Arbeitsrecht

Sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung bei Bruch in der Erwerbsbiographie

Eine verfassungskonforme Auslegung kann zur Unanwendbarkeit des Vorbeschäftigungsverbots gem. § 14 II 2 TzBfG führen, wenn die Erwerbsbiografie inhaltlich unterbrochen wird. Dementsprechend kann nicht jede Aus- und Weiterbildung zur Unanwendbarkeit von § 14 II 2 TzBfG führen; die Aus- und Weiterbildung muss zu einer anderen Tätigkeit befähigen, die der Erwerbsbiographie des Arbeitnehmers eine völlig andere Richtung gibt.

BAG, Urteil vom 16.9.2020 – 7 AZR 552/19

Sachverhalt

Der Kläger absolvierte im Jahr 1988 erfolgreich ein Hochschulstudium in der Fachrichtung Technische Gebäudeausrüstung. In den Jahren 2008 bis 2010 war er bei dem Beklagten im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement als Sachbearbeiter tätig. Während dieser Tätigkeit hatte der Kläger ein berufsbegleitendes Studium aufgenommen, welches er im Jahr 2011 mit dem Abschluss „Verwaltungs-Betriebswirt“ beendete. Nach einer beruflichen Zwischenstation stellte die Beklagte den Kläger im Jahr 2015 auf Basis eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags als Referent im Bereich Betriebssicherheit ein.

Der Kläger machte die Unwirksamkeit der Befristung geltend und hatte vor dem ArbG und dem LAG Erfolg.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG hielt die dagegen eingelegte Revision des Beklagten für unbegründet. Das in § 14 II 2 TzBfG normierte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung wirke grundsätzlich uneingeschränkt. Allerdings sei nach Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 6.6.2018 – 1 BvL /714, 1 BvR 1375/14) in verfassungskonformer Auslegung von § 14 II 2 TzBfG deren Anwendung auf Fälle auszuschließen, in denen das Verbot für die Parteien unzumutbar wäre. Dies könne – nach Rechtsprechung des BVerfG – insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. So liege es nach Ansicht des BVerfG etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudenten und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehe. Nach diesen Grundsätzen seien die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 II 2 TzBfG im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen habe nur ein Zeitraum von rund fünf Jahren gelegen. Die Vorbeschäftigung sei auch nicht von sehr kurzer Dauer gewesen. Schließlich sei die Vorbeschäftigung als Sachbearbeiter auch nicht ganz anders geartet gewesen als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Referent. Das Erfordernis eines Bruchs in der Erwerbsbiographie sei nicht zeitlich, sondern inhaltlich zu verstehen.

Gleiss Lutz kommentiert

Die Entscheidung überrascht nicht. An die Annahme einer Unzumutbarkeit der Anwendung des § 14 II 2 TzBfG werden außerordentlich hohe Anforderungen gestellt. Das geht auf die Vorgaben des BVerfG zurück. Arbeitgeber sollten im Zweifel die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen eher restriktiv handhaben. Das ist nicht unbedingt zum Vorteil der Parteien, aber bis zu einer etwaigen klarstellenden Gesetzesänderung die notwendige Konsequenz aus der restriktiven Rechtsprechung. In Zweifelsfällen ist jedenfalls fachkundige Beratung sinnvoll.

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