Mergers and Acquisitions

M&A-Update: Schlüsseltechnologien im Fokus weiterer Verschärfungen der deutschen Investitionskontrolle

Am 1. Mai 2021 trat die 17. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung in Kraft, um die Regelungen der deutschen Investitionskontrolle an die zuletzt im Juli 2020 geänderten gesetzlichen Vorschriften anzupassen und Inhalte der EU Screening Verordnung (EU) 2019/452 umzusetzen. Mit der 17. AWV-Novelle wird die deutsche Investitionskontrolle durch die Einführung zusätzlicher Meldepflichten und Prüfungsbefugnisse, insbesondere bezüglich Schlüsseltechnologien, weiter verschärft. Für den Hinzuerwerb von Unternehmensanteilen und konzerninterne Umstrukturierungen hält die 17. AWV-Novelle aber auch gewisse Erleichterungen gegenüber der bisherigen Verwaltungspraxis bereit. Die Änderungen betreffen auch laufende Transaktionen, deren Signing zum 1. Mai 2021 noch nicht stattgefunden hat.

Investitionskontrolle nach bisheriger Rechtslage

Die deutsche Investitionskontrolle ist im Außenwirtschaftsgesetz („AWG“) und der Außenwirtschaftsverordnung („AWV“) geregelt. Allein in den letzten 12 Monaten war sie bereits dreimal Gegenstand von Reformen, die allesamt auf eine strengere Kontrolle ausländischer Investitionen abzielten.

  • Die sog. sektorspezifische Investitionskontrolle gilt für (unmittelbare oder mittelbare) Erwerbe durch jegliche ausländische Investoren von 10 % oder mehr der Stimmrechtsanteile an inländischen Unternehmen, die in besonders sensiblen Industriebereichen tätig sind, wie etwa der Herstellung und Entwicklung von Kriegswaffen und militärischer Ausrüstung sowie Kryptotechnologie. Diese Erwerbsvorgänge sind dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) zu melden und bedürfen seiner Freigabe. Eine solche Freigabe wird erteilt, wenn dem Erwerb keine Bedenken im Hinblick auf die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen.
  • Unabhängig von der Branche des betroffenen deutschen Zielunternehmens unterliegen (unmittelbare oder mittelbare) Erwerbe von Stimmrechten ab bestimmten Schwellenwerten (bislang 25 % bzw. 10 %) durch Nicht-EU/EFTA-Investoren der sog. sektorübergreifenden Investitionskontrolle. Das BMWi darf einen solchen Erwerbsvorgang überprüfen, beschränken oder sogar untersagen, wenn er voraussichtlich die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Projekte und Programme von Unionsinteresse beeinträchtigt. Dabei sind ausländische Investitionen in inländische Zielunternehmen, die in bestimmten zivilen Gefährdungsbereichen tätig sind, wie beispielsweise dem Betrieb von kritischen Infrastrukturen, dem BMWi zu melden („Meldepflichtige Erwerbe“) und bedürfen der behördlichen Freigabe. Alle anderen ausländischen Investitionen in inländische Unternehmen sind weder melde- noch freigabepflichtig.

Erwerbsvorgänge im Anwendungsbereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle sowie Meldepflichtige Erwerbe unterliegen einem Vollzugsverbot: Zum einen ist ihr Vollzug von Gesetzes wegen aufschiebend bedingt durch die Erteilung der Freigabe des BMWi, d. h. bis dahin sind sämtliche Rechtsgeschäfte, die dem Vollzug des geplanten Erwerbs dienen, schwebend unwirksam. Zum anderen dürfen bis zu diesem Zeitpunkt bestimmte vollzugsbezogene Handlungen nicht vorgenommen werden; Verstöße gegen dieses Verbot sind strafbewehrt und können mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden.

Erweiterung der sektorspezifischen Investitionskontrolle und Meldepflichtiger Erwerbe

Mit der 17. AWV-Novelle wird nicht nur der Anwendungsbereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle, sondern auch der Kreis der Meldepflichtigen Erwerbe im Bereich der sektorübergreifenden Kontrolle erheblich erweitert. Im Ergebnis werden damit deutlich mehr ausländische Investitionen in deutsche Zielunternehmen einer investitionskontrollrechtlichen Meldepflicht und einem entsprechenden Freigabeerfordernis (einschließlich des damit verbundenen Vollzugsverbots) unterworfen.

  • Vom Anwendungsbereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle werden künftig alle Erwerbe von Unternehmen erfasst, die Rüstungsgüter, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste aufgeführt sind, entwickeln, herstellen, modifizieren oder auch nur die tatsächliche Gewalt über solche Güter innehaben. Zum Vergleich: Bisher waren lediglich fünf der insgesamt 22 dort aufgeführten Listenpositionen erfasst. Beachtlich ist zudem, dass es nach der neuen Verordnungsfassung ausreicht, dass das inländische Zielunternehmen eine der vorgenannten Tätigkeiten lediglich in der Vergangenheit erbracht hat und im Erwerbszeitpunkt noch über Kenntnisse oder sonstigen Zugang zu der zugrundeliegenden Technologie verfügt.
  • In der sektorübergreifenden Investitionskontrolle werden die bisherigen elf Fallgruppen Meldepflichtiger Erwerbe um 16 neue Fallgruppen erweitert. Damit werden die meisten der in der EU Screening Verordnung (EU) 2019/452 genannten Sektoren, Technologien und wirtschaftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit sog. Zukunfts- und Schlüsseltechnologien auf nationaler Ebene nachvollzogen. Dazu gehören etwa künstliche Intelligenz, Halbleiter, autonomes Fahren, Robotik, Optoelektronik, additive Fertigung oder Cybersicherheit.

Der Verordnungsgeber hat zwar darauf verzichtet, sämtliche in der EU Screening Verordnung (EU) 2019/452 genannten Fallgruppen dem Regime der Meldepflichtigen Erwerbe zu unterwerfen – so etwa im Bereich „personenbezogene Daten“. Er weist in seiner Verordnungsbegründung allerdings ausdrücklich darauf hin, dass auch diesen Aktivitäten grundsätzlich ein besonderes ordnungs- und sicherheitsrelevantes Gefährdungs- und damit Prüfpotential zukommt.

Einführung neuer Prüfschwellen

Bislang kennt die deutsche Investitionskontrolle zwei Prüfschwellen: In der sektorspezifischen Investitionskontrolle und für Meldepflichtige Erwerbe gilt die Prüfschwelle von 10 %, für alle übrigen Erwerbe 25 % der Stimmrechtsanteile. Mit der 17. AWV-Novelle wird für eine bestimmte Erwerbskategorie eine weitere Prüfschwelle – 20 % der Stimmrechtsanteile – eingeführt.

  • Die Prüfschwelle von 10 % der Stimmrechtsanteile gilt einheitlich in der sektorspezifischen Investitionskontrolle. Bei Meldepflichtigen Erwerben gilt sie dagegen nur noch für Erwerbe von inländischen Unternehmen, die bestimmten Fallgruppen mit ziviler Sicherheitsrelevanz unterfallen, wie etwa dem Betrieb kritischer Infrastrukturen, der Entwicklung branchenspezifischer Software für solche Infrastrukturen und Cloud-Computing-Diensten.
  • Die neue Prüfschwelle von 20 % der Stimmrechtsanteile gilt für Meldepflichtige Erwerbe in den Bereichen des Gesundheitswesens und des Infektionsschutzes, die erst im Sommer 2020 im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie der Meldepflicht unterworfen wurden, sowie für die neuen Fallgruppen der Zukunfts- und Schlüsseltechnologien.
  • Die traditionelle Prüfschwelle von 25 % der Stimmrechtsanteile gilt für alle anderen Erwerbe außerhalb des Anwendungsbereichs der sektorspezifischen Investitionskontrolle und der Meldepflichtigen Erwerbe.

Die 17. AWV-Novelle stellt zudem ausdrücklich klar, dass auch Hinzuerwerbe von zusätzlichen Stimmrechtsanteilen durch ausländische Investoren, die bereits Anteile an einem deutschen Zielunternehmen halten, der Investitionskontrolle unterliegen. In Abweichung von der bisherigen Verwaltungspraxis des BMWi ist ein solcher Hinzuerwerb aber nur noch dann überprüfbar, wenn dadurch bestimmte Stimmrechtsschwellen erreicht oder überschritten werden (abhängig von der Erst-Prüfschwelle: 20 %, 25 %, 40 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechtsanteile).

Prüfungsbefugnis für den Erwerb von Kontroll- und Verwaltungsrechten

Mit der 17. AWV-Novelle wird dem BMWi weiterhin eine Prüfungsbefugnis für ausländische Investitionen unterhalb der genannten Prüfschwellen erteilt. Für diese sog. atypischen Kontrollerwerbe ist es ausreichend, dass der ausländische Erwerber Stimmrechtsanteile unterhalb der maßgeblichen Prüfschwellen erwirbt, diese aber mit derartigen Kontroll- und Verwaltungsrechten einhergehen, dass dem ausländischen Erwerber dadurch ein mit einem Stimmrechtserwerb oberhalb der Prüfschwelle vergleichbarer Einfluss auf das Zielunternehmen eingeräumt wird. Ausdrücklich genannt werden insoweit die Zusicherung zusätzlicher Sitze oder Mehrheiten in Aufsichtsgremien oder in der Geschäftsführung, die Einräumung von Vetorechten bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen oder die Einräumung von Informationsrechten.

Diese Regelung zielt auf Investoren- und Gesellschaftervereinbarungen und hierüber etwaig vereinbarte Einflussnahmemöglichkeiten auf das inländische Unternehmen ab. Die Unbestimmtheit der gesetzlichen Kriterien für atypische Kontrollerwerbe dürfte in der M&A-Praxis zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten führen. Daher ist es zu begrüßen, dass der Verordnungsgeber den atypischen Kontrollerwerb jedenfalls von der investitionskontrollrechtlichen Meldepflicht (einschließlich Vollzugverbot) ausgenommen hat.

Ausnahmen für konzerninterne Umstrukturierungen

Konzerninterne Umstrukturierungen, die bisher vollständig dem Anwendungsbereich der deutschen Investitionskontrolle unterfielen, werden mit der 17. AWV-Novelle zumindest teilweise davon freigestellt. Dies gilt nun dann, wenn die Konzernobergesellschaft dieselbe bleibt und das schuldrechtliche Rechtsgeschäft zwischen Zwischenholdinggesellschaft abgeschlossen wird, die ihren Ort der Leitung in demselben Drittstaat haben.

Gleiss Lutz Kommentar – Auswirkung auf die M&A-Praxis

Die am 1. Mai 2021 in Kraft getretene 17. AWV-Novelle wird ganz erhebliche Auswirkungen auf die grenzüberschreitende M&A-Praxis haben. Für ausländische Investoren steigen die Anforderungen an die Analyse investitionskontrollrechtlicher Risiken weiter an, um Vollzugshindernisse, unerwartete Verzögerungen des Zeitplans oder sogar strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen das Vollzugsverbot zu vermeiden. Durch die Erweiterung der sektorspezifischen Investitionskontrolle und die Ergänzung zahlreicher Fallgruppen im Bereich der Meldepflichtigen Erwerbe werden zudem zukünftig noch einmal deutlich mehr grenzüberschreitende M&A-Transaktionen von einer Meldepflicht und einem Vollzugsverbot betroffen sein. Aufgrund des offenen Wortlauts einiger neuer meldepflichtiger Fallgruppen wird überdies in zahlreichen Fällen eine rechtssichere Bewertung der Meldepflicht kaum möglich sein. Angesichts des Nichtigkeits- und Strafbarkeitsrisikos dürfte es sich dann in vielen Transaktionen empfehlen, den Erwerbsvorgang zumindest vorsorglich dem BMWi zu melden. Dementsprechend geht auch der Verordnungsgeber von einem substantiellen zusätzlichen Personalbedarf auf Seiten des BMWi und anderer im Rahmen der Investitionsprüfung zu beteiligender Bundesministerien aus. Auch die Neuregelung zu atypischen Kontrollerwerben dürfte zu steigenden Fallzahlen beim BMWi führen, da dieser Tatbestand mangels Objektivierbarkeit zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen dürfte. In der Verordnungsbegründung wird sogar ausdrücklich eingeräumt, dass das Ergebnis der Prüfung durch das BMWi, ob im Einzelfall trotz Unterschreitung der Prüfschwellen eine vergleichbare Beteiligungsintensität erreicht wird und daher der Anwendungsbereich der Investitionskontrolle eröffnet ist, für den Erwerber nicht vorhersehbar ist.

Zu begrüßen ist hingegen, dass der Verordnungsgeber davon abgesehen hat, die neuen Fallgruppen der Zukunfts- und Schlüsseltechnologien im Bereich Meldepflichtiger Erwerbe der besonders strengen Prüfschwelle von 10 % der Stimmrechtsanteile zu unterwerfen; stattdessen gilt hier eine Prüfschwelle von 20 %. Dadurch werden zumindest kleinere Minderheitsbeteiligungen ausländischer Investoren erleichtert. In der Praxis dürften davon insbesondere Investoren profitieren, die an Finanzierungsrunden beispielsweise für Start-ups teilnehmen.

Schließlich ist positiv hervorzuheben, dass die 17. AWV-Novelle zumindest in einigen Bereichen die weitreichende Prüfungspraxis des BMWi beschränkt, so etwa in Bezug auf den Hinzuerwerb und konzerninterne Umstrukturierungen.

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