Außenwirtschaftsrecht

Außenwirtschaftsrecht Update: Weitere Sanktionen der EU und der USA gegen Russland treten in Kraft; Russland plant weitere Gegenmaßnahmen

Wegen der anhaltenden russischen Angriffe auf die Ukraine haben die EU, die Schweiz, die USA sowie zahlreiche weitere Länder ihre Sanktionen gegen Russland erneut erweitert.
So hat die EU am 16. März 2022 das – nach offizieller Zählung – vierte Sanktionspaket in Kraft gesetzt. Dieses auf die Sanktionspakete vom 24. und 26. Februar 2022 (Beitrag vom 28. Februar 2022) sowie das Paket vom 28. Februar / 2. März 2022 (Beitrag vom 07. März 2022) folgende Maßnahmenbündel enthält etwa das Verbot jeglicher Geschäfte mit bestimmten russischen Staatsbetrieben, von Neuinvestitionen im russischen Energiesektor, der Ausfuhr vielfältiger Luxusgüter nach Russland sowie der Einfuhr bestimmter Eisen- und Stahlerzeugnisse aus Russland. Dem vierten Sanktionspaket war am 9. März 2022 die Verabschiedung weiterer Sanktionen gegen Russland und Belarus vorangegangen. Die Schweiz und die USA haben ebenfalls ihre Sanktionen ausgeweitet. Russland reagiert in zunehmendem Maße auf diese Sanktionen und erlässt nun seinerseits Gegenmaßnahmen: Nachdem die russische Regierung am 28. Februar erste Gegenmaßnahmen beschlossen hatte, sind nun weitere Maßnahmen erfolgt. Ein russischer Gesetzentwurf sieht überdies – unter bestimmten Voraussetzungen – deutlich weitreichendere Maßnahmen, bis hin zum Einfrieren von Vermögenswerten und die Abwicklung von Unternehmen vor, welche gerade auch Tochtergesellschaften von westlichen Unternehmen betreffen können. Diese Unternehmen sollten dringend Vorsorgemaßnahmen – auch im Hinblick auf eventuellen späteren Rechtsschutz – ergreifen.

EU-Sanktionen

Die EU hat bereits am 9. März 2022 insbesondere folgende weitere wirtschaftliche Sanktionen verabschiedet:

  • Die Erweiterung des Kreises der Personen, die nicht mehr in die EU einreisen dürfen, deren Vermögenswerte eingefroren werden und für die das Bereitstellungsverbot gilt (siehe hierzu Beitrag vom 28. Februar 2022 und Beitrag vom 07. März 2022) um weitere 160 Individuen, darunter 146 Föderationsratsmitglieder und 14 „Oligarchen“ / Geschäftsleute (vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2022/396).
  • Beschränkungen der Ausfuhr von Seeschifffahrts- und Funkkommunikationstechnologien (mit oder ohne Ursprung in der EU) nach Russland durch die Verordnung (EU) 2022/394. Nach dem neuen Art. 3f der Verordnung (EU) 833/2014 ist es verboten, die im neuen Anhang XVI aufgeführten Güter und Technologien der Seeschifffahrt unmittelbar oder mittelbar an Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland, zur Verwendung in Russland oder zum Mitführen an Bord eines Schiffes unter russischer Flagge zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen. Ebenfalls verboten sind unmittelbare und mittelbare Dienste aller Art im Zusammenhang mit den vorgenannten Gütern und Technologien bzw. deren Bereitstellung, Herstellung, Wartung und Verwendung sowie die unmittelbare oder mittelbare Bereitstellung von Finanzmitteln oder Finanzhilfen für die vorgenannten Güter, Technologien und Tätigkeiten. Diese Verbote gelten allerdings in bestimmten Konstellationen nicht, etwa wenn die Güter und Technologien für humanitäre Zwecke bestimmt sind. Zudem können Ausnahmegenehmigungen für nichtmilitärische Zwecke und nichtmilitärische Endnutzer erteilt werden, wenn feststeht, dass die Güter und Technologien bzw. die damit verbundenen technischen oder finanziellen Hilfsleistungen für die maritime Sicherheit bestimmt sind.
  • Der Rat hat ferner die Liste der juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die den Verboten in Bezug auf Wertpapierdienstleistungen, übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Darlehen unterliegen, um den Seeverkehrssektor erweitert. Hierzu ist das Russische Schiffsregister in Anhang XIII zur Verordnung (EU) 833/2014 aufgenommen worden.
  • Die Präzisierung des Begriffs „übertragbare Wertpapiere“ im Sinne der Verordnung (EU) 833/2014, um Kryptowerte eindeutig einzubeziehen, vgl. den durch Verordnung (EU) 2022/394 geänderten Art. 1 lit. f der Verordnung (EU) 833/2014.
  • Die Erweiterung der sektorspezifischen Sanktionen gegen Belarus. (Die Verordnung (EU) 2022/398 ändert die Verordnung (EG) 765/2006) unter anderem um folgende Finanzsanktionen:
    • Grundsätzliches Verbot von Transaktionen mit der Zentralbank von Belarus im Zusammenhang mit der Verwaltung von Reserven oder Vermögenswerten, einschließlich Transaktionen mit Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung der belarussischen Zentralbank handeln. Wie bei den gegen Russland verhängten Finanzsanktionen kann eine Ausnahmegenehmigung für solche Transaktionen lediglich zur Gewährleistung der Finanzstabilität der Union oder eines Mitgliedstaats gewährt werden.
    • Grundsätzliches Verbot der Bereitstellung öffentlicher Finanzmittel für den Handel mit Belarus und für Investitionen in Belarus. Dieses Verbot gilt nicht für vor dem 10. März 2022 verbindlich eingegangene Verpflichtungen, die Bereitstellung öffentlicher Finanzmittel oder Finanzhilfen für bis zu einem Gesamtwert von 10.000.000 EUR pro Projekt für in der EU niedergelassene KMU und für Unterstützung für den Handel mit Lebensmitteln sowie für landwirtschaftliche, medizinische oder humanitäre Zwecke.
    • Verbot der Börsennotierung und Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien belarussischer Staatsunternehmen an EU-Handelsplätzen ab dem 12. April 2022 (vgl. zu entsprechende Sanktionen gegen Russland).
    • Einschränkung der Kapitalzuflüsse aus Belarus in die EU durch das grundsätzliche Verbot der Entgegennahme von 100.000 EUR übersteigenden Einlagen (im Sinne der Legaldefinition im neuen Art. 1 Nr. 21 Verordnung (EG) 765/2006) belarussischer Staatsangehöriger oder Gebietsansässiger. Eine Ausnahme von diesem Verbot gilt u.a. dann, wenn die Einlagen für den nicht verbotenen grenzüberschreitenden Handel mit Waren und Dienstleistungen zwischen der Union und Belarus erforderlich sind. Wie bei den gegen Russland verhängten Finanzsanktionen (vgl. Art. 5c Abs. 1 lit. b Verordnung (EU) 2022/328), besteht eine ausnahmsweise Genehmigungsmöglichkeit u.a. für den Fall, dass die Einlage ausschließlich der Bezahlung angemessener Honorare im Zusammenhang mit der Bereitstellung juristischer Dienstleistungen dient. Hinzu kommt das Verbot, belarussische Konten durch EU-Zentralverwalter zu führen und das Verbot des Verkaufs von auf Euro lautenden übertragbaren Wertpapieren, die nach dem 12. April 2022 begeben wurden, an belarussische Kunden (vgl. zu entsprechende Sanktionen gegen Russland).
    • Grundsätzliches Verbot der Bereitstellung von auf Euro lautenden Banknoten an Belarus oder an Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Belarus einschließlich der belarussischen Regierung und Zentralbank zur Verwendung in Belarus.
    • Ausschluss der im neuen Anhang XV der Verordnung (EG) 765/2006 gelisteten belarussischen Banken (derzeit: Belagroprombank, Bank Dabrabyt, Entwicklungsbank der Republik Belarus) sowie für in Belarus niedergelassene juristische Personen, die zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar von einer der in Anhang XV aufgeführten Finanzinstitute gehalten werden, von spezialisierten Nachrichtenübermittlungsdiensten des Dienstes SWIFT ab dem 20. März 2022.

Die Schweiz hat sich abermals (siehe schon Beitrag vom 07. März 2022) mit Beschluss des Schweizerischen Bundesrates vom 16. März 2022 den durch die EU verhängten Sanktionen vom 2. und 9. März 2022 angeschlossen und hierzu eine Überarbeitung der Verordnung über Maßnahmen gegenüber Belarus beschlossen. Mit Verordnung vom 15. März 2022 wurde zudem Anhang 8 der Verordnung über Maßnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine geändert und um über 200 natürliche Personen und Organisationen ergänzt, die fortan den Reise- und/oder Finanzbeschränkungen unterfallen.

Auch in ihrem vierten Sanktionspaket vom 16. März 2022 nimmt die EU weitere Ergänzungen und Verschärfungen der Verordnungen (EU) 269/2014 und 833/2014 vor.

  • Die durch die EU erlassenen umfassenden personenbezogenen Sanktionen wurden im Vergleich zum Stand am 9. März 2022 um 15 weitere auf derzeit also insgesamt 893 Personen und um neun weitere auf (derzeit insgesamt 65 Organisationen ausgedehnt). (vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2022/427).
  • Von besonderer Bedeutung ist die Ergänzung der Verordnung (EU) 2014/833 durch die Verordnung (EU) 2022/428 um das Verbot, mittelbar oder unmittelbar […] Geschäftemit näher spezifizierten Unternehmen und Personen zu tätigen (vgl. neuer Art. 5aa Verordnung (EU) 833/2014). Das Verbot gilt bis zum 15. Mai 2022 („wind down period“) nicht für die Erfüllung von Altverträgen, die vor dem 16. März 2022 geschlossen wurden. Es gilt zudem nicht für Transaktionen, die für die Versorgung der EU mit fossilen Brennstoffen und bestimmten weiteren Rohstoffen unbedingt erforderlich sind sowie für bestimmte Energieprojekte. Diese neue Bestimmung kann ganz erhebliche Bedeutung erlangen, wobei allerdings manches nicht eindeutig erscheint. Nach erster Einschätzung gilt hierzu folgendes:
    • Hinsichtlich des personellen Anwendungsbereichs knüpft die neue Bestimmung zunächst an die im neuen Anhang XIX gelisteten – derzeit zwölf – Unternehmen an (unter anderem Rosneft, Transneft, Gazprom Neft und Kamaz). Hierbei handelt es sich gemäß Art. 5aa Abs. 1 lit. a VO (EU) 833/2014 um in Russland niedergelassene, Staatsunternehmen und Unternehmen, bei denen Russland, seine Regierung oder die Zentralbank das Recht auf Gewinnbeteiligung haben oder mit denen Russland, seine Regierung oder Zentralbank andere wesentliche wirtschaftliche Beziehungen unterhält. Nach unserer Einschätzung ist der neue Anhang XIX insoweit abschließend. Das heißt: Unternehmen, die die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen, unterfallen dem Verbot nur bei einer Listung im Anhang. Das unmittelbare und mittelbare Geschäftstätigungsverbot gilt zusätzlich für Tochtergesellschaften der in Anhang XIX gelisteten Unternehmen, sofern die Listenunternehmen mehr als 50% der Anteile halten und das Tochterunternehmen seine Niederlassung außerhalb der EU hat Art. 5aa Abs. 1 lit. b VO (EU) 833/2014. Tochterunternehmen innerhalb der EU unterfallen dem Verbot also nicht. Schließlich sind auch Geschäfte mit Unternehmen verboten, die im Namen oder auf Anweisung eines Listenunternehmens oder eines dem Verbot unterfallenden Tochterunternehmens handeln (Art. 5aa Abs. 1 lit. c VO (EU) 833/2014).
    • MittelbareGeschäfte i.S.d. Art. 5aa Abs. 1 Verordnung (EU) 833/2014 dürften solche Konstellationen erfassen, in denen der jeweilige Geschäftsgegenstand – im Sinne eines Streckengeschäfts – wirtschaftlich schlussendlich an ein Listenunternehmen, dessen Tochtergesellschaft oder an eine in deren Namen oder auf deren Anweisung handelnde Personen im Sinne von Art. 5aa Abs. 1 lit. a bis c Verordnung (EU) 833/2014 weitergereicht wird.
    • Das neue Geschäftsverbot ist im Verhältnis zum Bereitstellungsverbot aus Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EU) 269/2014 wohl ein eigenständiger und von diesem unabhängiger Sanktionsmechanismus. Beide Verbote sind allerdings nicht deckungsgleich; zum Teil ergänzen und überschneiden sie sich: So erfasst etwa der personelle Anwendungsbereich des Geschäftsverbots in Art. 5aa Abs. 1 Verordnung (EU) 833/2014 auch solche Organisationen, die nicht dem Bereitstellungsverbot aus Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EU) 269/2014 unterliegen. Auch kann der sachliche Anwendungsbereich des Geschäftsverbotes in Art. 5aa Abs. 1 Verordnung (EU) 833/2014 insofern von dem des Bereitstellungsverbotes abweichen, als etwa „Geschäfte“ erfasst sind, die nicht notwendigerweise „wirtschaftliche Ressourcen“ i.S.d. Bereitstellungsverbotes betreffen (z.B. der Bezug von Waren des täglichen Bedarfs).
  • Gemäß dem neuen Art. 5j Verordnung (EU) 833/2014 ist es ab dem 15. April 2022 verboten, Ratingdienste für russische Staatsangehörige, in Russland ansässige natürlichen Personen oder in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen oder ihnen Zugang zu entsprechenden Abonnementdiensten im Zusammenhang mit Ratingtätigkeiten zu gewähren. Das gilt nicht für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats und für natürliche Personen, die über einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel eines Mitgliedstaats verfügen.
  • Auch erfolgte die Erweiterung des Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014. Dieser listet Personen und Unternehmen mit Verbindungen zur technologischen und industriellen Basis der russischen Verteidigung, gegen die strengere Ausfuhrbeschränkungen verhängt werden, und zwar für Güter mit doppeltem Verwendungszweck und für Güter und Technologien, die zu technologischen Verbesserungen im Verteidigungs- und Sicherheitssektor Russlands beitragen könnten.
  • Die neuen Art. 3 und Art. 3a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 enthalten ein Verbot neuer Investitionen in den russischen Energiesektor und eine umfassende Beschränkung der Ausfuhr von für die Energiewirtschaft bestimmten Ausrüstungen, Technologien und Dienstleistungen:
    • Verbot der Gründung und des Erwerbs neuer Beteiligungen sowie der Bereitstellung neuer Finanzmittel und damit zusammenhängender Wertpapierdienstleistungen an im Energiesektor tätige Unternehmen. 
      ​Der Energiesektor umfasst dabei nach dem neuen Art. 1 lit. u) der Verordnung (EU) Nr. 833/2014die Exploration, Förderung, innerrussische Verteilung und Gewinnung von Rohöl, Erdgas und festen fossilen Brennstoffen, die Raffination von Brennstoffen, die Verflüssigung von Erdgas und die Rückvergasung, die Herstellung und innerrussische Verteilung von festen fossilen Brennstoffen, raffinierten Erdölerzeugnissen und Gas sowie den Bau von Anlagen und die Installation von Ausrüstung für die Energie- und Stromerzeugung und die Bereitstellung von Dienstleistungen, Ausrüstungen und Technologien in diesem Zusammenhang stehenden Tätigkeiten.
    • Verbot, die in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 genannten Güter (bestimmte Fördertechnik für Energiesektor) an Personen oder Organisationen in Russland oder zur Verwendung in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen. Auch Hilfen aller Art im Zusammenhang mit diesen Gütern oder Technologien sind verboten.
    • Eine Ausnahmegenehmigung ist nur noch unter engen Voraussetzungen möglich, etwa unter Umständen für fossile Brennstoffe und bereits geschlossene Verträge sowie für Organisationen, die sich im Eigentum einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründeten oder eingetragenen Organisation befindet.
  • Weitere Handelsbeschränkungen für Eisen- und Stahlerzeugnisse und für Luxusgüter gelten nach den neuen Artt. 3g und 3h Verordnung (EU) Nr. 833/2014:
    • Verbot der Einfuhr in die Union, des Kaufs oder der Beförderung bestimmter aus Russland stammender und im Anhang XVII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 genauer aufgeführten Eisen- und Stahlerzeugnisse. Auch technische oder finanzielle Hilfe, Vermittlung oder Versicherung im Zusammenhang mit diesen Verboten ist nicht erlaubt. 
      ​Dieses Verbot gilt bis zum 17. Juni 2022 nicht für die Erfüllung von vor dem 16. März 2022 geschlossenen Verträgen („Wind Down Period“).
    • Verbot der Ausfuhr nach Russland oder zur Verwendung in Russland von im Anhang XVIII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 aufgeführten Luxusgütern, wie etwa Kleidung, Einrichtungsgegenstände und Sportausrüstung, deren Wert 300 EUR je Stück übersteigt, sofern der Anhang nichts anderes bestimmt (für Fahrzeuge gilt etwa die Grenze von 50.000 EUR je Stück).

US-Sanktionen

Auch die USA haben seit unserem letzten „Außenwirtschaftsrecht Update“ vom 7. März 2022 ihre Wirtschaftssanktionen gegen Belarus und Russland erweitert. Hierzu zählen insbesondere:

Die abermalige Erweiterung der personenbezogenen Sanktionen durch Ergänzung der SDN-Liste („specially designated nationals list“).

  • Erweiterung der güterbezogenen Beschränkungen:
    • Einfuhrverbote aus Russland gelten künftig für Fisch(-produkte), Spirituosen und nicht-industrielle Diamanten. Hinzu kommen Einfuhrverbote im Energiesektor bezüglich Rohöl, Petroleum, Petroleumbrennstoffen und -ölen einschließlich Destillationsprodukten, Flüssigerdgas, Kohle und Kohleprodukten. Dazu kommt ein für „US-Personen“ (zu dem Begriff s. Beitrag vom 07. März 2022) geltendes Investitionsverbot in russische Energieprodukte. US-Personen dürfen zudem keine ausländischen Personen bei Handlungen der vorgenannten Art unterstützen.
    • Es dürfen keine auf US-Dollar lautenden Banknoten aus den Vereinigten Staaten oder durch eine US-Person an die russische Regierung oder eine in Russland ansässige Person ausgeführt werden. US-Personen ist es zudem verboten, ausländische Personen bei Handlungen der vorgenannten Art zu unterstützen (z.B. Zahlung in US-Dollar oder Nutzung einer US-Bank).
    • Ab dem 11. März 2022 gelten Ausfuhrbeschränkungen für Luxusgüter nach Russland und Belarus sowie – unabhängig von deren Aufenthaltsort – an SDN-gelistete russische und weißrussische „Oligarchen“ oder „bösartige Akteure“ („Malign Actors“), die die russische oder belarussische Regierung unterstützen. Der Begriff der Luxusgüter ist weit gefasst und – im Unterschied zum EU-Recht – nicht durch einen Mindestwert eingeschränkt. Hierunter fallen unter anderem bestimmte Spirituosen, Tabak-, Keramik- und Lederprodukte, Schmuck, Uhren und Handtaschen sowie bestimmte Bekleidungsartikel. Artikel, die am 11. März 2022 bereits auf dem Transportweg waren, unterfallen den neuen Regelungen nicht.

Aussetzung von Zugeständnissen gegenüber Russland auf WTO-Ebene

  • Unabhängig vom vierten EU-Sanktionspaket hat der Rat der Kommission grünes Licht erteilt, sich im Namen der EU einer multilateralen Erklärung anzuschließen, die im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) veröffentlicht werden soll. Hierunter können Maßnahmen der WTO zur Aussetzung von Zugeständnissen oder sonstigen Verpflichtungen gegenüber der Russischen Föderation fallen, so etwa die Aussetzung der Meistbegünstigung für Waren und Dienstleistungen der Russischen Föderation. Dies würde auf WTO-Ebene den Weg für Zollerhöhungen und weitere Handelsbeschränkungen ebnen.

Weitere russische Gegenmaßnahmen und entsprechende Vorhaben

Auch auf russischer Seite wurden seit unserem letzten „Außenwirtschaftsrecht Update“ vom 7. März 2022 weitere Gegenmaßnahmen geplant oder beschlossen:

  • So gelten ab dem 8. März 2022 für bestimmte Produkte und Rohstoffe Beschränkungen des Imports aus- und des Exports in „unfreundliche Staaten“. Dies soll die „Sicherheit der Russischen Föderation und das ununterbrochene Funktionieren der Industrie“ gewährleisten. Nicht betroffen ist aber die Ein- und Ausfuhr für den persönlichen Gebrauch.
  • Weiter besteht ab dem 7. März 2022 die Möglichkeit zur Aussetzung von Entschädigungsleistungen für die zustimmungslose Nutzung von Patenten an Rechteinhaber aus „unfreundlichen Staaten“.
  • Das russische Parlament hat weiterhin einen Gesetzentwurf verabschiedet, der es der Exekutive ermöglicht, bestimmte Güter vom Schutz der Rechte an geistigem Eigentum auszunehmen. Es ist anzunehmen, dass diese Maßnahme insbesondere auf bestimmte landwirtschaftliche, medizinische und ähnliche Güter Anwendung finden könnte, die aufgrund der Sanktionen nicht mehr importierbar sind und daher im Rahmen von Substitutionsprogrammen in Russland selbst hergestellt werden müssten. Dies kann die Möglichkeit zum Schutz gewerblicher Rechte stark beeinträchtigen; allerdings ist noch nicht klar, welche spezifischen Güter von den Maßnahmen betroffen sind.
  • Als Reaktion auf Verlautbarungen ausländischer Unternehmen, ihre Tätigkeit in Russland einzustellen, liegt ein Gesetzentwurf vor, dessen Annahme zwar momentan nicht gewiss, jedoch jederzeit möglich ist: Gerichte können danach russische Tochterunternehmen ausländischer Muttergesellschaften auf Antrag eines Vorstandsmitglieds oder der staatlichen Behörden der „externen Verwaltung“ unterwerfen. Gegenstand des Antrags können nur Unternehmen sein, die mindestens zu 25% von einer natürlichen oder juristischen Person aus einem „unfreundlichen Staat“, also etwa der EU, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich oder den USA, kontrolliert werden, zum letzten Bilanzstichtag einen Buchwert von über eine Milliarde Rubel hatten und/oder im Durchschnitt über 100 Mitarbeiter haben:
    • Die Gerichte können die externe Verwaltung dann anordnen, wenn die Leitungsorgane oder die Anteilseigener die Leitung des Unternehmens tatsächlich beendet haben. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn das (lokale) Management und/oder die Anteilseigner Russland nach dem 24. Februar 2022 verlassen und das Unternehmen ohne Management zurückgelassen haben oder Handlungen begangen haben, die zu einer erheblichen Verringerung der Vermögenswerte, zur Insolvenz oder Einstellung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens geführt haben. In der Folge kann eine externe Verwaltung für bis zu drei Monate eingeführt werden, die auch nicht beendet wird, wenn das Unternehmen seine Entscheidung, die Geschäftstätigkeit in Russland einzustellen, revidiert.
    • Die externe Verwaltung ist auch dann möglich, wenn Maßnahmen getroffen werden, die zu „ungerechtfertigter“ Einstellung von Aktivitäten, Liquidation oder Insolvenz des Unternehmens führen können. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Leitungsorgane des Unternehmens nach dem 24. Februar 2022 ohne ersichtlichen wirtschaftlichen Grund die Beendigung der Tätigkeit des Unternehmens, öffentlich angekündigt haben, wesentliche Verträge des Unternehmens gekündigt oder mehr als einem Drittel der Beschäftigten eine Mitteilung über Personalabbau zukommen haben lassen. Die deshalb angeordnete externe Verwaltung kann bis zu sechs Monate dauern, kann aber beendet werden, wenn das Unternehmen seine Entscheidung revidiert die Geschäftstätigkeit in Russland einzustellen.
    • Das Gericht hat innerhalb von sieben Tagen nach Eingang des Antrags zu entscheiden. Auf Antrag kann es dabei auch beschließen, alle Vermögenswerte des Unternehmens einzufrieren. Derzeit wird davon ausgegangen, dass die Vnesheconombank (VEB) als externer Verwalter für den Nicht-Finanzsektor und die russische Einlagensicherungsbehörde als externer Verwalter für den Finanzsektor eingesetzt wird. Zu beachten ist, dass die VEB selbst wiederum von einer Reihe von Sanktionen insbesondere der EU und der USA erfasst ist.
      ​Die externe Verwaltung übernimmt alle Leitungsbefugnisse; die Befugnisse aller anderen Leitungsorgane, auch alle zuvor erteilten Vollmachten und alle zuvor gestellten Anträge auf freiwillige Liquidation und/oder Konkurs werden ausgesetzt, und gegnerische Vertragspartien können ihre Verträge nicht einseitig außergerichtlich kündigen. Ziel ist, alle Assets auf ein neues Unternehmen zu übertragen, welches dann in öffentlicher Versteigerung an neue Eigentümer verkauft wird. Das ursprüngliche Unternehmen würde dann zwangsweise liquidiert. Dazu erhält die externe Verwaltung umfangreiche Rechte, ähnlich denen eines Insolvenzverwalters nach deutschem Recht. Auch die Möglichkeit, bereits übertragene Vermögenswerte zurückzufordern, ist vorgesehen.
    • Vor der Gerichtsverhandlung kann der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens oder ein Aktionär, der mehr als 50% der stimmberechtigten Aktien hält, einen Ablehnungsantrag stellen, welcher die Verpflichtung zur Wiederaufnahme der Tätigkeit des Unternehmens in Russland enthalten muss. Es soll in diesem Zusammenhang auch die Veräußerung des Unternehmens an oder die treuhänderische Verwaltung durch Personen aus nicht "unfreundlichen" Staaten möglich sein.

(Völkerrechtlicher) Rechtsschutz gegen russische Gegenmaßnahmen

Werden diese Maßnahmen wie angekündigt oder in ähnlicher Form umgesetzt, sind Rechtsschutzmöglichkeiten denkbar. Einstweiliger Rechtsschutz und Rechtsschutz unmittelbar gegen die Maßnahmen dürfte allerdings nahezu ausgeschlossen sein und wäre voraussichtlich nur vor russischen Gerichten zu erlangen.

Es besteht aber grundsätzlich die Möglichkeit, unter dem bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und Russland vom 13. Juni 1989, in Kraft seit 5. August 1991 („BIT“), Entschädigungsansprüche geltend zu machen.

Das BIT schützt Kapitalanlagen deutscher Investoren in Russland, wobei unter Kapitalanlagen „alle Arten von Vermögenswerten“ fallen. Hinzu zählen unter anderem auch die von den oben skizzierten Maßnahmen voraussichtlich betroffenen Vermögenswerte in Russland, wie

  • Eigentum,
  • Beteiligungen an Unternehmen,
  • Urheber-, Patent-, und Markenrechte, und
  • Ansprüche auf Geld oder Leistungen.

Selbst im Falle einer Kündigung des BIT durch Russland blieben zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des BIT bereits bestehende Kapitalanlagen für weitere 20 Jahre geschützt.

Geschützt werden Kapitalanlagen deutscher Investoren nach dem BIT unter anderem vor Enteignung und Beschränkungen des Geldtransfers. Enteignung meint dabei nicht nur direkte Enteignung, sondern auch Formen der indirekten und faktischen Enteignung. Eine faktische Enteignung kann dabei vorliegen, wenn zwar die formelle Eigentumsstellung unangetastet bleibt, jedoch alle mit dem Eigentum typischerweise verbundenen Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse entzogen oder wesentlich beschränkt werden. Dies bedeutet für die geplanten russischen Maßnahmen:

  • Sollten die russischen Gegenmaßnahmen direkte Enteignungen oder eine Beschlagnahme von ausländischen Vermögenswerten vorsehen, so kann deutschen Investoren eine Entschädigung zustehen. Sollte eine Entschädigung nicht geleistet werden (was zu erwarten ist) oder der Höhe nach zu gering ausfallen, kann eine Verletzung des BIT vorliegen.
  • Soweit Russland als Gegenmaßnahmen eine Zwangsverwaltung ausländischer Unternehmen oder Betriebe anordnet oder durch sonstige und ähnliche Maßnahmen ausländische Unternehmen gezielt oder bewusst in die Insolvenz treibt, kommt je nach den Umständen des Einzelfalls und der konkreten Ausgestaltung der russischen Maßnahme eine faktische Enteignung in Betracht, die ebenfalls entschädigungspflichtig ist.
  • Auch der Entzug oder die Beschränkung geistigen Eigentums (wie Urheber- oder Patentrechte) kann eine faktische Enteignung darstellen und entschädigungspflichtig sein. Dies insbesondere dann, wenn die Nutzungs- und Verfügungsrechte derart beschränkt oder beeinträchtigt werden, dass das geistige Eigentum wirtschaftlich nahezu wertlos wird. Aber auch hier wird es auf die konkrete Ausgestaltung der russischen Maßnahmen und den Einzelfall ankommen.
  • Ein etwaiges Verbot der Ausfuhr von Geldmitteln, die im Zusammenhang mit der Kapitalanlage stehen oder durch diese erwirtschaftet werden, oder ähnliche Beschränkungen im Zahlungsverkehr könnten je nach Ausgestaltung der russischen Maßnahmen und den Umständen des Einzelfalls als Verletzung des Rechts auf freien Geldtransfer zu qualifizieren sein. Auch dies wäre entschädigungspflichtig.

Wie für durch Russland abgeschlossene BITs aber typisch, ermöglicht das BIT deutschen Investoren nur Ansprüche gegen Russland wegen des „Umfang[s] und Verfahren[s] der Entschädigung [wegen Enteignung] oder de[s] freien Transfer[s] [der im Zusammenhang mit Kapitalanlagen stehenden Zahlungen]“ vor einem internationalen ad hoc-Schiedsgericht geltend zu machen. Nach dem Wortlaut des BIT umfasst die Zuständigkeit des Schiedsgerichts damit auf den ersten Blick nicht die Feststellung, dass Kapitalanlagen enteignet wurden. Aus veröffentlichten Entscheidungen von Schiedsgerichten gegen Russland lässt sich jedoch entnehmen, dass das BIT entsprechend völkerrechtlicher Grundsätze dahingehend zu verstehen ist, dass das Schiedsgericht auch zur Frage des „Ob“ einer Enteignung entscheiden kann.

Internationale Schiedsgerichte, die über Investitionsstreitigkeiten zu entscheiden haben, sind grds. effizient und können das Verfahren auch führen, wenn der verklagte Gastgeberstaat nicht an dem Verfahren teilnimmt. Dies haben die Verfahren gegen Russland wegen der in Folge der Annektierung der Krim erfolgten Enteignungen gezeigt. Angesichts der europäischen und U.S.-amerikanischen Sanktionen wird es zurzeit allerdings kaum der Vollstreckung zugängliches Vermögen geben; auch wird Russland gegen sich ergangene Schiedssprüche auch künftig nicht freiwillig erfüllen. Ein Schiedsspruch kann jedoch auch nach einem Ende der Sanktionen noch vollstreckt werden (in Deutschland für 30 Jahre nach dem Erlass des Schiedsspruchs). Auch lässt sich aktuell nicht ausschließen, dass das Sanktionsregime dahingehend geändert wird, dass auch nach dem Erlass der Sanktionen erstrittene Schiedssprüche in sanktioniertes Vermögen vollstreckt werden können.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Die ausgeweiteten Sanktionen insbesondere der EU und der USA greifen noch massiver in das Russland-Geschäft deutscher/europäischer Unternehmen ein als bislang. Als praktisch besonders relevant und im Detail schwierig stellen sich die grundsätzlichen Verbote von Geschäften aller Art mit weitverzweigten russischen Unternehmen, vor allem auch mit deren außereuropäischen Tochtergesellschaften, sowie die Verbote zur Einfuhr vieler Eisen- und Stahlerzeugnisse dar.

Die Ankündigung des Rückzugs oder der Einstellung von Geschäftstätigkeiten in Russland, wie es etwa BP, IKEA, H&M, OBI oder McDonalds bereits getan haben, ist nun auch vor dem Hintergrund möglicher darauf gestützter einschneidender Maßnahmen des russischen Staates zu bewerten, mit denen erhebliche Vermögenswerte zur Disposition gestellt werden können.
Angesichts der dynamischen Lage und des noch ungewissen Ausmaßes russischer Maßnahmen ist es dabei ungeachtet eines etwaigen Investitionsschutzes ratsam, bereits jetzt wichtige Dokumente und Unterlagen zu sichern. Dies auch gerade mit Blick auf etwaige Entschädigungsansprüche. Gesichert werden sollten beispielsweise Unterlagen zur Unternehmens-, Betriebs-, oder Niederlassungsgründung, zu wichtigen Kennzahlen des Unternehmens oder Betriebs (einschließlich aktueller Unternehmensbewertungen), zu Verträgen und anderen Vereinbarungen, zu behördlichen Genehmigungen und Erlaubnissen, zu Urheber- und Patentrechten und anderem geistigen Eigentum und Know-how, zu Gewinnaussichten und Business-Plänen, sowie Dokumente zu den geplanten russischen Maßnahmen und deren Umsetzung. Kurz: Es ist empfehlenswert eine Dokumentation zu erstellen und zu sichern, die Auskunft über den Unternehmenswert sowie zur Betroffenheit von russischen Maßnahmen geben.

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