Arbeitsrecht

Selbstbeurlaubung während Prozessbeschäftigung kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Tritt ein in einem vertraglichen Prozessarbeitsverhältnis stehender Arbeitnehmer eigenmächtig Urlaub an, stellt dies einen „an sich“ zur außerordentlichen Kündigung geeigneten wichtigen Grund dar.

BAG, Urteil vom 20. Mai 2021 – 2 AZR 457/20

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Die Beklagte und Arbeitgeberin des Klägers kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zunächst ordentlich zum 31. Mai 2018, weil dieser sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Sonderurlaub erschlichen habe. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und machte einen (allgemeinen) Weiterbeschäftigungsanspruch geltend. Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens vereinbarten die Parteien „eine durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingte Fortsetzung [des] Arbeitsverhältnisses […].“ In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten über die Arbeitsbedingungen. Der Kläger beantragte am 22. März 2019 Erholungsurlaub für die Zeit vom 25. März 2019 bis zum 25. April 2019 und erschien seit dem 25. März 2019 nicht mehr zur Arbeit, ohne dass die Beklagte den Urlaub genehmigt hatte. Diese sprach mit Schreiben vom 4. April 2019 eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Das ArbG gab der Klage gegen die zweite Kündigung statt, das LAG wies sie ab.

Entscheidung

Die Revision des Klägers war unbegründet. Das BAG entschied, die Beklagte sei mit dem Kläger ein vertragliches Prozessarbeitsverhältnis eingegangen und habe das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung auflösend bedingt fortgesetzt. Das fortgesetzte Arbeitsverhältnis habe die Beklagte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – der Selbstbeurlaubung – wirksam außerordentlich fristlos gekündigt. Die Selbstbeurlaubung stelle einen wichtigen Grund dar. Ein Selbstbeurlaubungsrecht könne, falls überhaupt, allenfalls bei einer grundlosen Ablehnung des Urlaubsantrags bzw. übermäßig lange ausbleibender Reaktion des Arbeitgebers in Betracht kommen. Beides sei hier nicht ersichtlich.

Gleiss Lutz kommentiert

Die Entscheidung überzeugt. Prozessarbeitsverhältnisse können für Arbeitgeber aus zwei Gründen gefährlich sein. Erstens kann sich die sog. Prozessbeschäftigung negativ auf das laufende Kündigungsschutzverfahren auswirken, da beide Parteien damit die Möglichkeit einer über den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs hinausgehenden Zusammenarbeit dokumentieren.

Zweitens sollten Arbeitgeber darauf achten, das wirksam gekündigte Arbeitsverhältnis nicht auf eine neue ungekündigte und unbefristete vertragliche Grundlage zu stellen: Die Beschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits unterliegt dem gesetzlichen Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG, welches vor Antritt des Arbeitnehmers zur Prozessbeschäftigung erfüllt sein sollte.

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