesrat verabschiedet. Das Gesetz ist am 26. April 2019 in Kraft getreten. Dies war längst überfällig: Die Frist zur Umsetzung der zugrundeliegenden EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie ist schon seit Juni 2018 abgelaufen. Wir fassen die wesentlichen Neuerungen zusammen und zeigen, welche Änderungen sich im Gesetzgebungsverfahren in letzter Minute noch ergeben haben.

Wesentliche Inhalte des Gesetzes

Gegenüber der bisherigen Rechtslage bringt das Gesetz folgende wesentliche Neuerungen:

  • Neuer „Geschäftsgeheimnis“-Begriff: Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses wird neu definiert (§ 2 Nr. 1 GeschGehG) und lehnt sich nun stärker an internationale Standards an. Erforderlich ist künftig unter anderem, dass die geheime Information zumindest einen potentiellen wirtschaftlichen Wert hat und Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ist.
  • Ausdifferenziertes zivilrechtliches Haftungssystem: Wurde der Schutz von Geschäftsgeheimnissen bislang lediglich über das Vertragsrecht, einzelne Straftatbestände und über Generalklauseln gewährt, findet sich nun erstmals ein hinsichtlich Tatbeständen (§ 4 GeschGehG) und Rechtsfolgen (§§ 6 ff. GeschGehG) ausdifferenziertes zivilrechtliches Haftungssystem. Dies schafft mehr Rechtsklarheit. Ausdrücklich zulässig ist in Zukunft das Reverse Engineering frei verfügbarer Produkte (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG), das bisher in Deutschland eine rechtliche Grauzone bildete.
  • Schranken zugunsten legitimer Interessen: Erstmals wird der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ausdrücklichen Grenzen („Ausnahmen“) zugunsten legitimer Interessen von Whistleblowern und investigativ tätigen Journalisten unterworfen (§ 5 GeschGehG).
  • Geheimnisschutz im Prozess: Bei Klagen wegen einer Verletzung von Geschäftsgeheimnissen haben Gerichte künftig erweiterte Befugnisse zum Schutz dieser Geheimnisse. So können z.B. dem Prozessgegner Verschwiegenheitspflichten auferlegt werden, deren Verletzung eigens sanktioniert ist (§ 16 ff. GeschGehG). Der Zugang des Gegners zu dem Geschäftsgeheimnis kann zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden. Allerdings kann die Parteiöffentlichkeit auf einen eng begrenzten Personenkreis beschränkt werden (§ 19 GeschGehG).

Änderungen in letzter Minute

Die beschlossene Gesetzesfassung enthält eine Reihe von Klarstellungen, die auf Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages noch in letzter Minute ergänzt wurden, u.a.:

  • Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben durch das Gesetz unberührt (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GeschGehG). Gemeint ist laut Gesetzesbegründung vor allem:
    • Das Gesetz soll nicht dazu dienen, individualvertragliche Abreden im Arbeitsvertrag zu unterlaufen.
    • Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur beruflichen Mobilität der Arbeitnehmer soll durch das Gesetz nicht beeinträchtigt werden. Ehemalige Arbeitnehmer dürfen ihr redlich erlangtes Erfahrungswissen nach ihrem Ausscheiden grundsätzlich weiternutzen, auch wenn es sich mit Geschäftsgeheimnissen des Arbeitgebers überschneidet. Soll das verhindert werden, muss ein Wettbewerbsverbot (§§ 74 ff. HGB) vereinbart werden. Dies gilt aber nicht für Informationen, die sich der Arbeitnehmer unredlich angeeignet hat.
    • Das Gesetz soll keinen Einfluss auf die Informations-, Anhörungs- und Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertretungen nehmen.
  • Ein Geschäftsgeheimnis soll nur dann vorliegen, wenn ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht (§ 2 Nr. 1 lit. c GeschGehG). Dies wird allerdings stets der Fall sein, wenn die geheime Information einen Vermögenswert hat.
  • Wer sich auf Schrankenregelungen u.a. zugunsten von Whistleblowern berufen kann, begeht keine Rechtsverletzung (§ 2 Nr. 3 GeschGehG).
  • Gegenüber dem Regierungsentwurf inhaltlich abgeändert wurde die Whistleblower-Schranke (§ 5 Nr. 2 GeschGehG). Sie setzt nicht mehr voraus, dass derjenige, der sich darauf beruft, in der Absicht gehandelt haben muss, das öffentliche Interesse zu schützen. Seine Handlung muss stattdessen geeignet zum Schutz des öffentlichen Interesses sein. Damit wird die „Gesinnungsprüfung“ zugunsten eines objektiven Kriteriums aufgegeben.

Was bringt das neue Gesetz? Besteht Handlungsbedarf?

Die wirtschaftliche Relevanz von Geschäftsgeheimnissen ist sehr hoch. Kein Unternehmen kommt umhin, sein fachliches Know-how, seine besonderen Marktkenntnisse und seine Kunden- und Vertriebsdaten angemessen zu schützen. Bei technologieintensiven Unternehmen genießen Geschäftsgeheimnisse häufig einen Stellenwert, der dem Patentportfolio gleichkommt oder sogar darüber hinausreicht. Dieser wirtschaftlichen Bedeutung wird die Neuregelung in einem eigenständigen Gesetz wesentlich besser gerecht als die bisherigen bruchstückhaften Regelungen. Da das Gesetz auf einer EU-Richtlinie beruht, sind auch die anderen Mitgliedsstaaten zur Schaffung eines vergleichbaren Schutzniveaus verpflichtet. Dies erleichtert den grenzüberschreitenden Austausch sensibler Informationen. Sollte es zum Streit über Geschäftsgeheimnisse kommen, sind die neuen prozessualen Schutzmechanismen von besonderem Wert. Insoweit existierten bislang in Deutschland nicht ansatzweise adäquate Absicherungen.

Gleichsam als Kehrseite stellt das Geschäftsgeheimnisgesetz aber auch neue organisatorische Anforderungen:

  • Schutz als Geschäftsgeheimnis genießt eine Information künftig nur noch dann, wenn den Umständen nach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen wurden. Dies können vertragliche, organisatorische oder technische Vorkehrungen sein. Der Schlüssel, um die notwendigen Vorkehrungen handhabbar zu gestalten, wird darin liegen, das vorhandene Know-how zu bewerten und zu kategorisieren, um die Maßnahmen auf wirklich schützenswerte Informationen zu konzentrieren. Vertraulichkeitsvereinbarungen sollten gezielter und mit höherem Augenmerk auf Wirksamkeit abgeschlossen werden. Insbesondere bei Überwachungsmaßnahmen gegenüber Mitarbeitern sind arbeits- und datenschutzrechtliche Anforderungen zu beachten.
  • Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird zunehmend in den Fokus der Compliance-Abteilungen rücken. Beschränkte sich die Haftung für Geheimnisverletzungen bislang im Wesentlichen auf einige wenige Straftatbestände, sind Geheimnisverletzungen mit hohem Haftungsrisiko künftig auch schon bei leicht fahrlässigem Verhalten möglich. Es ist daher verstärkt darauf zu achten, dass z.B. über neu eingestellte Mitarbeiter oder geschäftliche Kooperationen kein rechtswidrig erlangtes Know-how Dritter in das Unternehmen gelangt.
  • Abzuwarten bleiben die Auswirkungen der Whistleblower-Schranke. Diese befindet sich nicht in jeder Hinsicht im Einklang mit der ebenfalls unmittelbar vor dem Inkrafttreten stehenden EU-Hinweisgeber-Richtlinie. Die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu sollte auch mit Blick auf die Organisation interner Hinweisgebersysteme eng nachverfolgt werden.

Fazit

Das neue Gesetz wird der wettbewerblichen Relevanz von Geschäftsgeheimnissen besser gerecht und wertet deren Schutz auf. Um in den Genuss dieses Schutzes zu kommen, ist es aber wichtig, angemessene vertragliche, organisatorische und technische Vorkehrungen zu treffen und diese gezielter und strategischer auszurichten als bislang.

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