Compliance & Investigations

Sanktionslisten-Screening von Mitarbeitern – ohne Beteiligung des Betriebsrats zulässig

Um eine mögliche Sanktionierung wegen Verstößen gegen die personen- und länderbezogenen Embargovorschriften (einschließlich Anti-Terror-Bestimmungen) der Europäischen Union zu vermeiden, führen viele Unternehmen einen automatisierten Abgleich ihrer Mitarbeiter mit den entsprechenden Sanktionslisten durch. Bisher war umstritten, ob bei der Einführung eines solchen Datenabgleichs auch der Betriebsrat zwingend zu beteiligen ist. Das Bundearbeitsgericht hat mit einer grundlegenden Entscheidung vom 19. Dezember 2017 (Az. 1 ABR 32/16) nun Klarheit in diesem Punkt geschaffen.

Hintergrund: EU-Verordnungen zur Terrorismusbekämpfung / länderbezogene Embargos

Die Europäische Union (EU) hat seit den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York im September 2001 eine Reihe von Verordnungen erlassen, um zu verhindern, dass Terroristen oder Terrorverdächtige durch eine Teilnahme am Wirtschaftsleben Mittel zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten gewinnen können (Anti-Terror-Verordnungen). Zugleich hat in den letzten Jahren auch die Anzahl der durch EU-Verordnungen gegen bestimmte Staaten verhängten Embargos zugenommen (länderbezogene Embargos). Beide Arten von Verordnungen beruhen häufig auf Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Zu den wichtigsten Verordnungen zählen:

  • Verordnung (EG) 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus
     
  • Verordnung (EG) 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen
     
  • Verordnung (EU) 36/2012 des Rates vom 18. Januar 2012 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien
     
  • Verordnung (EU) 267/2012 des Rates vom 23. März 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran

Die Verordnungen enthalten ein so genanntes Bereitstellungsverbot: Sie verbieten es, bestimmten natürlichen Personen, welche auf entsprechenden Listen in den Anhängen zu den Verordnungen aufgeführt sind (Sanktionslisten), Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung zu stellen oder zugute kommen zu lassen. Hierunter fällt auch die Zahlung von Gehalt an Mitarbeiter, da diese mit der Zahlung die Verfügungsbefugnis über ihren Lohn erlangen. Sogar nicht-monetäre Gehaltsbestandteile können dem Bereitstellungsverbot unterfallen: Der Begriff der wirtschaftlichen Ressource schließt jeden Vermögenswert ein, der für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden kann, ohne selbst Geld zu sein (Prinzip der Ersatzwährung).
Betroffen von dem Verbot sind auch bestehende Arbeitsverträge: Das Bereitstellungsverbot beschränkt sich nicht auf neu eingegangene Verpflichtungen, sondern erfasst auch existierende Verträge, soweit sie ein Dauerschuldverhältnis begründen.

Sanktionierung bei Verstößen

Die Verordnungen binden als unmittelbar geltendes Recht alle Unternehmen im Bereich der EU. Zuwiderhandlungen gegen das Bereitstellungsverbot können nach nationalem Recht zu erheblichen Sanktionen für das betroffene Unternehmen und seine Vertreter führen. So sieht § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AWG eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren unter anderem für den Verstoß gegen ein in einer EU-Verordnungen normiertes Bereitstellungsverbot vor. Zudem kann eine Geldbuße von bis zu EUR 1 Mio. nach § 130 OWiG wegen des Unterlassens erforderlicher Aufsichtsmaßnahmen oder eine Unternehmensgeldbuße von bis zu EUR 10 Mio. nach § 30 Abs. 1 OWiG verhängt werden. § 35 Abs. 1 GewO sieht daneben eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit und einen Eintrag in das Gewerbezentralregister vor (mit negativen Folgen für das Unternehmen bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge).

Automatisierter Sanktionslistenabgleich von Mitarbeitern

Zur Vermeidung der Sanktionsrisiken sehen sich viele Unternehmen zu einem regelmäßigen Abgleich ihrer Mitarbeiterdaten mit Sanktionslisten gezwungen. Zwar sind Unternehmen zur Durchführung entsprechender Screenings nicht unmittelbar rechtlich verpflichtet; jedoch besteht aufgrund der gesetzlichen Sanktionen dazu faktisch eine Pflicht (Stichwort: Vermeidung von Organisationsverschulden).
Ein manueller Datenabgleich ist für die meisten Unternehmen nicht umsetzbar, weshalb sich viele für automatisierte Abgleichungen durch spezielle Softwarelösungen entscheiden. Hierbei werden die Stammdaten der Mitarbeiter elektronisch mit den Einträgen in den Sanktionslisten verglichen. In diesem Zusammenhang war bisher umstritten, ob die Einführung eines solchen automatisierten Datenabgleichs ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wegen technischer Verhaltenskontrolle nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslöst.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

In seinem Beschluss vom 19. Dezember 2017 (Az. 1 ABR 32/16) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in einem solchen Fall nicht eröffnet ist. Die Norm ist nach ihrem Wortlaut nur dann anwendbar, wenn die Maßnahme die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen zum Gegenstand hat, welche dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen. Wie das Gericht in seinem Beschluss darlegt, erlangt der Arbeitgeber durch den Datenabgleich formal betrachtet keine Aufschlüsse über das Verhalten des Arbeitnehmers. Vielmehr gebe die durch den Abgleich erlangte Information nur darüber Auskunft, ob sich gegen die jeweilige Person eine Verbotsmaßnahme im Sinne eines Bereitstellungsverbots richte, mithin an diese Person keine Zahlungen geleistet werden dürften. Darin liege jedoch keine Aussage zum tatsächlichen betrieblichen oder außerbetrieblichen Verhalten des Arbeitsnehmers. Allein die Möglichkeit, dass diese Information als Anlass zu weiteren Ermittlungen bzw. Maßnahmen des Arbeitgebers dienen könnte, die ihrerseits möglicherweise Rückschlüsse auf ein Verhalten des betreffenden Arbeitsnehmers erlaubten, macht sie nicht zu einer Information im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Fazit

Durch die Entscheidung des BAG haben Unternehmen nun Klarheit, wie weit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung eines automatisierten Abgleichs von Mitarbeiterdaten mit Sanktionslisten reicht. Während die Einführung nahezu jeder anderen Software eine zwingende Mitbestimmung des Betriebsrats zur Folge hat, weil hierbei regelmäßig Arbeitsschritte aufgezeichnet werden, bleibt das automatisierte Sanktionslisten-Screening mitbestimmungsfrei. Dies erleichtert Unternehmen eine schnelle Einführung solcher Softwarelösungen, um sich gegenüber Sanktionierungsrisiken abzusichern. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass die genannte Entscheidung des BAG nur die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung betrifft, nicht die datenschutzrechtlichen Aspekte des Mitarbeiterscreenings (vgl. hierzu Gleiss Lutz Newsletter Compliance & Investigations, Ausgabe 1/2017). Diese sind nach wie vor noch nicht restlos geklärt.

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