Arbeitsrecht

Mindestehedauer von zehn Jahren bei Hinterbliebenenversorgung ist unwirksam

Eine Regelung zum Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Todes des berechtigten Arbeitnehmers nicht mindestens zehn Jahre bestanden hat, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist daher wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.

BAG, Urteil vom 19. Februar 2019 – 3 AZR 150/18

Sachverhalt

Der im Jahr 1946 geborene Ehemann der klagenden Witwe war für die Beklagte bis 2005 tätig. Die Ehe mit der Klägerin wurde im Juli 2011 geschlossen. Die Beklagte zahlte dem im April 2015 verstorbenen Ehemann eine Betriebsrente in Höhe von zuletzt EUR 78,19 brutto monatlich.
Die Pensionszusage lautete auszugsweise wie folgt: „Im Fall des Todes des Berechtigten erhält seine Witwe 50% der Versorgungsleistungen, die der Berechtigte im Zeitpunkt seines Ablebens erhalten hat (…). Die Witwenrente entfällt, wenn a) im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten die Ehe nicht mindestens 10 Jahre bestanden hat, (…)“
Die Klägerin klagte – nachdem die Beklagte die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung unter Hinweis darauf, dass die Ehe nur vier Jahre Bestand hatte, abgelehnt hatte – auf Zahlung der Witwenrente in Höhe von monatlich EUR 39,10 brutto ab dem 1. Mai 2015. ArbG und LAG haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung des BAG  

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Nach Auffassung des 3. Senats ist der Ausschluss der Witwenversorgung, sofern die Ehe nicht mindestens zehn Jahre bestanden hat, wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam. Der Arbeitnehmer habe ein schützenswertes Interesse daran, dass das sich aus dem Näheverhältnis zu seinem Ehepartner ergebende typisierte Versorgungsinteresse entsprechend der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ohne das Erfordernis einer zehnjährigen Mindestdauer abgesichert sei. Das Erfordernis einer Mindestehedauer von zehn Jahren ist, so das BAG, auch nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt. Zwar habe der Arbeitgeber grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, sein mit der Zusage der Hinterbliebenenversorgung einhergehendes finanzielles Risiko zu begrenzen. Die Dauer einer Ehe beeinflusse aber gerade nicht das Risiko des Arbeitgebers, wie lange eine Hinterbliebenenversorgung zu bezahlen sei. Auch das grundsätzlich berechtigte Interesse des Arbeitgebers daran, sogenannte Versorgungsehen zu verhindern, führe nicht zu seinem überwiegenden Interesse. Zum Ausschluss kurzfristiger Versorgungsehen sei eine Mindestehe von zehn Jahren bei weitem nicht erforderlich. Rechtlich zulässig sei allenfalls eine Mindestehedauer von einem Jahr. Im Bereich der gesetzlichen Rente (§ 46 Abs. 2a SGB VI) und im Bereich der Beamtenversorgung (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG) habe der Gesetzgeber den Zeitraum von einem Jahr für ausreichend erachtet, um Versorgungsehen auszuschließen. Dieser Zeitraum markiere auch für Regelungen zur Mindestehedauer in Zusagen auf eine betriebliche Altersversorgung die äußere zeitliche Grenze. Da das BAG der Auffassung war, dass auch die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht vorlagen, gestand es den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu.

Gleiss Lutz Kommentar

Das BAG erteilt Mindesteheklauseln, die eine Ehedauer von mehr als einem Jahr als Voraussetzung für eine Hinterbliebenenversorgung vorsehen, eine eindeutige Absage. Arbeitgebern ist vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ein Compliance Check ihrer bestehenden Versorgungsordnungen zu empfehlen. Enthalten diese unwirksame Mindesteheklauseln, besteht ein zusätzliches Haftungsrisiko, für das jedenfalls entsprechende Rückstellungen zu bilden sind.

Arbeitgeber sollten sich verstärkt wirksamer Späteheregelungen oder Altersabstandsregelungen bedienen. So hat der 3. Senat jüngst eine Klausel gebilligt, wonach die Hinterbliebenenversorgung von Witwen und Witwern, die mehr als zehn Jahre jünger als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer sind, sich um 5% für jedes weitere Jahr des Altersunterschieds vermindert (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2018 – 3 AZR 400/17, Anm. Diller, ArbR Aktuell 2019, 95). Offen blieb dabei allerdings, ob eine entsprechende Regelung wegen einer unzulässigen Geschlechtsdiskriminierung unwirksam sein kann. Dafür, dass es häufiger Männer sind, die jüngere Frauen heiraten, als umgekehrt, führte die klagende Witwe keine ausreichenden statistischen Belege an. Fernliegend ist dies jedenfalls nicht und birgt damit ein zusätzliches Risiko. Die weitere Entwicklung bleibt hier abzuwarten.

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