Arbeitsrecht

Ausschlussklausel und Mindestlohn

Bei der Formulierung von Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen erhalten Arbeitgeber nunmehr Hilfestellung von höchster Instanz: Das BAG hat in den Entscheidungsgründen zum Urteil vom 18. September 2018 (9 AZR 162/18) auf einen Formulierungsvorschlag verwiesen, an dem sich die Praxis der Vertragsgestaltung zukünftig zu orientieren haben wird.

Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen ab 1. Januar 2015

Das BAG hat in der Entscheidung klargestellt, dass Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen werden, unwirksam sind, sofern sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich vom Geltungsbereich der Ausschlussklausel ausnehmen (vgl. unseren Beitrag vom 5. November 2018). Aber auch für Altverträge, die vor dem 1. Januar 2015 geschlossen wurden, kann die Entscheidung relevant werden, wenn die Verträge nach dem Stichtag ergänzt oder geändert wurden.

Transparenzgebot

Seine Entscheidung begründet das BAG mit einem Hinweis auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB: Aus der Ausschlussklausel müsse ersichtlich sein, welche Rechtsfolgen sie nach sich ziehe und was der Arbeitnehmer zu tun habe, um den Eintritt dieser Rechtsfolgen zu verhindern. Der Arbeitnehmer dürfe durch die Ausschlussklausel nicht davon abgehalten werden, bestehende Ansprüche geltend zu machen. Nehme die Ausschlussklausel den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich vom eigenen Geltungsbereich aus, bestünde die Gefahr, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der Ausschlussfrist den gesetzlichen Mindestlohn nicht mehr geltend mache, weil er fälschlicherweise davon ausginge, dass der Anspruch verfallen sei.

Gesamtunwirksamkeit der Ausschlussklausel

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot hat nach Ansicht des BAG zur Folge, dass die Ausschlussklausel insgesamt unwirksam ist, d.h. sie ist nicht nur bezogen auf den gesetzlichen Mindestlohn unwirksam, sondern bezogen auf alle von ihr erfassten Ansprüche.

Grund für dieses Ergebnis ist das in § 306 BGB statuierte Verbot der geltungserhaltenen Reduktion. Daran ändert nach Ansicht des BAG auch § 3 Satz 1 MiLoG nichts, wonach Vereinbarungen, die die Geltendmachung des gesetzlichen Mindestlohns beschränken oder ausschließen, nur „insoweit“ unwirksam sind. § 3 Satz 1 MiLoG solle den Mindestlohnanspruch sichern und die Umgehung des MiLoG verhindern. Mit diesem Zweck unvereinbar sei die Annahme einer geltungserhaltenen Reduktion der Ausschlussklausel. Andernfalls könnten Arbeitgeber risikolos umfassende Ausschlussklauseln in Arbeitsverträge aufnehmen, denn im Streitfall würde die Klausel auf das gerade noch zulässige Maß gekürzt. In einem solchen Fall würden Arbeitnehmer, die auf die Wirksamkeit der umfassenden Ausschlussklausel vertrauen, abgehalten, ihren gesetzlichen Mindestlohnanspruch geltend zu machen.

Formulierungsvorschlag

An der Entscheidung des BAG zu begrüßen ist, dass sie nicht nur die Unwirksamkeit einer Ausschlussklausel ausspricht, sondern den Rechtsanwendern zugleich Hilfe bei der rechtssicheren Formulierung gibt.

Das BAG betont erfreulicherweise, dass an den Klauselverwender keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürften. Unberechtigt sind daher die ursprünglichen Befürchtungen, eine Ausschlussklausel müsse jeden nur denkbaren Anspruch ausdrücklich vom Geltungsbereich ausnehmen, auf den die Arbeitsvertragsparteien nicht verzichten können. In der Entscheidung verweist das BAG dann auch auf einen vergleichsweise knappen Formulierungsvorschlag in der Literatur. Dieser lautet:

„Die Ausschlussfrist gilt nicht:

(1) für die Haftung aufgrund Vorsatzes,

(2) für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder

(3) für Ansprüche des Arbeitnehmers, die kraft Gesetzes dieser Ausschlussfrist entzogen sind (z.B. AEntG, MiLoG, BetrVG, TVG).“

Eine solche Formulierung hält das BAG wohl für mit dem Transparenzgebot vereinbar. Für den verständigen Arbeitnehmer werde deutlich, dass die vertragliche Ausschlussfrist gesetzlichen Beschränkungen unterliege. Eine Belehrung über alle gesetzlichen Bestimmungen, die Ausschlussklauseln der Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien entziehen, verlange das Transparenzgebot nicht.

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung daher ein Mehr an Rechtssicherheit bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen.

Zu weiteren Einzelheiten: Lingemann/Chakrabarti, Hilfe des BAG bei Ausschlussklauseln, NJW 2019, 978

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