Arbeitsrecht

Dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge

BAG, 30. August 2017 – 4 AZR 443/15

Nehmen Arbeitsvertragsparteien Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug, kommt es auf deren Wirksamkeit grundsätzlich nicht an.

Die Parteien stritten über Ansprüche auf Tariferhöhungen aus einem Tarifvertrag. Der Kläger berief sich auf eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, die auf den „DRK-Tarifvertrag Land Brandenburg“ („DRK“) Bezug nahm. Die Arbeitgeberin war nicht Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes. Der Kläger sah in der Bezugnahmeklausel einen dynamischen Verweis auf den jeweils geltenden Tarifvertrag DRK. Die Beklagte verstand die mit ihrem Rechtsvorgänger vereinbarte Bezugnahme nach einem Betriebsübergang als Verweis auf die zum Zeitpunkt der Vereinbarung geltenden Tarifverträge. Ferner bezweifelte sie die Wirksamkeit des Tarifvertrages selbst.

Der vierte Senat legte die arbeitsvertragliche Bezugnahme als dynamischen Verweis aus. Die Zweifel an der Wirksamkeit des Tarifvertrages seien unerheblich, da es besonderer Anhaltspunkte für die Annahme bedürfe, der Tarifvertrag solle nur für den Fall seiner Wirksamkeit in Bezug genommen werden. Die zeitlich unbegrenzte dynamische Fortgeltung von Tarifverträgen aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel sei auch unionsrechtlich hinnehmbar, soweit das nationale Recht Änderungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsähe. Das Unionsrecht verlange keine voraussetzungsfreien Änderungsmöglichkeiten. Änderungen der Arbeitsbedingungen könnten zum einen einvernehmlich vorgenommen werden. Ferner könne der Arbeitgeber auch einzelne Arbeitsbedingungen durch eine Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG einseitig abändern. Auch die negative Koalitionsfreiheit des Betriebserwerbers werde durch eine dynamische Verweisungsklausel nicht verletzt. Die vertragliche Verpflichtung, Tarifverträge anzuwenden, könne schon begrifflich die Freiheit, einem Verband fernzubleiben, nicht berühren.

Gleiss Lutz Kommentar

Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass auch ein unwirksamer Tarifvertrag wirksam in Bezug genommen werden kann, weil jedenfalls tarifgebundene Arbeitgeber in der Regel mit der Bezugnahmeklausel nur erreichen wollen, was für den Fall der Gewerkschaftsmitgliedschaft des Arbeitnehmers auch tarifrechtlich zwingend gelten würde. Der selbst nicht-tarifgebundene Arbeitgeber will gegebenenfalls die auf beiden Seiten fehlende Tarifbindung fingieren. Ein unwirksamer Tarifvertrag wäre tarifrechtlich aber bei beiderseitiger Tarifbindung nicht anzuwenden.

Im Übrigen steht die Entscheidung mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG zu Bezugnahmeklauseln im Einklang, wonach die unbefristete dynamische Bindung an Tarifabschlüsse hinzunehmen ist, weil der Arbeitgeber die arbeitsvertraglich vereinbarten Tarifbedingungen einvernehmlich oder per Änderungskündigung ändern kann.

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