Arbeitsrecht

Unterscheidung von Praktikum und Vorbeschäftigung im Befristungsrecht

Für die Abgrenzung, ob tatsächlich ein Praktikumsverhältnis und nicht ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist entscheidend darauf abzustellen, ob die betroffene Person entsprechend der Vorgaben der Ausbildungsverordnung beschäftigt wurde. 

LAG Berlin Brandenburg (10. Kammer), Urteil vom 12.3.2020 – 10 Sa 1953/19

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung. Die Klägerin war bei der Beklagten, dem Land Berlin, als Rettungsassistentin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war sachgrundlos befristet. Nach Ablauf der Befristung erhob die Klägerin Entfristungsklage. Sie war der Meinung, es liege eine Vorbeschäftigung gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vor, die der sachgrundlosen Befristung entgegenstehe. In der Zeit vom 1. April 2007 bis 31. März 2008 bestand zwischen den Parteien bereits ein Vertragsverhältnis, welches als „Praktikantenvertrag“ betitelt war. Der Vertrag enthielt folgende Regelung:

Die Praktikantin wird während der praktischen Tätigkeit, die nach der Ausbildungsordnung gem. RettAssG und RettAssAPrV der staatlichen Anerkennung bzw. der Erlaubnis als Rettungsassistentin vorauszugehen hat, beschäftigt.“

Die Klägerin nahm während dieser Zeit entsprechend einer Bescheinigung im Januar 2008 auch am Unterricht im Rettungsassistenten-Berufspraktikum gemäß § 2 RettAssAPrV teil. Die Klägerin machte geltend, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelte. Sie habe weisungsgebundene fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet und sei fest einer Feuerwache zugeteilt gewesen. Ihre Arbeit habe im Grunde vollständig der eines festangestellten Rettungsassistenten entsprochen. Während der Einsätze hätte weder eine theoretische noch eine praktische Schulung/Ausbildung stattgefunden. Nur bei maximal zehn Schichten sei sie zusammen mit einem Praktikantenbegleiter/Ausbilder eingesetzt gewesen. Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin

Das LAG wies die Berufung der Klägerin zurück. Es qualifizierte das erste Vertragsverhältnis der Parteien als Praktikum mit der Konsequenz, dass die Befristung des Arbeitsvertrages auch nicht gegen das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verstieß. Maßgeblich sei zunächst die vertragliche Vereinbarung. Nur wenn die praktische Durchführung des Vertrages davon abweichen sollte, käme es auf die tatsächliche Handhabung an. Eine solche Abweichung konnte das Gericht aber nicht feststellen. Die Klägerin wurde mit der praktischen Tätigkeit nach § 7 Abs. 1 RettAssG beschäftigt. Bei zehn Schichten, entsprechend 5-10 Prozent der Gesamtzeit des Praktikums, wurde die Klägerin von einem Praktikantenbegleiter/Ausbilder begleitet. Daneben besuchte sie den die praktische Tätigkeit begleitenden Unterricht gemäß § 2 RettAssAPrV. Die Ähnlichkeit des Inhalts der praktischen Tätigkeit mit dem eines Arbeitsverhältnisses lag angesichts des Ausbildungsziels (§ 3 RettAssG) auf der Hand. Selbst wenn das Praktikum hätte besser betreut werden können, würde ein solcher Mangel nicht dazu führen, dass das Vertragsverhältnis rechtlich als Arbeitsverhältnis zu bewerten wäre. Auch ein Vergleich mit § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG stütze das gefundene Ergebnis. Danach sind Praktikanten ausnahmsweise dann keine Arbeitnehmer im Sinne des MiLoG, wenn das Praktikum verpflichtend aufgrund einer Ausbildungsordnung geleistet wird.

Gleiss Lutz kommentiert

Die Entscheidung zeigt, dass die Abgrenzung eines Praktikums von einem Arbeitsverhältnis bei einer späteren sachgrundlosen Befristung weit über die Dauer des eigentlichen „Praktikantenvertrags“ hinaus bedeutend sein kann. Dabei ist die Entscheidung nicht nur im Bereich des Rettungsdienstes aufschlussreich. Auch für andere Pflichtpraktika lassen sich dem Urteil wichtige Erkenntnisse entnehmen. Auch andere Studien- oder Ausbildungsverordnungen geben die Inhalte eines praktischen Ausbildungsteils vor. Zumindest soweit eine solche Studien- und Ausbildungsverordnung besteht, sollten ihre Vorgaben bei der Ausgestaltung eines Praktikums beachtet und hierauf möglichst auch im „Praktikantenvertrag“ Bezug genommen werden (so bereits BAG, NZA 2016, 975). Allein die Bezeichnung eines Praktikums als solches ist dabei nicht entscheidend.

Für Praktika, die nicht durch eine Studien- oder Ausbildungsverordnung reguliert werden, ist die Abgrenzung dagegen schwieriger. Eine grobe Orientierung bieten hier die von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale eines Praktikums, die mit Einführung des Mindestlohngesetzes in § 22 Abs. 1 S. 3 MiLoG aufgegangen sind. Neben einer klar umgrenzten Dauer, muss die Tätigkeit dem Erwerb von Kenntnissen und Erfahrungen dienen und auf eine berufliche Tätigkeit gerichtet sein.

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