Wirtschaftsstrafrecht

Intensivierte Vermögensabschöpfung: BMJV legt Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten vor

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 1.  Dezember 2025 einen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2024/1260 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2024 über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten (Referentenentwurf) veröffentlicht. Die dem Referentenentwurf zugrunde liegende EU-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihre nationalen Gesetze  bis 23. November 2026 an ein unionsweit harmonisiertes Modell anzupassen, das eine schnellere Sicherstellung, Einziehung und Verwaltung von Vermögenswerten ermöglicht. Der deutsche Entwurf setzt nun die wesentlichen strukturellen Vorgaben um und bildet den Auftakt für eine umfassende Modernisierung der Vermögensabschöpfung.

1. Zielsetzung der Reform

Mit der Reform beabsichtigt die Europäische Union die Vermögensabschöpfung insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu stärken. Bislang gelingt es den Ermittlungsbehörden teilweise nur in eingeschränktem Umfang, aus Straftaten erzielte Vermögenswerte tatsächlich abzuschöpfen – vor allem in grenzüberschreitenden Fällen, in denen nationale Strukturen an ihre Grenzen stoßen. Der Referentenentwurf setzt die organisatorischen Vorgaben der Richtlinie um und stärkt die behördlichen Möglichkeiten, ohne das materielle Einziehungsrecht anzutasten.

2. Neue institutionelle Strukturen

Als Kern der Reform weist der Entwurf den Staatsanwaltschaften der Länder die Aufgaben der justiziellen Vermögensabschöpfungsstellen zu. Sie sollen künftig Vermögenswerte schneller aufspüren und sichern können, insbesondere in internationalen Fällen und bei drohendem Verlust, auch wenn noch kein ausländisches Ersuchen vorliegt. Ergänzend werden Vermögensverwaltungsstellen gesetzlich eingeführt und auf Landesebene zentralisiert, um die praktische Verwaltung sichergestellter Vermögenswerte zu unterstützen. Das Bundeskriminalamt bleibt polizeiliche Vermögensabschöpfungsstelle, das Bundesamt für Justiz übernimmt die Funktion der nationalen justiziellen Kontaktstelle im europäischen Netzwerk.

3. Erweiterter Informationszugang

Für eine effektive Vermögensabschöpfung sieht der Entwurf erweiterte Datenauskunftsrechte vor. Künftig können Staatsanwaltschaften unter bestimmten Voraussetzungen auf steuerliche Informationen sowie auf Halter- und Registerdaten aus dem Straßenverkehrs- und Binnenschifffahrtsbereich zugreifen. Diese Änderungen setzen die europäischen Anforderungen an einen beschleunigten und strukturierten Informationsaustausch um. Bereits bestehende Befugnisse zur Nutzung von Sozialdaten bleiben bestehen.

4. Modernisierung der internationalen Zusammenarbeit

Eine zentrale Neuerung betrifft die Überarbeitung des Internationalen Rechtshilfegesetzes (IRG). Ein neuer Abschnitt führt einheitliche Regeln für den Informationsaustausch mit den Vermögensabschöpfungsstellen anderer EU-Staaten ein. Dazu gehören kurze Reaktionsfristen, definierte Ablehnungsgründe und Vorgaben zur Nutzung übermittelter Daten. Erstmals wird auch geregelt, wann Informationen ohne ausdrückliches Ersuchen an andere Mitgliedstaaten übermittelt werden dürfen, was die grenzüberschreitende Sicherstellung erheblich beschleunigen soll.

5. Klarstellung zur Notveräußerung

Im Strafverfahrensrecht ergänzt der Entwurf die strafprozessuale Regelung zur Notveräußerung nach § 111p StPO. Betroffene können künftig ausdrücklich die Notveräußerung eines sichergestellten Gegenstands beantragen, wenn der Gegenstand an Wert verliert oder die Aufbewahrung unverhältnismäßig ist. Für den Fall einer Ablehnung sieht der Entwurf ein gerichtliches Überprüfungsverfahren vor.

6. Praktische Auswirkungen für Unternehmen

Unternehmen sollten sich auf eine deutlich intensivere und beschleunigte Vermögensabschöpfung einstellen. Ermittlungsbehörden werden schneller und koordinierter agieren können, insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen. Dies betrifft vorrangig (aber nicht nur) Unternehmen mit umfangreichen oder mobil eingesetzten Vermögenswerten, wie Finanzdienstleister oder Unternehmen mit international verzweigten Vermögensstrukturen. 

Unternehmen sollten die weiteren gesetzgeberischen Schritte aufmerksam verfolgen und bereits jetzt prüfen, ob ihre bestehenden Compliance‑Strukturen insbesondere zeitkritischen Auskunftsersuchen im Zuge künftig verschärfter behördlicher Informationspflichten standhalten und gegebenenfalls frühzeitig entsprechende Anpassungen vorbereiten.
 

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