Arbeitsrecht

Widerruf eines Teilzeitverlangens nach Zugang ausgeschlossen

Verlangt ein Arbeitnehmer die Verringerung seiner Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG aF, so kann er dieses Verringerungsverlangen nach Zugang beim Arbeitgeber nicht mehr widerrufen. Der Ausschluss der Widerrufsmöglichkeit dürfte auf die aktuelle Fassung des § 8 TzBfG übertragbar sein.

BAG, Urteil vom 9. März 2021 – 9 AZR 312/20

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger mit seiner Arbeitgeberin, der Beklagten, in einem Vollzeitarbeitsverhältnis steht. Der Kläger war bei der Beklagten zunächst in Vollzeit beschäftigt. Mit Schreiben vom 14. Juni 2018 beantragte er unter Bezugnahme auf § 8 TzBfG aF, seine wöchentliche Arbeitszeit mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 auf 20 Stunden zu verringern. Am 29. August 2018 ging der Beklagten ein weiteres Schreiben des Klägers zu, in dem dieser seinen Antrag „mit sofortiger Wirkung“ zurückzog. Mit Schreiben vom 30. August 2018 erklärte die Beklagte, dem Antrag vom 14. Juni 2018 stattzugeben. Die neuen Arbeitsbedingen würden wunschgemäß eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden umfassen. 

Der Kläger ist der Ansicht, sein Vollzeitarbeitsverhältnis bestehe fort und begründet dies unter anderem mit seinem Widerruf vom 29. August 2018. Seiner auf Feststellung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses gerichteten Klage hatte das ArbG stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG die Klage abgewiesen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Revision des Klägers vor dem BAG hatte keinen Erfolg. Arbeitnehmer könnten, so das BAG, Verlangen auf Verringerung ihrer Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG aF nach Zugang beim Arbeitgeber nicht mehr widerrufen. Dieses Ergebnis entspräche aus drei Gründen der gesetzlichen Systematik.

Erstens liefe es dem Zweck der Sperrfrist aus § 8 Abs. 6 TzBfG aF zuwider, wenn Arbeitnehmer diese durch Widerruf zur Disposition stellen könnten und sich Arbeitgeber innerhalb der zweijährigen Sperrfrist erneut mit Verringerungsverlangen beschäftigen müssten. Zweitens spreche die Fiktionswirkung des § 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG aF, wonach nicht abgelehnte Verringerungsverlangen als angenommen gelten, für eine Bindung des Arbeitnehmers an sein Teilzeitverlangen. Denn eine Annahme des Arbeitgebers durch Untätigkeit setze voraus, dass das Angebot des Arbeitnehmers auf Verringerung fortbestehe. Schließlich würde der Arbeitgeber bei einer fortwährenden Widerrufsmöglichkeit in seiner durch die Dreimonatsfrist des § 8 Abs. 2 TzBfG aF geschützten Planungssicherheit eingeschränkt.

Gleiss Lutz kommentiert

Die Entscheidung des BAG überzeugt. Arbeitszeitverringerungsverlangen sind aufgrund der sehr hohen Anforderungen des BAG an das Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe häufig nur schwer abzulehnen. Umso wichtiger ist, dass Arbeitgeber von dem Fortbestehen eines Verringerungsverlangen ausgehen und frühzeitig Anpassungsmaßnahmen in die Wege leiten können. Die Entscheidung dürfte auch auf die inhaltlich kaum veränderte aktuelle Fassung des § 8 TzBfG übertragbar sein. Auch für Verlangen auf zeitlich befristete Verringerung der Arbeitszeit nach § 9a TzBfG bietet sich die Übernahme der Argumentation an.

Interessant ist die Andeutung des BAG, dass das dritte, auf die Dreimonatsfrist des § 8 Abs. 2 TzBfG aF abstellende, Argument in einem gewissen Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung stehen könnte. Nach dieser können Arbeitnehmer einen anderen Arbeitszeitwunsch einklagen, als sie ursprünglich geltend gemacht haben, wenn dabei neue Erkenntnisse aus der Verhandlungsphase berücksichtigt werden. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG an dieser Rechtsprechung festhalten wird. Als Argument für eine Aufgabe könnte auf die erst 2019 eingeführte Erörterungspflicht nach § 7 Abs. 2 TzBfG verwiesen werden, wonach Arbeitnehmer ihre Änderungswünsche jederzeit, also auch vor Geltendmachung eines Teilzeitverlangens, mit dem Arbeitgeber erörtern können.
 

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