Energie & Infrastruktur

Offshore-CO2-Speicherung, CO2-Export und marines Geo-Engineering – Was die zwei aktuellen Gesetzentwürfe für Unternehmen bedeuten

Einordnung 

Zwei aktuelle Gesetzentwürfe markieren einen zentralen regulatorischen Schritt zur Abscheidung und Speicherung von CO2 („CCS“) und zur Erschließung offshorebasierter Klimaschutzmöglichkeiten: Der Entwurf eines CO2‑Export‑Ermöglichungsgesetzes zur Zustimmung zu den Änderungen des Artikels 6 des sog. Londoner Protokolls („LP“) sowie der Entwurf eines Änderungsgesetzes des Hohe‑See‑Einbringungsgesetzes („HSEG-E“). Beide Entwürfe verknüpfen deutsches Recht mit völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Rahmenbedingungen, um Offshore‑Speicher in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone („AWZ“) und auf dem Festlandsockel zu öffnen, transnationale Exportpfade für CO2 zu erlauben und forschungsbezogene Maßnahmen des marinen Geo‑Engineerings zu präzisieren. Mit den Gesetzentwürfen möchte die Bundesregierung einen weiteren Beitrag zur Erreichung der  Ziele des Pariser Übereinkommens und des Bundes‑Klimaschutzgesetzes leisten.

Das CO2‑Export‑Ermöglichungsgesetz schafft dabei die Grundlage für die deutsche Ratifikation der Entschließung LP.3(4) von 2009 (im Jahr 2009 wurde Artikel 6 LP, welches zuvor ein uneingeschränktes Verbot des Exports von Abfällen oder anderen Stoffen in andere Staaten zum Zwecke des Dumpings oder der Verbrennung vorsah, durch diese Entschließung ergänzt) sowie für die Erklärung der vorläufigen Anwendung gemäß LP.5(14) (2019) und deren Hinterlegung bei der Internationalen Seeschifffahrts‑Organisation („IMO“). Der HSEG‑Entwurf setzt diese völkerrechtlichen Öffnungsklauseln in nationales Recht um, erweitert Ausnahmen vom Einbringungsverbot, verankert ein ausdrückliches Exportverbot mit eng gefasster CO2‑Ausnahme.  

Nationaler Ordnungsrahmen: Anpassungen im HSEG und Anbindung an das Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes („KSpG“)/ Kohlendioxidspeicherungs- und -transportgesetz („KSpTG“)

Der HSEG‑E regelt im Wesentlichen drei Kernaspekte:

  • Offshore‑Speicherung: § 4 HSEG-E wird um eine Ausnahme ergänzt, die das Einbringen von CO2‑Strömen zur dauerhaften Speicherung unter dem Meeresboden zulässt. Für Speicher in der deutschen AWZ und auf dem Festlandsockel verweist § 5 Absatz 5 HSEG-E ausdrücklich auf die Zulassungsvorschriften des KSpG/KSpTG (grundsätzlich Planfeststellung mit detaillierten materiellen Umwelt‑, Sicherheits‑ und Raumordnungsanforderungen). Eine zusätzliche HSEG‑Erlaubnis ist insoweit nicht erforderlich, um Doppelprüfungen zu vermeiden und ein hohes Schutzniveau zu sichern.
  • CO2‑Export: § 6a HSEG-E normiert ein generelles Exportverbot für Abfälle/Stoffe zur Meeresentsorgung und führt unter bestimmten Voraussetzungen eine eng begrenzte Ausnahme für CO2‑Ströme ein.
  • Marines Geo‑Engineering und Notfallmaßnahmen: Der HSEG-E erweitert für Forschungszwecke die im HSEG zulässigen Geo‑Engineering‑Methoden um Ozean‑Alkalinisierung, Versenkung von Biomasse, Mineralisierung in Basaltgestein der ozeanischen Kruste und künstlichen Auftrieb. Die Methoden sind ausschließlich der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten

Zusammenhang zwischen den beiden Gesetzesentwürfen und ihre unionsrechtliche Einbettung

Beide Gesetzentwürfe sind eng miteinander verbunden: Ohne Zustimmung/Anwendung der LP‑Änderungen läuft die Exportausnahme ins Leere; ohne HSEG‑Umsetzung fehlt die nationale Regelung, Exporte zu ermöglichen und Offshore‑Speicher in der deutschen AWZ zu betreiben. Exporte in Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums finden vorrangig innerhalb des europäischen Rechtsrahmens einschließlich seiner nationalen Umsetzung statt. Für Standortwahl, Betrieb, Überwachung, Nachsorge, Haftung und Stilllegung etwa bleibt somit die CCS‑Richtlinie maßgeblich. Die EU‑ETS‑Richtlinie regelt den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten. 

Bilaterale Übereinkünfte mit diesen Staaten können daher nur ergänzend solche Punkte regeln, die nicht bereits durch EU-Recht bzw. die nationale Umsetzung dieses Rechts geregelt sind. 

Dabei ist auch zu beachten, dass § 4 Absatz 2 KSpG bereits heute Planrechtfertigung und Mindeststandards für Auslandsspeicher sicherstellt. Die HSEG‑Novelle schafft darüber hinaus Klarheit für den maritimen Vollzug und die Exportlogik und definiert in § 2 HSEG-E den Anwendungsbereich der „Hohen See“ inklusive AWZ und Festlandsockel. 

Für das Inkrafttreten des HSEG-E verweist der Gesetzgeber auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Entschließung LP.3(4) oder der Erklärung der vorläufigen Anwendung nach LP.5(14); der Tag des Inkrafttretens wird im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht. 

Praktische Auswirkungen und Chancen für Unternehmen

Insbesondere für emissionsintensive Branchen mit schwer vermeidbaren Restemissionen (z. B. Zement, Kalk, Stahl, Chemie, Raffinerien, Abfallverwertung) eröffnen sich durch die geplanten Regelungen neue Dekarbonisierungspfade. Gleichzeitig entstehen komplexe Planungs‑ und Compliance‑Anforderungen entlang der CCS‑Wertschöpfungskette:

  • Standort- und Infrastrukturabhängigkeit: Offshore‑Speicherkapazitäten in der deutschen AWZ werden planfeststellungs‑ und raumordnungsrechtlich gesteuert; Schutzzonen (u. a. Meeresschutzgebiete, Pufferzonen, artschutzbezogene Einschränkungen) begrenzen die Standortwahl. Unternehmen eröffnet sich die Möglichkeit zu prüfen, ob inländische Speicher erreichbar oder Exportoptionen vorzugswürdig sind (Infrastruktur‑ und Standortscouting).
  • Genehmigungs‑ und Verantwortlichkeitsallokation: Bei Exporten erfordert LP.3(4) eine klare Zuweisung der Erlaubnisverantwortung zwischen Export‑ und Importstaat. Bilaterale Abkommen müssen die Mindestanforderungen der Anlage 2 zum Londoner Protokoll spiegeln und gegebenenfalls unionsrechtliche Pflichten integrieren. Unternehmen sollten die hier die zukünftigen neuen Regelungen u.a. hinsichtlich der Verantwortungs- und ggf. Haftungszuweisungen sorgfältig monitoren.
  • Umwelt- und Haftungsrisiken: Hierbei sind auch die Regelungen des HSEG/KSpG zu berücksichtigen, die u.a. belastbare Sicherheitsnachweise, Leckage‑Präventions- und Überwachungskonzepte sowie finanzielle Sicherheiten vorsehen. Bei grenzüberschreitenden Lieferketten stellt sich ggf. die Frage nach Haftungsdurchgriffen, Versicherbarkeit und Regressrisiken.
  • Emissionshandel und Bilanzierung: Für die Anrechenbarkeit im EU‑ETS ist sicherzustellen, dass Abscheidung, Transport und dauerhafte Speicherung den regulatorischen Anforderungen entsprechen und auditierbar sind. Bei Exporten stellen sich neue Herausforderungen für die konsistente Abbildung von Gutschriften bzw. Abzügen über Grenzen hinweg.
  • Zeitliche Abhängigkeiten bei der Projektplanung beachten: Diese ergeben sich insbesondere aus der rechtlichen Verzahnung zwischen beiden Regelungen und betreffen auch die Voraussetzungen für die Möglichkeit der Exportfähigkeit.
  • Forschungsumgebung und Innovation: Die Ausweitung zulässiger Geo‑Engineering‑Forschungsmethoden schafft interessante Möglichkeiten für den F&E‑Bereich, etwa für Forschungsprojekte zu Ozean‑Alkalinisierung, Mineralisierung oder künstlichen Auftrieb.
  • Zugleich sind Monitoring‑ und Berichtspflichten, naturschutzrechtliche Abwägungen und Bewilligungsfristen einzuplanen.

Ausblick

Interessierte Unternehmen können angesichts der geplanten Neuregelungen erste strategische und operative Weichen frühzeitig stellen (etwa im Sinne einer „CCS-Roadmap“, aber auch ein genereller Check-up der unternehmensinternen Vertrags- und Genehmigungscompliance).

Dabei sollte die weitere Gesetzgebung, auch die sehr interessanten völkerrechtlichen Schritte genau beobachtet werden und die Unternehmensstrategien bei Bedarf auf die angedachten Exportmöglichkeiten – vor allem auch im Kontext bereits existierender Vorgaben – rechtzeitig geprüft und ggf. fortentwickelt werden.

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