Arbeitsrecht

Kein Anspruch des Vorstandsmitglieds auf Zahlung einer variablen Vergütung

Die Vereinbarung in dem Dienstvertrag des Vorstands einer Aktiengesellschaft, nach der der Aufsichtsrat ihm Sonderleistungen nach billigem Ermessen bewilligen kann, es sich dabei um freiwillige Zuwendungen handelt und aus ihnen kein Rechtsanspruch abgeleitet werden kann, begründet keinen Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung (amtl. Leitsatz).

BGH, Urteil vom 24. September 2019 – II ZR 192/18

Flexibilisierung von Vergütungsansprüchen bei Arbeitnehmern und Vorstandsmitgliedern

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs befasst sich mit der Flexibilisierung der variablen Vergütung eines Vorstandsmitglieds. Sie bietet Anlass, sich zunächst noch einmal vor Augen zu führen, dass das Bundesarbeitsgericht der Flexibilisierung von Vergütungsansprüchen bei Arbeitnehmern grundsätzlich kritisch gegenübersteht. So müssen insbesondere Freiwilligkeitsvorbehalte in Arbeitsverträgen, die das Ziel haben, den Arbeitgeber nicht zur Zahlung zu verpflichten, transparent sein (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt ist in der arbeitsrechtlichen Praxis daher nur schwer zu formulieren. Geringere Hürden bestehen bei einer Gestaltung, wonach der Arbeitgeber zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf eine bestimmte Sonderzahlung gewährt, die Höhe aber als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB ausgestaltet ist. Zur Flexibilisierung von Vergütungsansprüchen bei Vorstandsmitgliedern und insbesondere der Frage, inwieweit die §§ 305 ff. BGB der Vertragsgestaltung Grenzen setzen, gab es bislang keine handfesten Vorgaben der Rechtsprechung.

Klage eines Vorstandsmitglieds auf variable Vergütung

Der Kläger ist ehemaliges Vorstandsmitglied der beklagten Aktiengesellschaft und klagt auf eine variable Vergütung für das Jahr 2011. Der Kläger war zunächst als Arbeitnehmer auf Basis eines Arbeitsvertrags bei der Beklagten tätig und wurde später zum Vorstandsmitglied bestellt. Am 18. Juni 2010 schlossen die Parteien einen Dienstvertrag als Vorstandsmitglied. Dieser enthielt die Regelung, dass der Aufsichtsrat nach billigem Ermessen zusätzlich zum Jahresgrundgehalt Sonderleistungen, Gratifikationen oder ähnliches einmalig oder wiederholt gewähren könne und es sich bei diesen Sonderleistungen in jedem Fall um freiwillige Zuwendungen handele, aus denen kein Rechtsanspruch abgeleitet werden könne. Für das Jahr 2010 erhielt der Kläger eine Vergütung von insgesamt USD 1,2 Mio., die sich aus der Jahresgrundvergütung von EUR 325.000 und einer variablen Vergütung zusammensetzte. Am 31. März 2011 kündigte der Kläger das Dienstverhältnis zum 30. September 2011, um zu einer Wettbewerberin zu wechseln. Sein Amt legte er vorzeitig nieder und wurde von der Gesellschaft ab 20. Mai 2011 freigestellt. Der Kläger begehrt zuletzt einen Bonus für 2011 nach Ermessen des Gerichts, jedoch von mindestens EUR 600.000. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 500.000.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof gab der Revision der Beklagten statt und wies die Klage insgesamt ab. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung für das Jahr 2011. Die Regelung zur variablen Vergütung im Vorstandsdienstvertrag begründe keinen Anspruch einer variablen Vergütung und halte der AGB-Kontrolle stand. Gegen einen Anspruch spreche zunächst der Wortlaut („kann … gewähren“). Ferner verdeutlichen die weiteren Regelungen zur Freiwilligkeit und zum Fehlen eines Rechtsanspruchs, dass es keinen durchsetzbaren Anspruch auf eine variable Vergütung geben solle. Die Regelung solle auch keinen Billigkeitsanspruch geben. Eine solche Regelung halte der Wirksamkeitskontrolle nach §§ 305 ff. BGB stand. Auch wenn die Regelungen zur Freiwilligkeit und zum Fehlen eines Rechtsanspruchs vollständig gestrichen würden, bliebe es beim Grundsatz, dass die Klausel von vornherein keinen Anspruch auf einen Ermessensbonus zusage. Entgegenstehende Rechtsprechung des BAG lasse sich auf Vorstandsdienstverträge nicht übertragen, da erhebliche Unterschiede bestünden. Dass die variable Vergütung in das freie Ermessen des Aufsichtsrats gestellt würde, benachteilige den Kläger auch nicht unter Berücksichtigung der aktienrechtlichen Vorgaben nach § 87 AktG. § 87 AktG sei kein dispositives Vertragsrecht, aus dem ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung hergeleitet werden könne. Vielmehr handele es sich um Aufsichtsrecht. § 87 AktG schränke das Ermessen des Aufsichtsrats bei Abschluss der zivilrechtlichen Vergütungsabreden ein, ohne deren Unwirksamkeit unmittelbar zu berühren.

Gleiss Lutz kommentiert

Der Bundesgerichtshof äußert sich in dieser Entscheidung erstmals zu sehr praxisrelevanten Fragen der Vergütungsgestaltung für Vorstandsmitglieder. Dabei ist insbesondere wichtig, dass der Bundesgerichtshof bei der Flexibilisierung der Vergütung von Vorstandsmitgliedern deutlich großzügiger ist als das Bundesarbeitsgericht bei Arbeitnehmern und der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung auch explizit von der des Bundesarbeitsgerichts abgrenzt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kann der Dienstvertrag eines Vorstandsmitglieds so formuliert sein, dass die Gewährung einer variablen Vergütung und deren Höhe in das freie Ermessen des Aufsichtsrats gestellt werden. Hierzu muss die Gesellschaft einen Anspruch auf die variable Vergütung von vornherein ausschließen und klarstellen, dass durch die Gewährung von variabler Vergütung kein Rechtsanspruch entsteht. Insbesondere ist darauf zu achten, dass nicht nur ein Anspruch auf eine Entscheidung nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) begründet wird. In diesem Fall war ausreichend, dass die Klausel nur die Möglichkeit der Gewährung einer variablen Vergütung, aber nicht eine entsprechende Pflicht für den Aufsichtsrat enthielt („kann … gewähren“).

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