Arbeitsrecht

Anfechtungsberechtigung bei Betriebsratswahl im Gemeinschaftsbetrieb

Ein Arbeitgeber ist berechtigt, die ausschließlich für seine Arbeitnehmer durchgeführte Betriebsratswahl allein anzufechten, wenn er die Anfechtung darauf stützt, dass ein einheitlicher Betriebsrat für einen mit einem anderen Unternehmen geführten Gemeinschaftsbetrieb hätte gewählt werden müssen. Die Wahl muss nicht von allen an dem behaupteten Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgebern gemeinsam angefochten werden.

BAG, 16. Januar 2018 – 7 ABR 21/16

Im Rahmen eines Wahlanfechtungsantrags streiten die Beteiligten über das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs. Die beiden Arbeitgeberinnen betreiben in derselben Region Rettungsdienstleistungen. Sie haben ihren jeweiligen Sitz unter derselben Adresse, haben denselben Geschäftsführer und unterhalten eine gemeinsame Personalabteilung und Lohnbuchhaltung. Die Arbeitgeberinnen beschäftigten jeweils ca. 200 Stammarbeitnehmer. Im Frühling 2014 wurde bei beiden Arbeitgeberinnen jeweils ein aus sieben Personen bestehender Betriebsrat nur durch die jeweils bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer gewählt. Beide Arbeitgeberinnen fochten die Wahlen in getrennten Verfahren mit der Begründung an, sie führten einen Gemeinschaftsbetrieb und es hätte daher ein einheitlicher, aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt werden müssen. Das ArbG gab den Wahlanfechtungsanträgen der beiden Arbeitgeberinnen statt. In zweiter Instanz wies das LAG den Wahlanfechtungsantrag der Arbeitgeberin zu 1 ab.

Das BAG gab der Arbeitgeberin zu 1 Recht. Nach Auffassung des BAG ist die Arbeitgeberin allein berechtigt, die Betriebsratswahl mit der Begründung anzufechten, es habe in Wirklichkeit ein Gemeinschaftsbetrieb bestanden. Die Auffassung des LAG, in einem solchen Fall müssten beide an dem angeblichen Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber die Wahl gemeinsam anfechten, sei unzutreffend. Arbeitgeber i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sei stets derjenige, dessen Belegschaft den Betriebsrat gewählt habe und durch diesen repräsentiert werde. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wahlanfechtung sei der gewählte Betriebsrat der betriebsverfassungsrechtliche Ansprechpartner des Arbeitgebers, für dessen Arbeitnehmer die Wahl des Betriebsrats ausgeschrieben und durchgeführt worden sei. Das gelte auch dann, wenn der Betriebsrat unter Verkennung des Betriebsbegriffs für einen Teil der Belegschaft eines Gemeinschaftsbetriebs gewählt wurde. Diesem Verständnis stehe nicht die Rechtsprechung des 1. Senats entgegen, wonach in einem Gemeinschaftsbetrieb die Betriebsratswahl nur von allen an der BGB-Gesellschaft beteiligten Rechtsträgern gemeinsam angefochten werden könne. Diese Rechtsprechung betreffe denjenigen Fall, dass unstreitig ein Gemeinschaftsbetrieb bestehe und bei der Wahl innerhalb des Gemeinschaftsbetriebs Rechtsfehler begangen wurden. Ob ein Gemeinschaftsbetrieb vorliege, müsse das LAG aufklären.

Gleiss Lutz Kommentar                                                                        

Ob eine Betriebsratswahl durch einen oder alle an einem angeblichen Gemeinschaftsbetrieb beteiligte Arbeitgeber angefochten werden muss, falls die Anfechtung auf die Begründung gestützt wird, die Betriebsratswahl hätte nicht für die Belegschaft eines einzelnen Rechtsträgers, sondern für alle im Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer erfolgen müssen, war bislang umstritten. Diese Frage hat das BAG nun – mit überzeugendem Ergebnis – geklärt.

Die Entscheidung darf in der Praxis freilich nicht zu dem Fehlschluss verleiten, im Gemeinschaftsbetrieb könne nunmehr jeder Rechtsträger für sich selbst entscheiden, ob eine Betriebsratswahl angefochten wird oder nicht. Vielmehr stellt der 7. Senat ausdrücklich klar, dass in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung bei unstreitigem Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs die dort durchgeführte Betriebsratswahl stets durch alle am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Rechtsträger gemeinschaftlich angefochten werden muss. Rechtsberater der beteiligten Arbeitgeber müssen daher die Weichen gleich zu Beginn des Wahlanfechtungsverfahrens richtig stellen.

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