Arbeitsrecht

Ausschlussklausel und Mindestlohn

Vom Arbeitgeber vorformulierte Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurden, sind insgesamt, d.h. in Bezug auf alle erfassten Ansprüche, unwirksam, sofern sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen.

BAG, Urteil vom 18. September 2018 – 9 AZR 162/18

Der Arbeitsvertrag des Klägers vom 1. September 2015 regelte, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Arbeitsvertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Die Klausel nahm Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich aus. Nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens einen Vergleich, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. August 2016 vorsah und den Arbeitgeber verpflichtete, das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen. Die vom Arbeitgeber für August 2016 erstellte Abrechnung wies keine Urlaubsabgeltung aus. Erstmals am 17. Januar 2017 machte der Arbeitnehmer die Urlaubsabgeltung (klageweise) geltend. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe den Anspruch nicht rechtzeitig innerhalb der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist geltend gemacht.

Das BAG sprach dem Arbeitnehmer die begehrte Urlaubsabgeltung zu. Die Ausschlussklausel sei unwirksam, sodass der Arbeitnehmer den Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch noch nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlussfrist habe geltend machen können. Konkret rügt das BAG, dass eine Ausschlussklausel, die entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht von ihrem Anwendungsbereich ausnehme, nicht klar und verständlich sei und gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB niedergelegte Transparenzgebot verstoße. Die Klausel könne auch nicht nach § 306 BGB für andere Ansprüche als den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn aufrechterhalten werden, da § 3 Satz 1 MiLoG die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB weder ausdrücklich noch sinngemäß einschränke.

Gleiss Lutz Kommentar

Bislang war umstritten, ob Ausschlussklauseln, um wirksam zu sein, Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausnehmen müssen. Dagegen wurde vor allem – so auch von der Vorinstanz – der Wortlaut des § 3 Satz 1 MiLoG ins Feld geführt, wonach Vereinbarungen, die die Geltendmachung des gesetzlichen Mindestlohns beschränken oder ausschließen, nur „insoweit“ unwirksam sind. Die Entscheidung des BAG, die bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, schafft nun Klarheit: Ausschlussklauseln, die auch Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn erfassen, sind insgesamt unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion für andere Ansprüche als den gesetzlichen Mindestlohn kommt nicht in Betracht. Welche Bedeutung das BAG künftig der Formulierung „insoweit“ in § 3 Satz 1 MiLoG beimessen wird, bleibt abzuwarten. Offen ist auch, ob im Lichte dieser Entscheidung künftig alle Ansprüche, auf die die Parteien nicht oder nicht ohne Beteiligung Dritter verzichten können (§ 4 Abs. 4 Satz 3 TVG, § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG), sowie gesetzlich nicht abdingbare Ansprüche ausdrücklich vom Anwendungsbereich einer Ausschlussklausel ausgenommen werden müssen.

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