Arbeitsrecht

Reisezeiten vor vereinbartem Vertragsbeginn sind keine Arbeitszeit

Die zulässige Höchstdauer einer kalendermäßigen Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines Sachgrundes von zwei Jahren betrifft den Zeitrahmen für das Arbeitsverhältnis, nicht die Zeit vom Vertragsschluss bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses.

BAG, Urteil vom 28. April 2021 – 7 AZR 212/20

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund Befristung. Die Parteien schlossen einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag. Das Arbeitsverhältnis sollte „zum 5. September“ beginnen. Der Arbeitnehmer reiste am 4. September 2016 für eine am nächsten Tag beginnende Schulung an. Das zeigte er dem Arbeitgeber mit E-Mail vom 3. September 2016 an. Der Arbeitgeber übernahm die Reisekosten. Nach einer weiteren Schulung wurde das Arbeitsverhältnis um ein weiteres halbes Jahr ohne Sachgrund befristet gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG fortgesetzt. Das Arbeitsverhältnis sollte durch Befristung mit Ablauf des 4. September 2018 enden.

Entscheidung des BAG

Das Arbeitsgericht hat der Entfristungsklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen. Die Revision vor dem BAG war begründet.

Die sachgrundlose Befristung ist wirksam. Sie ist nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt. Die zulässige Höchstdauer von zwei Jahren ist nicht überschritten. Maßgeblich dafür ist der Zeitrahmen, nicht die Zeit vom Vertragsschluss bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Aus dem Umstand, dass betrieblich veranlasste Reisezeiten bei bereits bestehendem Arbeitsverhältnis regelmäßig vergütungs­pflich­tige Arbeitszeit sind, folgt nicht, dass die Anreise des Klägers zu der Schulung nur auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsverhältnisses möglich war. Nach Auffassung des BAG habe das LAG verkannt, dass sowohl die Leistungs­erbringung des späteren Arbeitnehmers als auch die Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten durch den späteren Arbeitgeber nicht nur im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis möglich ist.

Gleiss Lutz kommentiert

Die Anreise zu einem Lehrgang begründet kein Arbeitsverhältnis, wenn dies nicht ausdrücklich von den Parteien gewünscht ist. Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern vor vertraglich vereinbartem Beginn eines befristeten Arbeitsverhältnisses Schulungen anbieten möchten, sollten dennoch jedenfalls bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen klarstellen, dass eine verfrühte Anreise keinen früheren Vertragsbeginn nach sich zieht.

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