Arbeitsrecht

Altersgrenze – Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts

Die Regelung in § 41 S. 3 SGB VI, die es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, im Falle der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze den Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, ist nach einem Urteil des BAG vom 19. Dezember 2018 wirksam. Zuvor hatte bereits der EuGH am 28. Februar 2018 (C-46/17 „John“) nach Vorlage durch das Landesarbeitsgericht in diesem Verfahren entschieden, dass die deutsche Regelung mit Unionsrecht vereinbar ist (siehe hierzu unseren Know-how-Beitrag „Befristete Weiterbeschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze“ vom 12. April 2018).

BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 – 7 AZR 70/17
Sachverhalt

Der Kläger war bei dem beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Nach der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Regelung in § 44 Nr. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) endete sein Arbeitsverhältnis wegen Erreichens der Regelaltersgrenze am 31. Januar 2015. Noch vor der Beendigung vereinbarten die Parteien am 20. Januar 2015, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31. Juli 2015 endet. Später wurde mit Schreiben vom 4. März 2015 außerdem die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit des Klägers erhöht. Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der vereinbarten Befristung am 31. Juli 2015 geendet hat. ArbG und LAG haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung des BAG: Wirksame Befristung

Die Revision des Klägers hatte vor dem 7. Senat des BAG keinen Erfolg. Die Befristung sei nach § 41 S. 3 SGB VI gerechtfertigt. Die Regelung in § 41 S. 3 SGB VI genüge den verfassungsrechtlichen Vorgaben und sei nach der Entscheidung des EuGH vom 28. Februar 2018 mit Unionsrecht vereinbar. Das BAG betont, dass es in dem vorliegenden Fall nicht darauf ankomme, ob eine Hinausschiebensvereinbarung auch voraussetze, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung der übrigen Vertragsbedingungen geändert werde, denn in der Vereinbarung vom 20. Januar 2015 sei ohnehin nur der Beendigungszeitpunkt geändert worden. Die Änderung der Arbeitszeit sei erst sechs Wochen später und damit nicht im Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts getroffen worden.

Gleiss Lutz Kommentar

Die Entscheidung, zu der bisher nur die Pressemitteilung vorliegt (FD-ArbR 2018, 413012), ist zu begrüßen. Nachdem bereits der EuGH in der John-Entscheidung entschied, dass § 41 S. 3 SGB VI mit Unionsrecht vereinbar sei, schließt sich das BAG dem an und entschied, dass die Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Bedauerlich ist, dass das BAG die Frage offen lässt, ob ein wirksames Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts voraussetzt, dass die übrigen Vertragsbedingungen unverändert bleiben. Der EuGH meint in der John-Entscheidung ohne nähere Begründung „en passant“, die übrigen Vertragsbedingungen dürften in der Hinausschiebensvereinbarung nicht geändert werden. Das BAG hingegen lässt diese Frage offen, da in der streitgegenständlichen Hinausschiebensvereinbarung ohnehin keine weiteren Vertragsbedingungen geändert wurden. Auch wenn gute Argumente dafür sprechen, dass in einer Hinausschiebensvereinbarung auch die übrigen Vertragsbedingungen geändert werden dürfen und nicht zuletzt ältere Arbeitnehmer häufig ein Interesse daran haben, ihre bisherige Arbeitszeit zu reduzieren (siehe hierzu Bauer in ArbRAktuell 2019, 11), ist bei der Änderung der übrigen Arbeitsbedingungen im Rahmen einer Hinausschiebensvereinbarung weiterhin Vorsicht geboten. Das Risiko einer unwirksamen Hinausschiebensvereinbarung kann ggf. dadurch reduziert werden, dass die Vertragsbedingungen noch rechtzeitig vor Erreichen der Regelaltersgrenze oder – wie im vorliegenden Fall – erst später einvernehmlich geändert werden.

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