Arbeitsrecht

Jahresrückblick 2019 – Von Crowdworkern, Paketboten und Bademeistern

Das Jahr 2020, und mit ihm das neue Jahrzehnt, ist mittlerweile wenige Wochen alt. Dies gibt Anlass für einen arbeitsrechtlichen Rückblick auf das vergangene Jahr. Welche Fälle hatte die Praxis 2019 zu bieten und wie hat die Rechtsprechung diese entschieden? Welchen Themen hat sich der Gesetzgeber in den letzten 12 Monaten angenommen? Und was erwartet uns im Jahr 2020?

Rechtsprechung und Gesetzgebung im Jahr 2019

Mit Themen wie Vergütung und Urlaub über Befristungs- sowie Mitbestimmungsfragen bis hin zu Aspekten des Betriebsübergangs oder der Kündigung war im letzten Jahr ein buntes Spektrum klassischer, arbeitsrechtlicher Fragen vertreten. Aber auch hochmoderne Themen wie mobiles Arbeiten, Crowdwork oder digitale Krankmeldung standen im Fokus von Rechtsprechung und Gesetzgebung.

Rechtsprechung in 2019

Das Bundesarbeitsgericht hat 2019 mehrmals seine bisherige Rechtsprechung geändert. So begann das Jahr bereits mit einer, durch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts veranlassten, Korrektur der Rechtsprechung zur Vorbeschäftigung bei einer sachgrundlosen Befristung (Urteil vom 23.1.2019 – 7 AZR 733/16, dazu Gleiss Lutz-Beitrag "Sachgrundlose Befristung auch bei mehrjährig zurückliegender Vorbeschäftigung unzulässig"). Das Vorbeschäftigungsverbot nach
§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG beschäftigte das Bundesarbeitsgericht ein halbes Jahr später erneut (Urteil vom 21.8.2019 – 7 AZR 452/17, dazu Gleiss Lutz-Beitrag "Sachgrundlose Befristung bei 22 Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung").

Ebenfalls entgegen ihrer bisherigen Rechtsauffassung haben die Erfurter Arbeitsrichter im März entschieden, dass während des Zeitraums eines unbezahlten Sonderurlaubs kein Urlaubsanspruch bestehe (Urteil vom 19.3.2019 – 9 AZR 315/17, dazu Gleiss Lutz-Beitrag "Kein gesetzlicher Urlaubsanspruch bei unbezahltem Sonderurlaub"). Das Thema Urlaub zog sich insgesamt durch das Jahr des Bundesarbeitsgerichts (siehe u. a. Gleiss Lutz-Beiträge "Kein Urlaubsanspruch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit" und "Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Gewährung von vertraglichem Mehrurlaub"). Gegenstand war z. B. der Anspruch der Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung (Urteil vom 22.1.2019 – 9 AZR 45/16). Auch mit diesem Urteil änderte das Gericht seine bisherige Rechtsprechung – diesmal anknüpfend an Urteile des Europäischen Gerichtshofs.

Im November haben sich die Bundesarbeitsrichter dann allerdings auf „neues Terrain“ begeben und entschieden, dass im Falle des Saisonarbeitsverhältnisses eines Bademeisters nicht jeweils befristete Arbeitsverträge für April bis Oktober geschlossen worden seien, sondern insgesamt ein unbefristeter Arbeitsvertrag mit der Besonderheit der Begrenzung der Arbeits- und Vergütungspflicht auf die jeweilige Saison – quasi ein „begrenztes“ Arbeitsverhältnis (Urteil vom 19.11.2019 – 7 AZR 582/17, dazu Gleiss Lutz-Beitrag "Sprung ins kalte Wasser – Das BAG zum „begrenzten“ Arbeitsverhältnis eines Bademeisters").

Erwähnenswert ist zudem eine im Dezember ergangene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München zur neuen Arbeitsform Crowdwork. Im konkreten Fall, dem eine Basisvereinbarung zu Grunde lag, die keinerlei Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen enthielt, verneinten die Richter das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Betreiber der Internetplattform und dem Crowdworker (Urteil vom 4.12.2019 – 8 Sa 146/19). Wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles ließ das Landesarbeitsgericht jedoch die Revision zu. Ob der unterlegene Kläger den Weg in die dritte Instanz nach Erfurt gehen wird, steht bislang noch aus.

Gesetzgebung in 2019

Auch für den Gesetzgeber begann das Jahr 2019 mit Fragen des Befristungsrechts, insbesondere der Einführung der „Brückenteilzeit“ nach § 9a TzBfG (BGBl. 2018 I
S. 2384, dazu Gleiss Lutz-Beitrag "Befristeter Teilzeitanspruch für alle"). Einige Monate später trat nach langer politischer Debatte im April das Geschäftsgeheimnisgesetz in Kraft (BGBl. I S. 466, dazu Gleiss Lutz-Beitrag "Geschäftsgeheimnisgesetz ist in Kraft getreten"). Mit dem Dritten Bürokratieentlastungsgesetz, das den „gelben Zettel“ für die Arbeitsunfähigkeit (zumindest teilweise) abschafft, hat der Gesetzgeber im Oktober den Weg zur digitalen Krankmeldung geebnet (BGBl. I S. 1746, dazu Gleiss Lutz-Beitrag "Drittes Bürokratieentlastungsgesetz – Auf dem Weg zur digitalen Krankmeldung").

Kurz vor Jahresende wurde das Paketboten-Schutz-Gesetz verabschiedet (BGBl. I
S. 1602). Hinter dem bürokratisch anmutenden Begriff verbirgt sich die Ausweitung der bisher u. a. in der Bauwirtschaft existierenden Nachunternehmerhaftung auf die Paketbranche. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Auslagerung von Aufträgen an Subunternehmer, die häufig mit Schwarzarbeit bzw. Sozialversicherungsbetrug einhergeht, bezweckt das Gesetz mit der Statuierung einer Haftung des Paketdienstes für seine Nachunternehmer eine korrekte Abführung der Sozialversicherungsbeiträge.

Ausblick auf 2020

Fragen der Digitalisierung und des Wandels der Arbeitswelt standen im letzten Jahr erneut auf der Tagesordnung. Abseits dieser modernen Themen, haben sich sowohl Rechtsprechung als auch Gesetzgebung aber auch diversen traditionellen Aspekten des Arbeitsverhältnisses gewidmet. Die Thematik der voranschreitenden Digitalisierung hat sich die Bundesregierung auch für das Jahr 2020 auf die Fahne geschrieben. Kaum dass der Zukunftsdialog „Neue Arbeit – Neue Sicherheit“ in Form des im September 2019 erschienenen Ergebnisberichts seinen Abschluss gefunden hat, widmet sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits einem neuen Dialogformat. Die „Zukunftswerkstatt #Arbeitswelt2025“ soll sich vor allem den Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen annehmen. Davon abgesehen, steht bereits ein Viertes Bürokratieentlastungsgesetz „in den Startlöchern“. Auch das Bundesarbeitsgericht wird sich mit digitalen Themen befassen, z. B. mit der Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats beim Betreiben eines Twitteraccounts durch den Arbeitgeber (anhängig unter Az. 1 ABR 40/18). Man darf also insbesondere im Bereich Arbeitsrecht 4.0 auf die kommenden Monate gespannt sein.

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