Arbeitsrecht

Kein Annahmeverzugslohn trotz Maskenbefreiungsattest

Kann ein Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht mehr nachkommen, weil er aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen kann, hat er keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Der Arbeitgeber muss die Arbeitspflicht nicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers bestimmen.

LAG Hamburg, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 7 Sa 23/21

Sachverhalt

Die Parteien streiten u.a. über die Zahlung von Annahmeverzugslohn. Die Beklagte hatte den Kläger, Finanzberater bei einem Geldinstitut, dazu aufgefordert, eine Mund-Nasen-Bedeckung anzulegen. Das verweigerte der Kläger und übersandte dem Betriebsarzt der Beklagten ein „Ärztliches Attest zur Maskenbefreiung“, in dem es hieß:

„Nach Anamnese und Untersuchung in meiner Praxis stelle ich hiermit fest: Der o. g. Patient ist wegen einer Grunderkrankung vom Tragen einer mechanischen Mund-Nasen-Bedeckung im Rahmen der Corona-Verordnungen befreit, weil diese für ihn kontraindiziert ist. Es besteht ein Psychotrauma aus der Kindheit im 7. Lebensjahr. Die Maske führt im Rahmen einer PTBS zu Retraumatisierungen.“

Der Betriebsarzt teilte der Beklagten darauf hin, dass der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Der Kläger schlug der Beklagten vor, ihn an einem anderen Standort mit Einzelbüro, Nebeneingang und eigenen sanitären Anlagen zu beschäftigen. Die Beklagte folgte dem nicht, sondern teilte dem Kläger mit, dass derzeit kein Arbeitsplatz zur Verfügung stände, auf dem er ohne Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung tätig werden könne. Sie werde ihm keine Vergütung mehr zahlen. Der Kläger machte geltend, die Beklagte habe ihm keinen für ihn geeigneten Arbeitsplatz zugewiesen; er hätte in einem Einzelbüro oder vom Home-Office aus tätig werden können.

Entscheidung des LAG Hamburg

Das Arbeitsgericht Hamburg sprach dem Kläger zunächst Annahmeverzugslohn zu. Dieses Urteil hob das LAG Hamburg auf. Das von der Beklagten ausgeübte Direktionsrecht in Bezug auf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei rechtmäßig gewesen. Die so konkretisierte Arbeitsleistung habe der Kläger der Beklagten nicht nach § 294 BGB angeboten. § 296 BGB stehe dem nicht entgegen. Die danach vorzunehmende Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers bestehe darin, dem Arbeitnehmer überhaupt eine Arbeitsmöglichkeit zu eröffnen, den Arbeitsablauf fortlaufend zu planen und die Arbeitsmittel bereitzustellen. Aus § 296 BGB lasse sich aber keine Verpflichtung des Arbeitgebers herleiten, die von ihm zunächst wirksam konkretisierte Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers neu zu bestimmen.

Gleiss Lutz kommentiert

Das Urteil des LAG Hamburg schließt sich einem Urteil des LAG Köln (12. April 2021 – 2 SaGa 1/21) an, wonach die Anordnung einer Maskenpflicht regelmäßig durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 S. 1 GewO gedeckt ist. Anspruch auf Annahmeverzugslohn besteht nach einem Urteil des BAG (12. Juli 2021 – 5 AZR 543/20) zudem nur dann, wenn der Arbeitnehmer leistungsfähig ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Arbeitgeber.

Arbeitgeber können dennoch nicht aufatmen: Unterlässt es der Arbeitgeber schuldhaft, dem Arbeitnehmer eine leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen, kann dies einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Pflichten aus § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 und/oder Nr. 5 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 und/oder Nr. 5 SGB IX begründen. Ein solcher Schadensersatz war hier nicht eingeklagt.

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