Arbeitsrecht

Streikbruchprämie als zulässiges Arbeitskampfmittel

Ein bestreikter Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, mittels Zahlung einer Streikbruchprämie einem Streikdruck zu begegnen.

BAG, Urteil vom 14. August 2018 – 1 AZR 287/17
Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Streikbruchprämie. Der Kläger ist bei der Beklagten als Verkäufer beschäftigt. Der Betrieb der Beklagten wurde von Oktober 2015 bis April 2016 an mehreren Tagen bestreikt. Die Beklagte versprach daher in Form eines betrieblichen Aushangs all denjenigen Mitarbeitern, die bei einem Streik ihrer regulären Tätigkeit nachgehen und nicht streiken, eine Prämie in Höhe von EUR 200,00 brutto je Streiktag, später EUR 100,00 brutto. Der Kläger folgte dem Streikaufruf und legte an mehreren Tagen seine Arbeit nieder. Mit seiner Klage verlangte der Kläger u.a. die Zahlung der Streikbruchprämie für die Tage, an denen er sich am Streik beteiligte. Er stützte sich hierbei im Wesentlichen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Vorinstanzen wiesen seine Klage ab.

BAG Entscheidung: Kein Anspruch auf Streikbruchprämie

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar stellte das BAG fest, dass in der Zusage der Prämie eine Ungleichbehandlung der streikenden und der nicht streikenden Arbeitnehmer liege. Gemessen an ihrem Zweck (Streikabwehrmaßnahme) sei die Gruppenbildung aus arbeitskampfrechtlichen Gründen aber zulässig. Für die Streikbruchprämie gelte aber – wie für jedes Arbeitskampfmittel – das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Jedoch sei die Höhe der Streikbruchprämie und deren Verhältnis zum Verdienst der zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer für sich gesehen regelmäßig kein geeignetes Kriterium bei der Angemessenheitsprüfung des Arbeitskampfmittels. Das BAG stellt hier im Wesentlichen auf einen ökonomisch-selbstregulierenden Effekt ab. Ein Arbeitgeber werde das Streikbruchprämienversprechen typischerweise nicht so ausgestalten, dass ihn die streikbedingten Sonderzahlungen finanziell stärker belasten als ein Nachgeben gegenüber den Forderungen der Gewerkschaft. Im Übrigen stelle selbst eine sehr hohe Streikbruchprämie nur einen Anreiz und keinen Zwang dar.

Gleiss Lutz Kommentar

Der 1. Senat des BAG bestätigt mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechungslinie, wonach die Gewährung einer Streikbruchprämie während des Arbeitskampfes grundsätzlich als zulässiges Arbeitskampfmittel anzusehen ist. Erfreulich ist, dass das BAG sich nun auch zur Höhe der Streikprämie äußert und hier die Ansicht vertritt, dass die Höhe für sich gesehen kein geeignetes Kriterium für die Verhältnismäßigkeitsprüfung darstellt. Dies hatte es bisher offen gelassen (siehe BAG NZA 1993, 1135). Das BAG berücksichtigt zu Recht, dass selbst eine sehr hohe Prämie zu keinem Zwang führt, nicht am Streik teilzunehmen. Von Streikbruchprämien während des Arbeitskampfs sind allerdings Prämien zu unterscheiden, die erst nach dem Arbeitskampf an nicht streikende Arbeitnehmer gezahlt werden. Hier hat der Senat in früherer Rechtsprechung einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB gesehen und den streikenden Arbeitnehmern einen Anspruch auf Zahlung entsprechender Prämien zuerkannt (u.a. BAG NZA 1993, 39).

Weiterleiten
Kompetenz