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Unionsweite Mindestvorschriften für die strafrechtliche Verfolgung von Sanktionsverstößen führen zu deutlichen Verschärfungen

Die Europäische Union („EU“) treibt die Vereinheitlichung von Mindeststandards für die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung von Verstößen gegen ihre Sanktionen und Embargos weiter voran. Hierfür veröffentlichte sie am 29. April 2024 die Richtlinie (EU) 2024/1226 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2018/1673 (die „Sanktionsrichtlinie“), die am 19. Mai 2024 in Kraft trat.

Die Sanktionsrichtlinie bedarf noch der Umsetzung in die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. In Deutschland wird dies mit einer erheblichen Verschärfung des gesetzlichen Ist-Zustands für handelnde Personen und betroffene Unternehmen einhergehen. Dies gilt für die Möglichkeit, deutlich erhöhte Bußgelder zu verhängen, und reicht bis zur Unternehmensauflösung als Ultima Ratio. 

I. Sanktionsrichtlinie zur Vereinheitlichung von Straftatbeständen bei Sanktionsverstößen

Mit der Sanktionsrichtlinie führt die EU unionsweite Mindeststandards für die strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen EU-Sanktionen ein. Der deutsche Gesetzgeber hat das nationale Recht bis zum 20. Mai 2025 an die verschärften Vorgaben anzupassen.

1. Hintergrund 

Die Durchsetzung von EU-Sanktionen und damit auch die Ahndung von Verstößen gegen Sanktionsvorschriften obliegt in der EU grundsätzlich den Mitgliedstaaten. Da es den Mitgliedstaaten insoweit freisteht, Sanktionsverstöße unter Strafe zu stellen oder sie als (bloße) Ordnungswidrigkeit zu ahnden, unterscheiden sich die einzelnen Ahndungsregime für Sanktionsverstöße EU-weit teilweise erheblich voneinander.

Insbesondere vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der dadurch bedingten erheblichen Ausweitung der EU-Sanktionen gegen Russland hat die EU Handlungsbedarf für eine unionsweit harmonisierte Durchsetzung entsprechender Sanktionen gesehen. Nach geltendem Unionsrecht darf die EU nur Mindestvorschriften zu ausgewählten Delikten der besonders schweren Kriminalität (z.B. Korruption, Geldwäsche oder organisierte Kriminalität) erlassen (vgl. Art. 83 AEUV). Bislang zählten Verstöße gegen restriktive Unionsmaßnahmen nicht zu diesen Bereichen. Dem Europäischen Rat steht es jedoch frei, weitere Kriminalitätsbereiche festzulegen, sofern er eine entsprechende grenzüberschreitende Dimension feststellt. Im November 2022 nutzte der Europäische Rat dieses Handlungsinstrument und legte damit den Grundstein für die Sanktionsrichtlinie.

2. Regelungsgehalt

Die am 29. April 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlichte Sanktionsrichtlinie legt zum einen bestimmte von den Mitgliedstaaten als Straftat zu qualifizierende Sanktionsvorstöße fest (vgl. 2.1.) und definiert zum anderen Mindeststandards für den entsprechenden Straf- und Bußgeldrahmen (vgl. 2.2.).

2.1 Straftatbestände

Als Kernstück der Sanktionsrichtlinie kodifiziert Art. 3, welche vorsätzlichen Verstöße Mitgliedstaaten künftig unter Strafe zu stellen haben. Hierzu zählt/zählen:

  • Verstöße gegen ein Bereitstellungsverbot oder ein Einfriergebot sowie Ermöglichung der verbotenen Einreise im Falle von Finanzsanktionen gegen gelistete Personen (Art. 3 Abs. 1 lit. a bis c);
  • der Abschluss oder die Fortführung von verbotenen Transaktionen mit Drittstaaten oder Staatsunternehmen, einschließlich der Vergabe oder Fortsetzung von öffentlichen Aufträgen oder Konzessionen (Art. 3 Abs. 1 lit. d);
  • der Handel mit sanktionierten Waren, d.h. Verstöße gegen Einfuhr-, Kauf- bzw. Verkaufs- und Ausfuhr- sowie Verbringungs-, Durchfuhr- und Beförderungsverboten und Verbote der Erbringung von Vermittlungsdiensten, technischer Hilfe oder sonstigen Dienstleistungen im Zusammenhang mit sanktionierten Gütern (Art. 3 Abs. 1 lit. e);
  • das verbotene Erbringen von Finanzdienstleistungen oder Ausüben von Finanztätigkeiten (Art. 3 Abs. 1 lit. f);
  • das Erbringen verbotener sonstiger Dienstleistungen (Art. 3 Abs. 1 lit. g);
  • die Umgehung von Sanktionen in bestimmten Konstellationen im Zusammenhang mit Finanzsanktionen gegen gelistete Personen (Art. 3 Abs. 1 lit. h) und
  • der Verstoß gegen Genehmigungsbedingungen (Art. 3 Abs. 1 lit. i).

Die Mitgliedstaaten können nach Art. 3 Abs. 2 einen Schwellenwert von EUR 10.000 festlegen, bei dessen Unterschreitung eine entsprechende Strafbarkeit ausbleibt. Nach Art. 3 Abs. 3 sollen auch grob fahrlässig begangene Sanktionsverstöße strafbar sein, wenn das dem Verstoß zugrundeliegende Handelsgeschäft Militär- oder Dual-Use-Güter betrifft. Der deutsche Gesetzgeber wird deshalb die bisher bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten regelnde Vorschrift des § 19 AWG für grob fahrlässige Pflichtverstöße künftig als Straftatbestand ausgestalten müssen. Daneben haben die Mitgliedstaaten Vorschriften für eine strafbewehrte Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) an den unter Strafe gestellten Taten sowie zur Versuchsstrafbarkeit ins innerstaatliche Recht aufzunehmen.

2.2 Straf-/Bußgeldrahmen

Die wesentlichen den Straf- und Bußgeldrahmen betreffenden Regelungen sieht die Sanktionsrichtlinie für natürliche Personen in Art. 5 und für Unternehmen in Art. 7 vor:

Nach Art. 5 Abs. 2 soll stets die Möglichkeit bestehen, gegen Beteiligte einer der oben genannten Straftaten (vgl. 2.1.) eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Die entsprechende außenwirtschaftsrechtliche Strafvorschrift § 18 AWG sieht aktuell bereits für jedes strafbewehrte Verhalten als Höchststrafe eine Ahndung mit Freiheitsentzug vor, sodass es jedenfalls den Strafrahmen betreffend in Deutschland keiner Gesetzesänderung bedarf. Für bestimmte Sanktionsverstöße gelten nach der Sanktionsrichtlinie zudem empfindliche Mindest-Höchststrafen: So soll das Höchstmaß für den Handel mit sanktionierten Waren oder für Verstöße gegen Transaktionsverbote nicht unter Freiheitsstrafe von fünf Jahren betragen, wenn der Wert der dem Sanktionsverstoß zugrunde liegenden Waren oder Transaktion mindestens EUR 100.000 beträgt. Ein entsprechender Strafrahmen ist im deutschen Recht in § 18 AWG jedenfalls für vorsätzliche Sanktionsverstöße grundsätzlich angelegt. Insbesondere für die bislang als Ordnungswidrigkeit ausgestalteten fahrlässigen Sanktionsverstöße besteht dagegen Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber. Darüber hinaus kann natürlichen Personen nach Art. 5 Abs. 5 der Sanktionsrichtlinie der Entzug von Genehmigungen oder das Verbot des Bekleidens von Führungspositionen oder der Kandidatur für öffentliche Ämter drohen.

Für Unternehmen sollen (insbesondere gegenüber dem nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG derzeit für Sanktionsverstöße gegen Unternehmen zu verhängenden Bußgeldhöchstbetrag von EUR 10 Mio.) künftig verschärfte Bußgeldrahmen gelten. In Bezug auf den Großteil der von der Sanktionsrichtlinie umfassten Sanktionsverstöße sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Höchstmaß einer möglichen Geldbuße auf mindestens EUR 40 Mio. oder 5% des Jahresgesamtumsatzes des Unternehmens festzulegen (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. b). Zudem besteht für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, nach Art. 7 Abs. 1 zusätzliche Maßnahmen wie z.B. den Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen und Vergabeverfahren, die Entziehung von etwaigen Genehmigungen sowie Zulassungen und als Ultima Ratio die gerichtlich angeordnete Auflösung des Unternehmens festzulegen.

Zugleich legt die Sanktionsrichtlinie Faktoren fest, die strafschärfend oder strafmildernd Berücksichtigung finden können. Strafschärfend soll sich etwa das Handeln im Rahmen einer kriminellen Vereinigung oder in Ausübung eines öffentlichen Amts auswirken. Die der Aufklärung der Straftat dienende Kooperation des Täters mit den Behörden soll dagegen einen mildernden Umstand darstellen. Eine vergleichbare Vorschrift sieht das deutsche Ordnungswidrigkeitengesetz bislang noch nicht vor.

II. Ausblick

Durch die unionsweit harmonisierte Strafverfolgung können handelnde Personen und Unternehmen bei Sanktionsverstößen künftig von einem im Wesentlichen einheitlichen und verschärften Sanktionsregime innerhalb der EU ausgehen.

Da Deutschland im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten (u.a. mit § 18 AWG) bereits heute über ein strenges Außenwirtschaftsstrafrecht verfügt, bedarf hierzulande nur ein Teil der Sanktionsrichtlinie der innerstaatlichen Umsetzung. Trotzdem wird es in diesen Bereichen zu erheblichen Verschärfungen kommen: Während grob fahrlässige außenwirtschaftsrechtliche Verstöße nach deutschem Recht bisher als (bloße) Ordnungswidrigkeiten qualifiziert werden, müssen sie künftig in vielen Fällen Straftaten darstellen. Auch Verstöße gegen Transaktionsverbote werden zukünftig nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat geahndet.

In Anbetracht des verschärften Sanktionsregimes wird insbesondere aus Unternehmenssicht zu beobachten sein, wie der deutsche Gesetzgeber die Richtlinienvorgabe einer Mindest-Höchstgeldbuße von EUR 40 Mio. bzw. einer konzernjahresumsatzabhängigen Bußgeldhöhe ins nationale Recht umsetzen wird. Je nach Unternehmensgröße werden sich zwischen beiden Möglichkeiten erhebliche Abweichungen ergeben. Unabhängig davon, welchen Weg der deutsche Gesetzgeber gehen wird, handelt es sich allerdings um eine erhebliche Verschärfung im Vergleich zum gesetzlichen Ist-Zustand in Deutschland. Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, dass nach der Sanktionsrichtlinie auch eine gerichtlich angeordnete Auflösung eines Unternehmens möglich sein kann.

Vor diesem Hintergrund bleibt Unternehmen nur, ihre Präventionsbemühungen (weiter) zu stärken, angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Sanktionsverstößen zu implementieren und die Wirksamkeit der bereits vorhandenen Strukturen kritisch zu überprüfen. Durch eine risikoangemessene Sanktions-Compliance kann das Risiko empfindlicher Bußgelder oder anderer das Unternehmen belastende Maßnahmen erheblich reduziert werden.

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