Energie & Infrastruktur

Rechtsüberblick zur Gas- und Wärmepreisbremse sowie der Dezember Soforthilfe

Um die steigenden Energiekosten einzugrenzen, hat der Bundestag am 15. Dezember 2022 die Einführung der Gas- und Wärmepreisbremse beschlossen. Ergänzend greift für den Dezember 2022 eine Soforthilfe. Von den Förderungen profitieren auch Unternehmen.

Im Folgenden sollen wesentliche Fragestellungen beantwortet werden:

 

I. Welche rechtlichen Regelungen verbergen sich hinter der Gas- und Wärmepreisbremse?

Stufe 1: In einem ersten Schritt hat der Bundestag am 10. November 2022 das Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz („EWSG“) beschlossen, das am 19. November2022 in Kraft getreten ist. Haushaltskunden sowie Unternehmen mit einem Jahresverbrauch bis zu 1,5 Mio. kWh werden im Gas- und Wärmebereich mit einer Soforthilfe im Monat Dezember 2022 entlastet. Damit soll die Zeit bis zum Inkrafttreten der Gas- und Wärmepreisbremse überbrückt werden.

Stufe 2: In einem zweiten Schritt wurde nun die Gas- und Wärmepreisbremse durch das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz („EWPBG“) eingeführt. Für KMU mit geringen bis mittleren Gasverbräuchen gilt die Preisbremse erst ab März 2023, soll aber rückwirkend auch auf die Monate Januar und Februar 2023 angewendet werden. Für industrielle Gas- und Wärmekunden greift die Preisbremse schon ab Januar 2023 (im Folgenden einheitlich „Industrie“).

 

II. Wer ist anspruchsberechtigt?

1. Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz

Die Soforthilfe richtet sich an Letztverbraucher von Erdgas, also an natürliche oder juristische Personen, die Erdgas für den eigenen Verbrauch beziehen. Es erhalten Unternehmen die Soforthilfe, deren Gasverbrauch über Standardlastprofile („SLP“) abgerechnet wird oder bei registrierender Leistungsmessung („RLM“), wenn (nicht: soweit) der Jahresverbrauch pro Entnahmestelle nicht mehr als 1,5 Mio. kWh beträgt. Diese Begrenzung wurde gewählt, da RLM-Kunden jenseits dieser Verbräuche regelmäßig der Industrie zuzuordnen sind, die auf Stufe 1 nicht gefördert werden soll. Ausgenommen von der Soforthilfe sind ferner Letztverbraucher, die das Erdgas für den kommerziellen Betrieb von Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen verwenden, sodass insbesondere Stromerzeugungskraftwerke von der Soforthilfe ausgeschlossen sind. Die Nutzung des Erdgases in einem sonstigen gewerblichen Zusammenhang (z.B. Heizen der Verkaufsräume) führt für sich genommen noch nicht zum Ausschluss von der Förderung.

Im Wärmebereich erhalten Kunden von Wärmeversorgungsunternehmen die Soforthilfe ebenfalls, wenn (nicht: soweit) ihr Jahresverbrauch 1,5 Mio. kWh (je Entnahmestelle) nicht übersteigt. Ausnahmsweise kann die Soforthilfe auch bei einem Überschreiten der Grenze bei besonders schutzwürdigen Verbrauchern greifen (z.B. bei Krankenhäusern).

2. Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes

Der persönliche Anwendungsbereich des EWPBG soll neben dem vom EWSG adressierten Personenkreis auch die Industrie erfassen. Auch Gas- bzw. Wärmekunden mit Jahresverbräuchen über 1,5 Mio. kWh partizipieren also an der Gas- und Wärmepreisbremse. Dieser Schwellenwert spielt aber auch hier eine Rolle, da unterschiedliche Fördersätze gelten (dazu IV.2). Eine Förderung der bereits auf Stufe 1 förderberechtigten Unternehmen hat nicht zur Voraussetzung, dass die Soforthilfe für den Dezember 2022 tatsächlich erhalten wurde.

 

III. Wie werden die Soforthilfe bzw. die Preisbremse geltend gemacht?

1. Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz

Der Erdgas- oder Wärmekunde muss keinen Antrag stellen, um die Förderung zu erhalten. Stattdessen sind die Versorger zur Gutschrift der Förderung gesetzlich verpflichtet. Am Beispiel der Soforthilfe für Erdgaskunden bedeutet dies, dass der Erdgaslieferant dem Gaskunden für jede seiner Entnahmestellen den Entlastungsbetrag gutschreiben muss. Die Gutschrift kann auf verschiedenem Wege mit den tatsächlichen vertraglichen Kosten verrechnet werden; (nur) SLP-Kunden erhalten eine vorläufige Leistung des Gaslieferanten, d.h. die Abschlagszahlung für den Dezember muss nicht geleistet werden. Die Förderung wird von der öffentlichen Hand finanziert, die Abwicklung im Verhältnis zu den Begünstigten erfolgt aber vollständig über die Versorger.

Obwohl grundsätzlich die Erdgaslieferanten verpflichtet sind, sollten Unternehmen ihre Berechtigung selbständig klären und den Vorgang aufmerksam begleiten, um bei Anwendungsfehlern der bürokratisch überlasteten Erdgaslieferanten schnell gegensteuern zu können. Wenn eine Abschlagszahlung für den Dezember bei SLP-Kunden entfällt, sollte darauf geachtet werden, dass eine Zahlung nicht unabsichtlich ausgelöst wird (z.B. weil ein Dauerauftrag nicht ausgesetzt wird).

RLM-Gaskunden müssen beachten, dass sie zum Erhalt der Soforthilfe eine gesteigerte Mitwirkungspflicht trifft, denn sie müssen ihren Versorgern bis zum 31. Dezember 2022 mitteilen, dass die Voraussetzungen einer Förderung vorliegen.

2. Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz

Die Förderung nach dem EWPBG folgt einem ähnlichen Mechanismus wie die Soforthilfe für Erdgaskunden. Auch hier wird ein vom Versorger zu ermittelnder Entlastungsbetrag dem Gas- oder Wärmekunden monatlich gutgeschrieben und es trifft RLM-Kunden eine gesteigerte Mitwirkungspflicht, denn sie müssen ihren Versorgern verschiedene Mitteilungen machen. Bestimmte Letztverbraucher trifft z.B. eine Mitteilungspflicht, wenn sie ausnahmsweise aus sanktionsrechtlichen Gründen oder weil sie selbst Energieerzeuger sind nicht anspruchsberechtigt sind. Eine Zusammenarbeit kann ausnahmsweise auch mit den Behörden erforderlich werden, vor allem zur Feststellung besonderer qualifizierter Förderberechtigungen.

Industrielle Großverbraucher beschaffen sich Erdgas oft nicht über Erdgaslieferanten, sondern direkt bei einem Großhändler, an der Börse oder auf außerbörslichen Handelsplattformen. Für solche Verbräuche findet eine Entlastung nicht im Verhältnis zu den Vertragspartnern im Energiemarkt statt. Stattdessen wird der Letztverbraucher selbst wie ein Erdgaslieferant gestellt und muss gegenüber der Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf Erstattung monatlicher Entlastungsbeträge geltend machen, auf den ein vierteljährlicher Vorauszahlungsanspruch besteht. In Konzernstrukturen ergeben sich weitere Besonderheiten. Ausnahmsweise kann daher doch eine Antragstellung erforderlich sein.

 

IV. Wie bemisst sich die Höhe der Förderung?

1. Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz

Die Förderhöhe ist im Gesetz nicht als absolute Zahl festgeschrieben, zielt aber im Ergebnis auf die Übernahme der Gaskosten für ein Zwölftel des Jahres 2022 und damit auf den Gasabschlag für den Dezember 2022. Im Bereich Gas wird nicht der tatsächliche Gasverbrauch im Dezember 2022 herangezogen, sondern auf ein Zwölftel des vom Gasversorger im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs (für SLP-Kunden) bzw. auf ein Zwölftel der gemessenen Netzentnahme von November 2021 bis einschließlich Oktober 2022 (für RLM-Kunden) abgestellt. Dieser Wert wird multipliziert mit dem zum Stichtag des 1. Dezember 2022 vertraglich vereinbarten Gaspreis (inkl. arbeitsbezogener und anderer für den Dezember 2022 anteilig anfallender Preiselemente).

Im Bereich Wärme erfolgt aufgrund anderer Vertragsstrukturen als bei leitungsgebundenem Erdgas die Entlastung für den Dezember 2022 durch eine pauschale Zahlung, die sich an der Höhe des im September 2022 gezahlten Abschlags bemisst.

2. Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz

Die Preisbremse soll mindestens für das gesamte Jahr 2023 gelten, eine Verlängerungsmöglichkeit des Anwendungszeitraums bis einschließlich April 2024 ist im Gesetz angelegt.

Das EWPBG sieht vor, dass für ein bestimmtes Kontingent der Gasverbrauchsmenge ein Gas-Brutto-Preis von 12 ct/kWh (Industrie: 7 ct/kWh) garantiert wird und eine monatliche Gutschrift des Entlastungsbetrages erfolgt. Das preisgedämpfte Kontingent beträgt 80 % des Jahresverbrauchs (Industrie: 70 %), den der Erdgaslieferant für die betroffene Entnahmestelle im Monat September 2022 prognostiziert. Für den Rest der Verbrauchsmenge oberhalb des Kontingents gilt der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis. Bei Wärme greift der gleiche Mechanismus. Der garantierte Wärme-Brutto-Preis liegt bei 9,5 ct/kWh brutto (Industrie: 7,5 ct/kWh netto) und das Kontingent beträgt 80 % des Jahresverbrauchs, den das Wärmeversorgungsunternehmen im Monat September 2022 prognostiziert hat, bzw. für die Industrie 70 % der Wärmemenge, die für den Zeitraum des Kalenderjahres 2021 an der betreffenden Entnahmestelle gemessen wurden.

Der erhaltene Entlastungsbetrag muss nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn der tatsächliche Verbrauch in der Jahresendabrechnung von der angenommenen Menge abweicht. Der Entlastungsbetrag wird aber zunächst unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt.

Zu beachten ist schließlich, dass für die Entlastungssumme nach dem EWPBG aus EU-beihilferechtlichen Gründen absolute und relative Höchstgrenzen gelten, die insgesamt (mehrere Entnahmestellen sind nicht getrennt zu betrachten) nicht überschritten werden dürfen. Die höchstzulässige Entlastungssumme bezieht sich auf alle staatlichen Beihilfen für Mehrkosten aufgrund der außergewöhnlich stark gestiegenen Energiepreise, bezieht also u.a. auch die Entlastungsbeträge der Strompreisbremse ein. Die Höchstgrenze liegt für reguläre Unternehmen bei 4 Mio. EUR (absolut) bzw. 50% der krisenbedingten Energiemehrkosten für reguläre Unternehmen. Letztverbraucher, deren besondere Betroffenheit von hohen Energiepreisen durch die noch zu bestimmende (Bundes-)Prüfbehörde (voraussichtlich BAFA) festgestellt wurde, können Förderungen bis zu 100 Mio. EUR bzw. 40% der krisenbedingten Energiemehrkosten erhalten. Wenn die Prüfbehörde zusätzlich die Energieintensivität feststellt, gelten weitere Besonderheiten. In bestimmten Fällen kann die Förderung bis zu 150 Mio. EUR bzw. 80% der krisenbedingten Energiemehrkosten betragen. Zur Einhaltung der Höchstgrenzen sind diverse bußgeldbewährte Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten gegenüber dem Lieferanten und der Prüfbehörde zu beachten.

 

V. Welche Rahmenbedingungen müssen beachtet werden?

Der Anspruch auf die Gutschrift des Entlastungsbetrags ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, wenn die dort geregelten Voraussetzungen erfüllt sind. Anders als bei den Corona-Hilfen ist die Förderung nicht von hinzutretenden Förderrichtlinien abhängig.

Das EWPBG sieht aber bereits selbst eine Reihe von Einschränkungen vor. Eine Förderung scheidet aus beihilferechtlichen Gründen aus, wenn EU-Sanktionen gegen das Unternehmen oder den mit ihm verbundenen Personen, Organisationen oder Einrichtungen verhängt sind. Der Erhalt von Entlastungen von über 2 Mio. EUR ist an eine Arbeitsplatzerhaltungspflicht gekoppelt. Nach langem Ringen hat der Bundestag schließlich auch ein eingeschränktes Boni- und Dividendenverbot beschlossen, die erst ab tatsächlicher Inanspruchnahme einer Entlastungssumme in Höhe von 25 Mio. Euro greifen. Ab dieser Grenze dürfen variable Vergütungsbestandteile und Erhöhungen des Festgehalts an Organe bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 nur ausbezahlt werden, wenn diese vor dem 1. Dezember 2022 vereinbart und beschlossen wurden. Bei Inanspruchnahme einer Entlastungssumme über 50 Mio. Euro ist generell die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile und Erhöhungen des Festgehalts an Organe sowie die Ausschüttung von Dividenden bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 ausgeschlossen.  

 

VI. Der europäische Gaspreisdeckel

Die Europäische Union arbeitet parallel an der Einführung eines unter den Mitgliedstaaten umstrittenen sog. Gaspreisdeckels. Die Europäische Kommission hat einen Entwurf für eine Verordnung zur Einführung eines Marktkorrekturmechanismus vorgelegt, über den die EU-Energieminister verhandeln. Der Marktpreiskorrekturmechanismus verfolgt einen anderen Ansatz als das deutsche Modell der Gaspreisbremse. Während die Gaspreisbremse die Marktpreise hinnimmt und durch Förderungen beim Letztverbraucher abdämpfen will, stellt der Gaspreisdeckel einen direkten Eingriff in die Marktpreisentwicklung dar. So soll der Preis von Month-Ahead-Derivaten im Rahmen des TTF European Gas Spot Index vorübergehend auf 275 Euro begrenzt werden, falls die Preise zwei Wochen lang über diesem Schwellenwert liegen und einen im Voraus festgelegten Unterschied im Verhältnis zu den LNG-Preisen überschreiten. Beide Mechanismen können theoretisch nebeneinander existieren. Es ist bislang jedoch ungeklärt, wie sich zueinander verhalten werden und welche wirtschaftspolitischen Folgen die Einführung des Marktkorrekturmechanismus haben wird.

 

VII. Wo finden sich zusätzliche offizielle Informationen? 

Jenseits von Pressemitteilungen hat das BMWK eine knappe FAQ-Liste (Stand: 10.11.2022) betreffend die Dezember-Soforthilfe herausgegeben. Die FAQ-Liste ist unter diesem Link abrufbar (zuletzt abgerufen: 16.12.2022).

Zur Anwendung des EWPBG hat das BMWK eine FAQ-Liste (Stand: 15.12.2022) herausgegeben. Die FAQ-Liste ist unter dem diesem Link abrufbar (zuletzt abgerufen: 16.12.2022).

Die Gesetzesbegründungen, sowie die gesamten Beratungsverläufe zu den genannten Gesetzen können unter den folgenden Links abgerufen werden (zuletzt abgerufen: 16.12.2022):

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