Arbeitsrecht

Whistleblowing – aus eins mach zwei? Neue Gesetzesentwürfe zum Hinweisgeberschutz erneut vertagt

Nach der verweigerten Zustimmung des Bundesrates zum Hinweisgeberschutzgesetz liegen dem Bundestag nun zwei neue Gesetzesentwürfe zur Umsetzung der Europäischen Whistleblowing-Richtlinie (2019/1937, „WBRL“) vor. Die Gesetzesentwürfe decken sich inhaltlich weitestgehend mit dem vorherigen Gesetzesentwurf, teilen das Gesetz aber in zwei Pakete auf, um den Großteil der Regelungen ohne die Zustimmung des Bundesrats durchzubringen. Die für den 30. März 2023 vorgesehene Entscheidung wurde spontan von der Tagesordnung abgesetzt.

Aus eins mach zwei – wie der deutsche Gesetzgeber nun zügig die WBRL umsetzt

Die Gesetzesentwürfe greifen im Wesentlichen das am 16. Dezember 2022 vom Bundestag bereits beschlossene Gesetz wieder auf. Das Vorhaben wurde jetzt aber in einen zustimmungsbedürftigen und einen nicht zustimmungsbedürftigen Entwurf aufgeteilt, um den wesentlichen Teil des Hinweisgeberschutzgesetzes (BT-Drs. 20/5992, „HinSchG-E“) ohne die Zustimmung des Bundesrates beschließen zu können.

  • Insbesondere das HinSchG-E enthält grundsätzlich dieselben inhaltlichen Regelungen wie das bereits im Dezember 2022 beschlossene Gesetz. Es wird nun aber der persönliche Anwendungsbereich eingeschränkt. So sind gem. § 1 Abs. 3 HinSchG-E ausdrücklich Meldungen oder Offenlegungen aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen, die von Beamtinnen und Beamten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie von Richterinnen und Richter im Landesdienst getätigt werden. Weiter ist der sachliche Anwendungsbereich eingeschränkt: Nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 HinSchG-E werden nur Äußerungen von Beamtinnen und Beamten des Bundes erfasst, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen.
  • Im zweiten Gesetzesentwurf (BT-Drs. 20/5991) werden diese Einschränkung wieder aufgehoben. Jegliche Beamtinnen und Beamten sollen wieder erfasst werden, die Beschränkung in § 1 Abs. 3 HinSchG-E soll aufgehoben werden. Auch können Äußerungen, welche gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, nicht nur von Beamtinnen und Beamten des Bundes getätigt werden. § 2 Abs. 1 Nr. 10 HinSchG-E soll daher auf entsprechende Äußerungen anderer Beamtinnen und Beamten erweitert werden, indem der Zusatz „des Bundes“ gestrichen wird.

Die Aufteilung in zwei Gesetzesentwürfe diente lediglich dazu, den Hauptteil des HinSchG-E ohne die Zustimmung des Bundesrates beschließen zu können. Allein die zustimmungsbedürftige Anwendung auf Landes- oder sonstige Beamte, die keine Bundesbeamten sind, wird in einem eigenen Entwurf geregelt. Kritiker sahen eine solche Aufspaltung des Gesetzesvorhabens in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil als potentiell verfassungswidrig an. Auch in der Anhörung des Rechtsausschusses wurden noch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen, wonach die Aufspaltung keinem sachlichen Grund folge und deshalb missbräuchlich sei. 

Der Rechtsausschuss hat die Gesetzesentwürfe jedoch am 28. März 2023 ohne Änderungen gebilligt, sodass der Bundestag am 30. März 2023 nach der zweiten und dritten Lesung über die Gesetzesentwürfe hätte abstimmen können. Der Bundestag hat die vorgesehene Entscheidung jedoch kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt. Wann nun tatsächlich im Bundestag über das HinSchG-E entschieden wird, ist noch unklar.

Verlauf des bisherigen Gesetzgebungsprozesses

Obwohl die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, bis zum 17. Dezember 2021 die WBRL umzusetzen, ist in Deutschland ein solches Umsetzungsgesetz bislang noch nicht in Kraft getreten: Nachdem im Juli 2022 das Bundeskabinett einen Regierungsentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen hatte (Beitrag vom 3. August 2022), wurde am 16. Dezember 2022 das neue Gesetz im Bundestag verabschiedet (Beitrag vom 16. Dezember 2022). Es scheiterte jedoch am 10. Februar 2023 an der fehlenden Zustimmung des Bundesrats (Beitrag vom 10. Februar 2023).

In einem neuen Anlauf hat sich der Bundestag in seiner Sitzung am 17. März 2023 in erster Lesung mit den beiden neuen Entwürfen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP befasst (siehe oben).

Mit der anstehenden Verabschiedung der Gesetzesentwürfe besteht unmittelbarer Handlungsbedarf für Unternehmen – sprechen Sie uns bei Fragen zu den Vorgaben des HinSchG-E gerne jederzeit an.

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