Kartellrecht

Der Koalitionsvertrag 2018 – Wettbewerbs- und Kartellrecht

Wettbewerbs- und Kartellrecht: Digitalisierung und Plattformmärkte

Welche Änderungen sieht der Koalitionsvertrag in der Gesetzgebung vor?

  • Gleich an mehreren Stellen kündigt der Koalitionsvertrag eine Modernisierung des Kartellrechts an und gibt die Zielsetzung aus, verlässliche Regelungen für die deutsche und europäische Digitalwirtschaft zu schaffen sowie deren globale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Zu diesem Zweck soll u.a. eine Kommission „Wettbewerbsrecht 4.0“ Reformvorschläge erarbeiten, die die rechtlichen Voraussetzungen für den Aufbau deutscher und europäischer Digitalkonzerne mit globaler Relevanz schaffen sollen. Darüber hinaus wird die Einrichtung einer „Digitalagentur“ geprüft, die die Regierung in Fragen der Plattformregulierung und Marktbeobachtung unterstützen soll.
     
  • Zugleich werden neben einer Neufassung der Marktabgrenzung im Bereich der Digitalwirtschaft verstärkte wettbewerbsrechtliche Kontrollen digitaler Plattformmärkte angekündigt. Zu diesem Zweck soll insbesondere für eine Beschleunigung wettbewerbsrechtlicher Verfahren gesorgt werden, etwa indem die Möglichkeiten des Bundeskartellamts erweitert werden, bei drohenden irreparablen Schäden für den Wettbewerb einstweilige Maßnahmen zu ergreifen.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Unternehmen?

  • Mit dem angekündigten Reformkurs in Sachen Wettbewerbsrecht 4.0 bekennen sich die Koalitionspartner zu den schon bislang unter dem Wirtschaft „4.0“-Label begonnenen Anstrengungen zur Modernisierung des Kartellrechts. Wie die im vergangenen Juni in Kraft getretene neunte GWB-Novelle belegt, sind diese Ankündigungen durchaus ernst zu nehmen. Freilich bleibt abzuwarten, inwieweit konkrete Reformvorschläge tatsächlich geeignet sind, um einen Beitrag zur Stärkung der hiesigen Digitalwirtschaft zu leisten. Ebenfalls noch sehr unklar ist auch der Fokus der angekündigten „Digitalagentur“ und mögliche Auswirkungen auf Unternehmen (Sichtwort: Mitwirkungspflichten bei Marktuntersuchungen etc.). Letztlich dürften die Gestaltungsspielräume des nationalen Gesetzgebers im Bereich des Kartellrechts begrenzt bleiben, denn im EU-Recht gilt bekanntlich der Vorrang des Unionsrechts. Hier ist vor allem der sich in der Brüsseler Gesetzgebungspipeline befindende Richtlinienvorschlag „ECNplus“ zu beachten, mit dem eine Harmonisierung des Kartellverfahrensrechts angestrebt wird. Eine künftige Bundesregierung wird sich in diesem Rahmen halten müssen.
     
  • Offen bleibt, auf welche konkreten Folgen sich die Betreiber von digitalen Plattformen einstellen müssen. Hier ist zwar, parallel zu den bestehenden Aktivitäten der Europäischen Kommission, auch in Deutschland mit einer verstärkten Marktbeobachtung großer Plattformunternehmen zu rechnen. Das hierfür zuständige Bundeskartellamt agiert jedoch unabhängig. Zudem dürfte vor dem Hintergrund einer Vielzahl bereits „durch Brüssel“ betriebenen Verfahren die deutsche Initiative aus Sicht der betroffenen Unternehmen nur begrenzt weiteres Drohpotential entfalten. Zwar steht es dem Bundeskartellamt im Bereich der Marktmissbrauchsaufsicht grundsätzlich frei, Verfahren und Marktuntersuchungen parallel zu denen der Kommission anzustrengen (und dabei auch vereinzelt strengere Maßstäbe anzulegen). Ob die deutschen – wie gesagt: unabhängigen - Wettbewerbshüter dabei aber tatsächlich in Konkurrenz zu den Brüsseler Kollegen treten (und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen) bleibt angesichts des Abstimmungs- und Kooperationsmechanismus im European Competition Network (ECN) zu bezweifeln. Darüber hinaus dürfte eine Vielzahl der relevanten Fälle im Bereich der Zusammenschlusskontrolle ohnehin aufgrund der europäischen Anmeldeschwellen dem deutschen Zugriff entzogen sein. Schließlich sind auch im weiten Feld möglicher Kooperationen zwischen Digitalunternehmen (Stichwort: Big Data etc.) die nationalen Spielräume dadurch deutlich eingeschränkt, dass das Vorgehen der Wettbewerbsbehörden dem Europäischen Recht nicht widersprechen darf – auch hier dürfte in erster Linie die Kommission am Ruder bleiben.
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