Compliance & Investigations

Außenwirtschaftsrecht: Steigende Compliance-Anforderungen im Russlandgeschäft

Das Russland-Geschäft deutscher Unternehmen wächst beständig. Gleichzeitig nehmen die rechtlichen Hürden zu: Hier besteht eine Gemengelage von (sich teilweise überlagernden oder sogar widersprechenden) Vorgaben. So hat seit 2014 die Europäische Union (EU) aufgrund der russischen Annexion der Krim Sanktionen verhängt, die im Dezember 2018 erneut um sechs Monate verlängert wurden. Die USA haben ihre Sanktionen erst in jüngster Zeit wieder verschärft; diese können wegen ihrer extraterritorialen Wirkung auch deutsche Unternehmen betreffen. Russland wiederum reagiert hierauf mit Gegenmaßnahmen, die ebenfalls für deutsche Unternehmen erhebliche Auswirkungen haben können.

Dies macht die außenwirtschaftsrechtlichen Compliance-Anforderungen im Russlandgeschäft komplexer. Europäische und amerikanische Sanktionen unterscheiden sich in vielen Details. Eine kontinuierliche und aktuelle Prüfung von Geschäftspartnern auf Verbindungen zu gelisteten Personen ist unerlässlich, da die Sanktionslisten sowohl der EU als auch der USA immer wieder ergänzt oder geändert werden.

1. Personen- und warenbezogene EU-Sanktionen – Beschränkungen bei Finanzinstrumenten

Die EU-Verordnungen umfassen eine Liste von derzeit über 150 natürlichen Personen sowie mehr als 40 Einrichtungen. Gelisteten Personen ist es verboten, in das Gebiet der Europäischen Union ein- bzw. durchzureisen; zudem wurden ihre Gelder eingefroren.

Das für deutsche Unternehmen wichtigste Element der personenbezogenen Sanktionen ist das Bereitstellungsverbot: Gelisteten Personen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. Dasselbe gilt für von gelisteten Personen gehaltene oder kontrollierte Organisationen oder Einrichtungen. Um Umgehungsgeschäfte zu verhindern, ist etwa auch die Lieferung an ein Unternehmen verboten, das im Eigentum einer gelisteten Person steht oder von diesem kontrolliert wird:

  • Eigentum der gelisteten Person liegt beispielsweise vor, wenn mehr als 50 Prozent der Eigentumsrechte in ihrem Besitz sind bzw. sie eine Mehrheitsbeteiligung hält.
  • Die Frage, ob ein Unternehmen von einer gelisteten Person kontrolliert wird, ist hingegen deutlich komplexer zu beantworten. Dabei ist unter anderem zu prüfen, ob die gelistete Person allein oder über Vereinbarungen mit anderen Anteilseignern die Mehrheit der Stimmrechte hat oder bestimmenden Einfluss auf die Leitungs-, Verwaltungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens nehmen kann.

Ausnahmen vom Bereitstellungsverbot sind nur in engen Grenzen möglich, nämlich dann, wenn im Einzelfall sichergestellt ist, dass die Gelder oder Ressourcen nicht von der gelisteten Person verwendet werden oder ihr zugutekommen. Das Bereitstellungsverbot ist von deutschen Unternehmen zwingend zu beachten. Ein Verstoß dagegen ist gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit.a) AWG strafbewehrt.

Darüber hinaus ist auch die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern nach Russland unter bestimmten Umständen ganz untersagt. Dual-Use-Güter sind solche, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke genutzt werden können. Die unmittelbare oder mittelbare Lieferung von Dual-Use-Gütern an Unternehmen und Personen in Russland ist immer dann verboten, wenn diese ganz oder teilweise für militärische Zwecke oder einen militärischen Endnutzer bestimmt sind oder bestimmt sein könnten; anders als bei Lieferungen von Dual-Use-Gütern in sonstige Länder kann für Russland in diesen Fällen keine Genehmigung erteilt werden. Technische Hilfe und Finanzdienstleistungen, die mit Dual-Use-Gütern im Zusammenhang stehen, sind gleichermaßen ausgeschlossen. Ausnahmen von den o.g. Beschränkungen können allerdings für Altverträge bestehen, die vor dem 1. August 2014 bzw. vor dem 12. September 2014 geschlossen wurden, sowie für akzessorische Verträge, die für die Erfüllung solcher Verträge notwendig sind: Diese können vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) genehmigt werden.

Schließlich erfordert die Ausfuhr von Gütern, welche zum Einsatz bei der Exploration und Förderung von Erdöl erforderlich sind, sowie bestimmte Dienstleistungen in diesem Zusammenhang, eine vorherige Genehmigung durch das BAFA.

Neben diesen personen- und warenbezogenen Sanktionen hat die EU zudem Verbote zum Handel mit bestimmten Finanzinstrumenten erlassen. Sanktioniert sind verschiedene (in den EU-Verordnungen gelistete) Unternehmen des russischen Banken-, Verteidigungs- und Energiesektors sowie außerhalb der EU niedergelassene Unternehmen, die im Mehrheitseigentum dieser gelisteten Unternehmen stehen, und sonstige Unternehmen, die im Namen oder auf Anweisung der gelisteten Unternehmen handeln. Diese Verbote können beispielsweise bestimmte Instrumente der Exportfinanzierung erfassen (etwa Garantien und Akkreditive). Weniger offensichtlich, aber in der Praxis besonders relevant: Auch Zahlungsziele und -fristen von über 30 Tagen oder deren Verlängerung können im Verhältnis zu gelisteten Unternehmen einen Verordnungsverstoß darstellen, soweit sie geschäftsunüblich sind.

2. Aktuelle Tendenz bei US-Sanktionen – Auch deutsche Unternehmen können zunehmend betroffen sein

Nahezu zeitgleich mit der EU erließen auch die USA im Jahr 2014 durch sogenannte Executive Orders umfangreiche Wirtschaftssanktionen gegen Russland, ebenfalls als Antwort auf die Krise in der Ukraine. Diese sind nach Inhalt und Ausmaß mit den europäischen Sanktionen vergleichbar, im Detail jedoch nicht deckungsgleich. So sind etwa nicht alle von der EU sanktionierten Personen auch auf der amerikanischen SDN-Liste (Specially Designated Nationals-Liste) zu finden. Andersherum enthält die SDN-Liste der USA wiederum Personen, die von der EU nicht erfasst werden.

Diese US-Sanktionen (sog. Primary Sanctions) können für deutsche bzw. europäische Unternehmen unmittelbar Geltung erlangen. wenn sie Zahlungen in USD vornehmen bzw. ganz allgemein US-Banken in die Zahlungsabwicklung involvieren, oder wenn sog. US-persons an einem Geschäft beteiligt sind (d.h. Personen mit US-amerikanischer Staatsangehörigkeit, Greencard-Inhaber, US-Unternehmen und alle Personen, solange sie sich in den USA aufhalten). Überdies gelten US-Sanktionen auch dann unmittelbar für deutsche bzw. europäische Unternehmen, wenn amerikanische Produkte oder Produkte mit einem gewissen US-amerikanischen Mindestanteil re-exportiert – d.h. aus Deutschland nach Russland geliefert – werden: Dann greift das US-Exportkontrollrecht ebenso wie beim primären Export aus den USA.

Brisanter – da weitgehend nicht im Einklang mit den europäischen Sanktionsinstrumenten – ist eine weitere aktuelle Entwicklung der amerikanischen Russlandpolitik: Im Jahr 2017 erließ der US-Kongress den „Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act“ (CAATSA), der auch sog. Secondary Sanctions vorsieht. Diese erfassen Personen aus Drittstaaten. Eine direkte Verbindung zu den USA ist dabei (anders als bei den Primary Sanctions) nicht nötig. So können die USA etwa gegen alle Personen vorgehen, die wissentlich sog. „significant transactions“ mit gelisteten Personen oder deren Kindern, Partnern, Eltern oder Geschwistern durchführen oder ermöglichen bzw. Geschäfte mit Personen durchführen, welche dem russischen Verteidigungs- und Geheimdienstsektor angehören, oder die sich durch Güterexport oder Dienstleistungen am Ausbau russischer Energiepipelines beteiligen. Es empfiehlt sich also für deutsche Unternehmen, auch diese Sanktionsliste im Blick zu behalten und in das IT-gestützte Sanktionslisten-Screening zu integrieren, welches Unternehmen üblicherweise im Rahmen ihres Compliance Managements nutzen (sollten). Wichtig: Ursprünglich unproblematische Verträge mit russischen Geschäftspartnern dürfen nach US-Recht auch nicht mehr fortgeführt werden; anders als im EU-Sanktionsrecht gibt es also keinen Bestandschutz.

Die extraterritoriale Anwendung von US-Recht entfaltet in der Praxis eine erhebliche abschreckende Wirkung, drohen doch ein Ausschluss vom amerikanischen Markt oder empfindliche Geldstrafen als Folge eines Verstoßes.

3. Russische Gegenmaßnahmen – große Rechtsunsicherheit

Ein weiteres Element, das deutsche Unternehmen bei ihrem Russlandgeschäft beachten sollten, betrifft schließlich russische Gegenmaßnahmen auf die genannten Sanktionen der EU und der USA: Das russische Recht erkennt die amerikanischen und europäischen Sanktionen nicht an. Russische Gerichte betrachten die westlichen Sanktionen auch nicht als höhere Gewalt; die vorzeitige (sanktionsbedingte) Beendigung eines Vertrags könnte daher Schadensersatzansprüche gegen das deutsche Unternehmen nach sich ziehen.

Weiterhin reagierte Russland seinerseits auf die westlichen Sanktionen 2014 mit einem Einfuhrverbot für Agrarprodukte, Lebensmittel und Rohstoffe sowie Einreiseverbote gegen Politiker, Militärs und Personen aus dem Wirtschaftsleben, die auf einer zunächst geheimen Liste geführt wurden. Eine Version der Liste mit Personen aus den USA, der EU, Kanada und Japan wurde im Juni 2015 öffentlich bekannt. Russische Gerichte beachten diese Sanktionen: Verweigert der russische Geschäftspartner die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten unter Berufung auf die bestehenden Sanktionen Russlands, wird das hiervon betroffene deutsche Unternehmen sich dagegen gerichtlich nicht wehren können.

Weiterhin ergänzte die russische Regierung diesen Kurs als Reaktion auf die neuesten Sanktionen der USA durch neue Gegenmaßnahmen: Im Sommer 2018 wurden zwei Gesetzesvorhaben in die russische Staatsduma eingebracht. Beide enthielten zunächst drastische Maßnahmen, wie die Einführung einer Strafbarkeit für die Umsetzung ausländischer Sanktionen sowie neue Einfuhrverbote. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurden sie aufgrund von Protesten aus der russischen Wirtschaft zwar abgeschwächt. Trotzdem besteht für deutsche Unternehmen eine erhebliche Rechtsunsicherheit, da die konkreten Entscheidungen auf der Grundlage der Gesetze sowie der weitere Gang der Gesetzgebung schwer vorhersehbar sind und auch eine Strafbarkeit für die Befolgung ausländischer Sanktionen noch nicht völlig vom Tisch ist. Dabei handelt es sich um die beiden folgenden Gesetze:

  • Das Gesetz über „Maßnahmen (Gegenmaßnahmen) als Reaktion auf unfreundliche Handlungen der Vereinigten Staaten und anderer Staaten“ ist am 4. Juni 2018 in Kraft getreten; es sieht allerdings noch keine konkreten Maßnahmen vor. Als Rahmengesetz räumt es dem russischen Präsidenten aber die Möglichkeit ein, u. a. weitere rechtlich unbefristete Einfuhrverbote gegen Produkte aus „unfreundlichen Staaten“ zu verhängen. Als „unfreundlich“ gelten dabei Staaten, die „unfreundliche Handlungen“ gegen Russland, russische Personen oder Staatsangehörige vornehmen, sowie die USA. Diese Definition ist sehr offen und lässt dem russischen Präsidenten großen politischen Spielraum. Für deutsche Unternehmen besteht damit für die Zukunft ein potentielles Risiko, als „unfreundlich“ eingestuft zu werden.  
  • In einem zweiten Gesetzesentwurf ist eine Erweiterung des russischen Strafgesetzbuchs vorgesehen, der u.a. die Einführung eines Verbots vorsieht, ausländische Sanktionen zu befolgen. Dieses Verbot soll nicht nur für russische natürliche Personen gelten, sondern auch für ausländische Staatsangehörige; der Verstoß soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren bestraft werden. Diese weitreichende Strafbarkeit stieß zwar auf Gegenwehr aus der russischen Wirtschaft. Die zweite Lesung im Parlament wurde daher im Mai 2018 verschoben und hat bisher nicht stattgefunden. Es lässt sich nicht ausschließen, dass das Gesetz doch noch verabschiedet wird und gravierende Konsequenzen (Strafbarkeitsrisiko für deutsche Unternehmensvertreter) für das Russland-Geschäft deutscher bzw. europäischer Unternehmen hat.

4. Fazit

Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit Russland unterhalten, finden sich bisweilen in einem Geflecht verschiedener Anforderungen unterschiedlicher Herkunft und sich widersprechender Wirkung wider. Um Strafbarkeiten und wirtschaftliche Einschränkungen zu vermeiden, ist die Kenntnis der Sanktionsmechanismen und die Implementierung eines entsprechenden Compliance-Management-Systems (insbesondere ein effizientes Geschäftspartner-Screening) unerlässlich. Dieses muss insbesondere die im Detail unterschiedlichen europäischen und amerikanischen Sanktionsvorschriften und deren kontinuierliche Änderungen berücksichtigen. Erschwerend kommen russische Gegenmaßnahmen hinzu. Die bestehende Gesetzeslage in Russland und in Zukunft ggf. noch erfolgende Verschärfungen führen zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit; insofern sollten deutsche Unternehmen die aktuelle Rechtsentwicklung in Russland laufend im Auge behalten.

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