Arbeitsrecht

Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Betriebsratsschulungen

Der Arbeitgeber hat grundsätzlich die sachlichen und persönlichen Kosten zu tragen, die mit der Tätigkeit des Betriebsrats einhergehen. Zu beachten ist dabei stets der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und Verhältnismäßigkeit. Das BAG konkretisiert nun die Reichweite der Kostentragungspflicht für Betriebsratsschulungen.

BAG, Beschluss vom 17. November 2021 – 7 ABR 27/20

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, den Betriebsrat von Schulungskosten für die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einem Grundlagenseminar freizustellen. Für die Teilnahme an der Schulung wurden dem Betriebsrat Gebühren i.H.v. EUR 831,81 und drei Tagespauschalen sowie Parkgebühren i.H.v. insgesamt EUR 233,98 in Rechnung gestellt. Die teilnehmenden Seminarteilnehmer erhielten im Rahmen der Schulung ein sog. „Starter-Set“, welches u.a. aus einem „Tablet für die Betriebsratsarbeit“, einem Handkommentar zum BetrVG und einem Taschenrechner (sog. Seminarbeigaben) bestand. Zudem konnten die Seminarteilnehmer eine kostenfreie anwaltliche Erstberatung in Anspruch nehmen. Eine Buchung des Seminars ohne das Starter Paket und die kostenfreie Erstberatung war bei dem ausgewählten Seminaranbieter nicht möglich. Andere Veranstalter, die auf entsprechende Seminarbeigaben verzichteten, boten vergleichbare Seminare nicht deutlich günstiger an. Die Arbeitgeberin lehnte die Kostenübernahme für die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds ab.

Der Betriebsrat behauptet, er habe sich für den Seminaranbieter entschieden, weil ihm dieser bekannt sei und er sich von ihm eine im Nachhinein bestätigte gute Schulungsqualität versprochen habe. Die Arbeitgeberin behauptet, die Beigaben des „Starter-Sets“ hätten bereits einen Wert von EUR 442,90 gehabt. Sie ist der Ansicht, die Kosten seien unverhältnismäßig hoch und nicht erforderlich gewesen.

Das ArbG Darmstadt und das LAG Hessen haben eine Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin bejaht.
 

Entscheidung des BAG

Der 7. Senat entschied ebenfalls zu Gunsten des Betriebsrats. Die Arbeitgeberin habe nach § 40 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten zu tragen. Hierzu würden auch jene Kosten gehören, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 VI BetrVG entstanden seien, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich sei. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme stehe dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu, der sich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung beziehe. Die Pflicht zur Kostentragung stehe dabei unter dem in § 2 I BetrVG normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, sodass der Betriebsrat verpflichtet sei, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halte. Der Betriebsrat dürfe die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nicht für erforderlich halten, wenn er sich vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen könne.

Unter Zugrundelegung dieser Aspekte habe der Betriebsrat nach Ansicht des BAG dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung getragen. So habe der Seminarpreis im Rahmen des Marktüblichen gelegen. Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums sei allenfalls anzunehmen, sofern die Seminarbeigaben die Höhe des Seminarpreises maßgeblich beeinflusst hätten. In Anbetracht des moderaten Seminarpreises lägen entsprechende Anzeichen nicht vor. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Teilnahme an der Schulung auch ohne das Versprechen von Seminarbeigaben erfolgt wäre.

Das BAG ließ ausdrücklich offen, ob das Betriebsratsmitglied durch die mit der Schulungsmaßnahme verbundene Zusage kostenloser Seminarbeigaben nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässig begünstigt worden sei.  Eine Nichtigkeit dieser Zusage führe aber jedenfalls nicht grundsätzlich zur Nichtigkeit des gesamten Schulungsvertrags. Im Streitfall sei vielmehr davon auszugehen, dass die Teilnahme an der Schulung auch ohne das Versprechen von Seminarbeigaben vereinbart worden wäre.

Ferner habe der Betriebsrat die erstattungsfähige Seminargebühr ausreichend nachgewiesen. Eine Aufschlüsselung der Kostenrechnung für die Schulungsteilnahme sei nicht notwendig. Grundsätzlich müsse sich aus den vorgelegten Rechnungen zwar ergeben, welche unter die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers fallenden Leistungen der Schulungsveranstalter erbracht habe und welche Preise für diese Leistungen angefallen wären. Werden die Seminargebühren aber als Pauschalpreis in Rechnung gestellt, so genüge grundsätzlich die Angabe des vereinbarten Betrags und ein Hinweis auf die Pauschalierung.

 

Gleiss Lutz kommentiert

Der 7. Senat konkretisiert mit der vorliegenden Entscheidung die bisherige mittlerweile gefestigte Rechtsprechung zur Kostentragungspflicht des Arbeitgebers. Im Ergebnis hat der Arbeitgeber Kosten für Schulungsmaßnahmen des Betriebsrats zu ersetzen, wenn die Kosten erforderlich und angemessen sind. Dem Betriebsrat kommt im Rahmen der Kostenentscheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Etwaige Seminarbeigaben schließen auch in größerem Umfang eine Kostenerstattungspflicht des Arbeitgebers nicht aus. Vielmehr sind weiterhin die Umstände des Einzelfalls, insbesondere etwaige vergleichbare Schulungsangebote im Rahmen der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen.

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