Arbeitsrecht

Aktuelle arbeitsrechtliche Gesetzgebung – Einführung der elektronischen AU

Die bereits 2019 mit dem Dritten Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedete elektronische Arbeitsunfähigkeitsmeldung (eAU) ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer entfällt damit die Pflicht zur Vorlage des „gelben Scheins“; Arbeitgeber können die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen direkt von den Krankenkassen abrufen.

Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Ab dem 1. Januar 2023 sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen verpflichtet nach § 295 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 10 SGB V die von ihnen festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten auf elektronischem Wege an die Krankenkassen zu übermitteln. Die Krankenkassen haben nach § 109 Abs. 1 SGB IV ihrerseits nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum elektronischen Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die insbesondere die folgenden Daten enthält:

  • Name des Beschäftigten,
  • Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit,
  • Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
  • Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung,
  • Angabe etwaiger Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall beruht.

Einzelheiten zu den Voraussetzungen und zur Durchführung des Abrufs durch die Arbeitgeber finden sich in den Grundsätzen für die Meldung der Arbeitsunfähigkeitszeiten im Rahmen des Datenaustausches, die der GKV-Spitzenverband aufgestellt hat.

Pflichten des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit

Mit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ändern sich auch die Pflichten des Arbeitnehmers bei Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit. Während der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bisher eine ärztliche Bescheinigung („gelber Zettel“) über das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit nebst deren voraussichtlicher Dauer vorlegen musste, sind Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2023 gemäß § 5 Abs. 1a EFZG verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit bei einem Arzt feststellen zu lassen. Die Nachweispflicht wird also durch eine Feststellungspflicht abgelöst. Die Feststellungspflicht gilt nicht für Arbeitnehmer, die privat krankenversichert sind und Arbeitnehmer in geringfügiger Beschäftigung in Privathaushalten nach § 8a SGB IV; für sie gilt weiterhin die Nachweispflicht nach § 5 Abs. 1 EFZG. Gleiches gilt für Fällen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.

Die für die bisherige Nachweispflicht maßgeblichen Zeitpunkte gelten auch künftig entsprechend: Die Verpflichtung, die Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, besteht nach § 5 Abs. 1a S. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG erst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert. Der Arbeitgeber ist aber nach § 5 Abs. 1a S. 2 EFZG i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG berechtigt, die Feststellung früher zu verlangen.

Gemäß § 5 Abs. 1a S. 2 EFZG besteht für Arbeitnehmer eine Obliegenheit, sich vom behandelnden Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform aushändigen zu lassen; diese soll bei etwaigen Störfällen im elektronischen Übertragungsweg dem Nachweis der Arbeitsunfähigkeit dienen.

Auch nach Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bleibt der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.

Leistungsverweigerungsrecht

Nach bisheriger Rechtlage konnte der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigern, solange der Arbeitnehmer die ihm nach § 5 Abs. 1 EFZG a.F. vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegte. Da den Arbeitnehmer aber grundsätzlich keine Pflicht mehr trifft, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, greift auch das Leistungsverweigerungsrecht des § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG nach seinem Wortlaut nicht mehr ein. Umstritten ist bisher, ob das Leistungsverweigerungsrecht künftig entsprechend auf die Fälle des § 5 Abs. 1a EFZG anzuwenden ist; hier wird sich die Rechtsprechung positionieren müssen. In jedem Fall gilt das Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG über den 1. Januar 2023 hinaus aber für Arbeitnehmer, die nicht unter den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1a EFZG fallen, also insbesondere für Privatversicherte und in Fällen, in denen die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt erfolgt, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.

Gleiss Lutz kommentiert

Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter auf die weiterhin bestehende Obliegenheit hinweisen, sich vom behandelnden Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen, um Missverständnissen und Dokumentationslücken vorzubeugen.

Unternehmen, die keine Entgeltabrechnungssoftware einsetzen, können Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über die Anwendung sv.net (https://www.itsg.de/produkte/sv-net/) anfordern, mit der auch im Beitrags- und Meldewesen Dokumente auf dem vorgeschriebenen elektronischen Weg verschlüsselt an die Sozialversicherung übermittelt werden können.

Etwaige bestehende Regelungen zur Krankmeldung in Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen, insbesondere solche, die den Arbeitnehmer verpflichten, eine ärztliche Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit schon vorzulegen, wenn diese noch nicht mehr als drei Kalendertage andauert, sollten auf Anpassungsbedarf überprüft werden. Soweit sich solche Regelungen – wie bisher in der Praxis üblich – nur auf die Nachweis- nicht aber auch auf die Feststellungspflicht bezieht, ist es zu empfehlen, diese bei Gelegenheit anzupassen.

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