Arbeitsrecht

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Zuteilung von Aktienoptionen

Gibt eine Konzernobergesellschaft Aktienoptionen an die Arbeitnehmer eines konzernangehörigen Betriebs aus, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn es an einer eigenen Handlung oder Einflussnahme der Arbeitgeberin fehlt. Es besteht auch keine Pflicht der Arbeitgeberin, die Konzernobergesellschaft bei der Zuteilung der Aktienoptionen umfassend zu überwachen.

BAG, Beschluss vom 12. Juni 2019 – 1 ABR 57/17

Streit über die zwingende Mitbestimmung bei der betrieblichen Lohngestaltung

Die Parteien streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Zuteilung von Aktienoptionen durch die ausländische herrschende Konzernobergesellschaft. Bei der Konzernobergesellschaft war ein Vergütungsausschuss gebildet worden, der jährlich entschied, ob und welchen im Konzern beschäftigten Arbeitnehmern wie viele Aktienoptionen zugeteilt werden. Die Arbeitsverträge der bei der deutschen Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer regelten nicht die Gewährung dieser Optionen. Bis zum Jahr 2014 unterbreitete die Arbeitgeberin der Konzernobergesellschaft Vorschläge über die zu berücksichtigenden Arbeitnehmer und den Wert der zuzuteilenden Aktienoptionen. Ab dem Jahr 2015 entfiel dieses Vorschlagsrecht der Arbeitgeberin gegenüber der Konzernobergesellschaft.

Der Betriebsrat meint, ihm stünde bei der Zuteilung der Aktienoptionen durch die Konzernobergesellschaft an die Arbeitnehmer der deutschen Arbeitgeberin ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Es könne nicht von einer unbeteiligten Rolle der deutschen Arbeitgeberin bei der Zuteilung der Aktienoptionen ausgegangen werden. Zur Vermeidung von Schutzlücken sei die zwingende Mitbestimmung geboten.

Entscheidung des BAG

Nachdem das Arbeitsgericht Offenbach den Antrag abgewiesen und das Hessische Landesarbeitsgericht die Beschwerde zurückgewiesen hatte, blieb auch die Rechtsbeschwerde erfolglos. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Entscheidung der Konzernobergesellschaft, welchen Arbeitnehmern und nach welchen Kriterien Aktienoptionen gewährt werden.

Keine Teilhabe an Vergütungsentscheidungen der Konzernobergesellschaft

Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sei die gleichberechtigte Teilhabe der Arbeitnehmer an den Vergütungsentscheidungen des Arbeitgebers. Hieran fehle es, weil der Arbeitgeber weder eine eigene Entscheidung treffe, noch wenigstens an der Entscheidung durch die Konzernobergesellschaft mitwirke. Die Konzernobergesellschaft entscheide über die Zuteilung der Aktienoptionen allein, sodass eine eigene Handlung der Arbeitgeberin als Anknüpfungspunkt eines Mitbestimmungsrechts nicht vorliege. Anhaltspunkte für eine Einflussnahme der Arbeitgeberin auf die Zuteilung der Aktienoptionen bestünden nicht. Das gelte selbst dann, wenn der Vergütungsausschuss bei der Entscheidung über die Zuteilung der Aktienoptionen auf Leistungsbeurteilungen der Arbeitnehmer nach der bei der Arbeitgeberin geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung Personalmanagement und Entwicklung zurückgreife. Ferner ändere es nichts, wenn die Arbeitgeberin den mit den zugeteilten Aktienoptionen verbundenen geldwerten Vorteil abrechne und die hierauf anfallenden Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge abführe.

Außerdem bestehe keine Pflicht der Arbeitgeberin, auf die Verteilungsentscheidung und Vergabekriterien der Konzernobergesellschaft Einfluss zu nehmen. Eine solche Pflicht lasse sich nicht aus dem Diskriminierungsverbot des § 75 Abs. 1 BetrVG ableiten, weil sich diese Norm nur auf Maßnahmen und Entscheidungen des Arbeitgebers, nicht aber auf solche Dritter beziehe. Aus § 12 Abs. 4 AGG folge eine solche Pflicht ebenso wenig, da die Vergabe von Aktienoptionen durch die Konzernobergesellschaft keine Benachteiligung „bei Ausübung ihrer Tätigkeit“ darstelle.

Flexibilität bei der Lohngestaltung durch die Konzernobergesellschaft – Gleiss Lutz kommentiert

Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung bestand kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn die in Rede stehende Maßnahme nur von der Konzernobergesellschaft, nicht aber von der Arbeitgeberin als Tochtergesellschaft durchgeführt oder beeinflusst wird (vgl. BAG, Beschluss vom 21. November 2017 – 1 ABR 47/16). Diese Rechtsprechung hat das Gericht fortgeführt und auf Fragen der betrieblichen Lohngestaltung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG übertragen. Bemerkenswert ist der für die hiesige Entscheidung grundsätzlich überflüssige Zusatz, dies gelte auch, wenn die Konzernobergesellschaft auf Leistungsbeurteilungen der Arbeitgeberin zurückgreife. Offenbar erfordert ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eine eigene Handlung oder sonstige direkte Mitwirkung des Arbeitgebers bei mitbestimmungsrelevanten Sachverhalten. Ein mittelbarer Einfluss auf die Entscheidung genügt nicht. Die Entscheidung ermöglicht im Konzern flexiblere Gestaltungen der betrieblichen Lohngestaltung, ohne ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats der Tochtergesellschaft auszulösen.

Weiterleiten
Kompetenz