Arbeitsrecht

Sonderkündigungsschutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragen

Der Sonderkündigungsschutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist sowohl mit dem Unionsrecht, als auch mit den Grundrechten des Grundgesetzes vereinbar.

BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 2 AZR 225/20

 

Sachverhalt

Die Beklagte ist als privatrechtliches Unternehmen organisiert und war nach dem BDSG verpflichtet, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen. Die Klägerin war seit 2018 bei der Beklagten als Arbeitnehmerin beschäftigt und seit Februar 2018 zu betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt. In Folge einer Umstrukturierung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin im Juli 2018. Die Klägerin hat dagegen vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben und sich auf den Sonderkündigungsschutz als Datenschutzbeauftragte gemäß §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG berufen. Die Beklagte ist der Ansicht, diese nationale Regelung verstoße gegen die DS-GVO und verletze ihre Grundreche. Vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht war die Kündigungsschutzklage erfolgreich. Das BAG hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Sonderkündigungsschutz nach dem BDSG für den Datenschutzbeauftragten mit Unionsrecht vereinbar ist. In seinem Urteil vom 22. Juni 2022 (Az.: C-534/20) bejahte der EuGH diese Frage (siehe dazu unseren Beitrag vom 24. August 2022). Damit war für das BAG der Weg frei, den Fall in der Sache zu entscheiden.

 

Entscheidung des BAG

Das BAG stellte zunächst klar, dass es für das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes gem. §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 S. 2 BDSG unerheblich sei, dass bei Ausspruch der Kündigung die Wartezeit nach dem KSchG und die arbeitsvertraglich vereinbarte Probezeit noch nicht abgelaufen waren. Sodann nahm das BAG ausführlich auf das Urteil des EuGH Bezug, das auf seine Vorlage hin ergangen ist. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO lediglich ein Abberufungs- und Benachteiligungsverbot des Datenschutzbeauftragten wegen der Erfüllung seiner Aufgaben vorsehe, das dessen Unabhängigkeit sichern solle. Mit diesem Zweck sei es vereinbar, wenn das nationale Recht zusätzlich dazu einen Sonderkündigungsschutz für dessen Arbeitsverhältnis vorsehe. Dadurch werde die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten zwar von höheren Voraussetzungen abhängig gemacht, scheide aber nicht gänzlich aus.

Das BAG stellt weiterhin klar, dass der Sonderkündigungsschutz gem. §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 S. 2 BDSG an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen sei. Nur wenn für den Gesetzgeber keinerlei Spielräume bei der Umsetzung von Unionsrecht verblieben, dürfe allein eine Kontrolle anhand der europäischen Grundrechte stattfinden. Dies sei hier aber nicht der Fall, da die DS-GVO zahlreiche Öffnungsklauseln enthalte, die den Mitgliedsstaaten eine abweichende Regelung gestatten. Zwar greife der Sonderkündigungsschutz in die Berufsfreiheit der Arbeitgeber gem. Art. 12 Abs. 1 GG ein. Dies sei aber im Hinblick auf die Gewährleistung der Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten gerechtfertigt. Das vor der Einführung der §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 S. 2 BDSG bestehende Benachteiligungsverbot und die Erschwerung der Abberufung habe der Gesetzgeber als nicht mehr ausreichend angesehen, um dieses Ziel zu verwirklichen. Damit habe er seine Einschätzungsprärogative nicht überschritten. Im Verhältnis zur Schwere der eher geringen Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Arbeitgebers sah das BAG die Gewährleistung eines effektiven Datenschutzes und der Bedeutung eines unabhängigen Datenschutzbeauftragen in einer Abwägung als höherwertiger an. Der Sonderkündigungsschutz verlange vom Arbeitgeber nichts Unerfüllbares und belasse ihm noch ausreichend Möglichkeiten, in denen das Arbeitsverhältnis beendet werden könne. Auch eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung das Datenschutzbeauftragten gegenüber Beauftragten für andere Sachbereiche sah das Gericht als nicht gegeben an. Nach alldem konnte sich die Klägerin auf die §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 S. 2 BDSG berufen. Die Beklagte hatte aber lediglich eine ordentliche Kündigung ausgesprochen und es lag auch ansonsten kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. Daher sah das BAG die Kündigung als unwirksam an und wies die Revision der Beklagten zurück. 

 

Gleiss Lutz kommentiert

Die vorliegende Entscheidung schafft Rechtsklarheit hinsichtlich der teils angezweifelten Wirksamkeit des Sonderkündigungsschutzes für betriebliche Datenschutzbeauftragte. Im Ergebnis ist sie aber mindestens seit der Entscheidung des EuGH auf den Vorlagebeschluss hin nicht überraschend. Das BAG wiederholt diese lediglich zusammenfassend, um die Vereinbarkeit des Sonderkündigungsschutzes mit der DS-GVO zu begründen. An die vom EuGH vorgenommene Auslegung war das Gericht ohnehin gebunden. Die Vereinbarkeit der Regelung mit der Berufsfreiheit der Beklagten gem. Art. 12 Abs. 1 GG hat das BAG in überzeugender Art und Weise dargelegt. Es hat die Interessen der Beteiligten und deren Gewicht differenziert dargestellt und abgewogen. Für die Zukunft stärkt das Urteil die Position des betrieblichen Datenschutzbeauftragten und steht damit in einer Reihe mit der datenschutzfreundlichen Linie des EuGH und der Europäischen Union.

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