Arbeitsrecht

Drittes Bürokratieentlastungsgesetz – Auf dem Weg zur digitalen Krankmeldung

Mit der Verabschiedung des „Dritten Bürokratieentlastungsgesetzes“ (BEG III) am 24. Oktober 2019 treibt die Große Koalition die Themen Bürokratieabbau und Digitalisierung unter anderem im Arbeitsrecht voran. Einen Schwerpunkt des Gesetzes stellt die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung dar. Damit entfällt zukünftig die Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Einreichung des sog. „gelben Zettels“, seine Beweisfunktion bleibt jedoch.

Aktuelle Gesetzgebung im Bereich der Arbeitsunfähigkeitsmeldung

Nachdem vor einem halben Jahr bereits ein einheitliches und verbindliches elektronisches Verfahren zur Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsdaten durch die Ärzte an die Krankenkassen normiert wurde (Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6. Mai 2019, BGBl. I S. 646), folgt nun der nächste Schritt hin zur papierlosen Arbeitsunfähigkeitsmeldung: Durch die Einbeziehung der Arbeitgeber in das elektronische Verfahren soll die bislang noch erforderliche Einreichung des gelben Scheins beim Arbeitgeber entfallen. Das entsprechende Gesetz, das sog. „Dritte Bürokratieentlastungsgesetz“ (BEG III), wurde am 24. Oktober 2019 vom Bundestag verabschiedet, der Bundesrat hat am 8. November 2019 zugestimmt. Damit ist der Weg frei für die „digitale Krankmeldung“. Mit dem BEG III, das am 1. Januar 2022 in Kraft treten soll, setzt die Bundesregierung eines ihrer Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um.

Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen werden ab dem 1. Januar 2021 von den Ärzten digital an die Krankenkassen übermittelt, sodass Arbeitnehmer von der Vorlage der Bescheinigung bei der Krankenkasse befreit werden (bisher § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Das BEG III ergänzt dieses durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz etablierte Verfahren dahingehend, dass künftig auch Arbeitgeber die Daten zur Arbeitsunfähigkeit nach entsprechender Meldung durch die Krankenkasse elektronisch abrufen (§ 109 Abs. 1 SGB IV in der geplanten Fassung ab 2022). Damit entfällt ab 2022 die bislang nach § 5 Abs. 1 S. 2-5 EFZG bestehende Verpflichtung der Arbeitnehmer den gelben Zettel beim Arbeitgeber einzureichen.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bleibt dennoch in ihrer bisherigen, papiergebundenen Form erhalten. Denn die Pflicht des Arztes zur Ausstellung der schriftlichen Bescheinigung wird durch das elektronische Übermittlungsverfahren nicht berührt (§ 109 Abs. 1 S. 5 SGB IV in der geplanten Fassung ab 2022). Die Vorlagepflicht der Arbeitnehmer wird durch die Obliegenheit, sich die Bescheinigung aushändigen zu lassen, ersetzt (§ 5 Abs. 1a S. 2 EFZG iF ab 2021). Der Arbeitnehmer erhält also nach wie vor eine Papierbescheinigung als Beweismittel mit dem von der Rechtsprechung zugebilligten hohen Beweiswert, um – so der Gesetzgeber – „in Störfällen (etwa einer fehlgeschlagenen Übermittlung im elektronischen Verfahren)“ das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit nachweisen zu können (BT-Drs. 19/1395, S. 37, 39).

Inhalt und Zweck der elektronischen Datenübermittlung

Zukünftig sind die Krankenkassen verpflichtet nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen. Diese muss insbesondere Daten zum Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit sowie ihrer ärztlichen Feststellung enthalten. Der Arbeitgeber wird außerdem über den Zeitpunkt des Auslaufens der Entgeltfortzahlung wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten informiert. Für den Abruf und die Verarbeitung der Daten können Arbeitgeber einen Dritten beauftragen.

Sinn und Zweck der Integration der Arbeitgeber in das elektronische Verfahren ist es insbesondere, eine zeitnahe Information über die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und auch einer Folgebescheinigung zu gewährleisten. Im Übrigen soll hinsichtlich der Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit ein gleicher Datenbestand zwischen Krankenkassen und Arbeitgeber gesichert werden (BT-Drs. 19/13959, S. 38). Auch Streitigkeiten über die Frage der rechtzeitigen Vorlage der Bescheinigung sollen vermieden werden (BT-Drs. 19/13959, S. 21). Mit der Übermittlung der relevanten Vorerkrankungszeiten soll das Verfahren zur Feststellung des Entgeltfortzahlungsendes vereinfacht und bisher leerlaufenden Abfragen durch die Arbeitgeber begegnet werden (BT-Drs. 19/13959, S. 39). Einen weiteren Vorteil sieht der Gesetzgeber darin, dass die Arbeitsunfähigkeitsdaten innerhalb des Unternehmens vollelektronisch verarbeitet und weitergeleitet werden können (BT-Drs. 19/13959, S. 26).

Gleiss Lutz kommentiert

In Zeiten, in denen Krankschreibungen ohne persönliche ärztliche Untersuchung online (bzw. zeitweise sogar über WhatsApp) erlangt werden können – was aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht unproblematisch ist –, scheint die Arbeitsunfähigkeitsmeldung in Papierform tatsächlich nicht mehr zeitgemäß. Einige Arbeitgeber sind auch bereits auf digitale Lösungen umgestiegen, z. B. in Form der Übermittlung der schriftlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per unternehmensinterner App. Das gesetzgeberische Vorhaben entspricht also zu beobachtenden Entwicklungen in der Praxis. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens wurde allerdings der zeitnahe Erlass eines „Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes“ als Nachfolger des BEG III gefordert. In Bezug auf die elektronische Arbeitsunfähigkeitsmeldung wird insbesondere kritisiert, dass die Nachweispflicht und damit auch die Haftung im Falle einer nicht funktionierenden Übermittlung weiterhin dem Risikobereich der Arbeitnehmer zugewiesen sind, obwohl diese an der Übermittlung nicht beteiligt sind. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Schritte die Große Koalition auf dem Weg zur digitalen Krankmeldung im Dunstkreis von „Arbeitsrecht 4.0“ gehen wird.

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