Arbeitsrecht

Technologischer Wandel und Kurzarbeit

Während die aktuelle Corona-Pandemie zu weitreichenden Auftragsverlusten in der Wirtschaft geführt hat, steigt davon unabhängig für viele Unternehmen zeitgleich der Digitalisierungsdruck. Ein Rückgriff auf Kurzarbeit hilft, die finanziellen Einbußen einer geringeren Auslastung abzufedern. Das Verhältnis von Digitalisierung und Kurzarbeit sollte bereits im Rahmen der Planung und Bildung von finanziellen Rückstellungen für den technologischen Wandel berücksichtigt werden.

Technologischer Wandel vollzieht sich in den Unternehmen in völlig unterschiedlichen Erscheinungsformen. Diese reichen von der Übernahme manueller Tätigkeiten durch intelligente Maschinen bis hin zur Automatisierung komplexer kognitiver Tätigkeiten in Hochleistungsrechenzentren. Etwaige Maßnahmen des technologischen Wandels, wie bspw. die Umstellung der Automobilindustrie auf Elektromotoren, können schon für sich genommen eine Änderung der Betriebsorganisation oder eine Einführung neuer Arbeitsmethoden oder Fertigungsverfahren und damit eine Betriebsänderung iSv § 111 S. 3 Nrn. 4 und 5 BetrVG darstellen. Voraussetzung ist jeweils allerdings eine erhebliche Auswirkung auf die Arbeitsprozesse. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung etwa mit einem „Sprung“ in der technischen Entwicklung vor.

Bestehende Kurzarbeit und der Bezug von Kurzarbeitergeld schließen eine zeitgleiche Restrukturierung im Betrieb in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht aus. Von der Frage, ob neben dem möglicherweise pandemiebedingten Bezug von konjunkturellem Kurzarbeitergeld digitalisierungsgetriebene Restrukturierungen rechtlich zulässig sind, ist die weitere Frage zu trennen, ob ein mit einer solchen Restrukturierung einhergehender Arbeitsausfall teilweise durch den Bezug von Kurzarbeitergeld finanziell abgefedert werden kann.

Für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist zentral, dass die Arbeitsauslastung nur vorübergehend reduziert ist, also wieder mit einer Vollauslastung gerechnet werden kann. Hierbei ist eine Prognose anzustellen, die sich maßgeblich an der Grundbezugsdauer des Kurzarbeitergeldes orientiert. Das Tempo der Umsetzung der Digitalisierung ist also ein wichtiger Faktor bei der Planung des Technologiewandels und der diesen unterstützenden finanziellen Faktoren. Neben dem vorübergehenden Arbeitsausfall bedarf es für die Gewährung von Kurzarbeitergeld unter anderem hierzu wirtschaftlicher Gründe. An solchen fehlt es grundsätzlich, wenn die Ursache für den Arbeitsausfall in Managementfehlern oder in einem „Lauf gegen den Markt“ liegt. Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz regelt § 96 II SGB III. Danach beruht ein Arbeitsausfall, der den Bezug von konjunkturellem Kurzarbeitergeld ermöglicht, auch dann auf wirtschaftlichen Gründen, wenn er zwar durch eine Veränderung der betrieblichen Strukturen verursacht wird, diese aber durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt sind. Bei dem derzeit bestehenden fortschreitenden und global stattfindenden Digitalisierungsdruck dürfte es sich um solche externen Wirtschaftsfaktoren handeln.

Werden pandemiebedingte Arbeitsausfälle durch Kurzarbeit kompensiert und zum anderen parallel digitalisierungsgetriebene Restrukturierungen geplant, begonnen und umgesetzt, ist zu prüfen, ob, für welchen Mitarbeiterkreis, und zu welchem Zeitpunkt Maßnahmen solcher Restrukturierungen zu einem Verlust des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld führen. Ab diesem Zeitpunkt fallen höhere Personalkosten an und die damit einhergehende Kostenbelastung ist von dem Unternehmen erneut einzukalkulieren. Die Entscheidung über Ob und Wann der Restrukturierung ist hierdurch maßgeblich bestimmt. Der Zeitpunkt des Wegfalls der Berechtigung zum Bezug von Kurzarbeitergeld hängt von den jeweiligen Umsetzungsschritten ab. Spätester und gesetzlich geregelter Zeitpunkt ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder der Ausspruch betriebsbedingter Kündigung. Die Bezugsvoraussetzungen können aber auch früher entfallen. Entscheidend ist hierfür, ab wann ein dauerhafter Wegfall der betroffenen konkreten Arbeitsplätze feststeht. Sowohl der mögliche Bezug von Kurzarbeitergeld für vorübergehende Arbeitsausfälle durch digitalisierungsgetriebene Restrukturierungen als auch der drohende Wegfall von Kurzarbeitergeld durch Umsetzungsschritte einer digitalisierungsgetriebenen Restrukturierung sind wesentliche wirtschaftliche Faktoren, die in die Planung einbezogen und im Rahmen des Restrukturierungsbudgets berücksichtigt werden sollten.

Zu der Thematik umfangreich Stellung nehmen unsere Experten Rechtsanwalt Prof. Dr. Gerhard Röder, Rechtsanwalt Dr. Jens Günther und Rechtsanwalt Mark Gerigk in dem Aufsatz „Technologischer Wandel und Kurzarbeit – Was geht und was geht nicht?“ (NZA 2021, 91).

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