Arbeitsrecht

Fortbildungskosten während Annahmeverzugs des Arbeitgebers

Wird anderweitiger Verdienst auf die Vergütung wegen Annahmeverzugs angerechnet, so kann der Arbeitnehmer grundsätzlich die zur Erzielung des anderweitigen Diensts erforderlichen Aufwendungen von diesem in Abzug bringen. Dies gilt allerdings nicht für Aufwendungen des Arbeitnehmers, die zum Erwerb einer weiteren Qualifikation führen, die den „Marktwert“ des Arbeitnehmers steigert, ohne dass die erworbene Qualifikation dem Arbeitgeber unmittelbar zugutekommt.

BAG, Urteil vom 2. Oktober 2018 – 5 AZR 376/17
Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Vergütung wegen Annahmeverzugs nach unwirksamer Kündigung. Der Kläger war als Flugzeugführer bei der O-GmbH beschäftigt. Dort war er auf dem Flugzeugtyp Fokker 100 eingesetzt. Über das Vermögen der O-GmbH wurde im Jahr 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der zum Insolvenzverwalter bestimmte Beklagte erklärte die Kündigung gegenüber dem Kläger zum 31. Juli 2013. Das BAG stellte mit Urteil vom 20. Januar 2016 (ArbRAktuell 2016, 164 m. Anm. Krieger) die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Seit dem 12. Juni 2014 war der Kläger bei einem anderen Arbeitgeber als Flugzeugführer beschäftigt. Der Kläger machte mit seiner Klage u.a. Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 12. Juni 2014 bis zum 31. Januar 2015 i.H.v. ca. 40.000 EUR geltend. Er war der Ansicht, von dem in dieser Zeit erzielten Zwischenverdienst i.H.v. ca. 37.500 EUR seien die angefallenen Aufwendungen für den Erwerb von Musterberechtigungen für die Flugzeugtypen Airbus 320 und Boeing 757/767 i.H.v. ca. 22.000 EUR in Abzug zu bringen. Diese seien erforderlich gewesen, weil der bei der Insolvenzschuldnerin geflogene Flugzeugtyp Fokker 100 in Deutschland nicht mehr und im europäischen Luftverkehr nur sehr selten betrieben werde. Nur durch den von ihm selbst finanzierten Erwerb der Musterberechtigungen habe er einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Das ArbG wies die Klage ab. Das LAG verurteilte den Beklagten dagegen zur Zahlung des Annahmeverzugslohns unter Anrechnung des Zwischenverdiensts abzüglich der Aufwendungen des Klägers.

Entscheidung BAG: Keine Minderung des anzurechnenden Zwischenverdiensts

Die Revision des Beklagten war überwiegend erfolgreich. Das BAG lehnte – anders als das LAG – im Ergebnis eine Minderung des anzurechnenden Zwischenverdiensts des Klägers um dessen Aufwendungen ab. Zwar seien erforderliche Aufwendungen zur Erzielung von Zwischenverdienst im Rahmen von § 11 Nr. 1 KSchG in Abzug zu bringen. Es könnten jedoch nicht jegliche Aufwendungen für eine weitere Berufstätigkeit des Arbeitnehmers als zwischendienstvermindernd anerkannt werden. Zu unterscheiden sei zwischen Aufwendungen, die erforderlich seien, um im Rahmen der bisherigen Qualifikation des Arbeitnehmers einer weiteren Erwerbstätigkeit fachkundig und sachgerecht nachgehen zu können, und solchen, die im Sinne einer Fortbildung die Qualifikation des Arbeitnehmers erhöhen würden, ohne dass diese Qualifikation zur Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit benötigt werde. Aufwendungen, die zu der ersten Kategorie gehören, seien zwischenverdienstmindernd zu berücksichtigen. Anders zu beurteilen seien aber Aufwendungen der zweiten Kategorie. Diese habe der Arbeitnehmer vorgenommen, um sich weiter zu qualifizieren und hierdurch seinen „Marktwert“ auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, ohne dass die hierbei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten dem Arbeitgeber zugute kämen. Die Berücksichtigung solcher Aufwendungen als zwischenverdienstmindernd widerspräche dem Zweck des § 11 Nr. 1 KSchG. Die Anrechnung anderweitigen Verdiensts nach § 11 Abs. 1 KSchG bezwecke, den Arbeitnehmer so zu stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ungekündigt weitergeführt worden. Im Falle der zwischenverdienstmindernden Berücksichtigung von Aufwendungen der zweiten Kategorie wäre dies aber gerade nicht der Fall. Denn im fortbestehenden Arbeitsverhältnis hätte der Arbeitnehmer keinen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Vergütung einer solchen Qualifizierungsmaßnahme. Der Kläger könne die erworbenen Musterberechtigungen bei dem Beklagten nicht nutzbar einbringen, weil die Insolvenzschuldnerin die beiden Flugzeugmuster nicht eingesetzt habe. Durch die erworbene Qualifikation hätten sich damit ausschließlich die Arbeitsmarktchancen des Klägers verbessert, ohne dass der Beklagte hiervon einen Vorteil gehabt hätte.

Gleiss Lutz Kommentar

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Anderenfalls wäre für Arbeitnehmer nach einer (unwirksamen) Kündigung ein Anreiz gesetzt, während des Annahmeverzugs auf Kosten des Arbeitgebers den eigenen „Marktwert“ zu erhöhen, ohne dass dieser zustimmen muss oder einen Nutzen davon hat. Die Entscheidung des BAG dürfte sich auf die Anrechnung anderweitigen Erwerbs nach § 615 S. 2 BGB übertragen lassen.

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