Arbeitsrecht

Einsicht in Entgeltlisten nach dem Entgelttransparenzgesetz

Das im Entgelttransparenzgesetz normierte Recht des Betriebsausschusses, Bruttoentgeltlisten einzusehen und auszuwerten, setzt voraus, dass der Betriebsrat auch für die Beantwortung von Auskunftsansprüchen Beschäftigter zuständig ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber diese Aufgabe selbst erfüllt.

BAG, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 1 ABR 6/19

Auskunftsverlangen nach dem Entgelttransparenzgesetz

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) vom 30. Juni 2017 hat zum Ziel, die Entgeltgleichheit für Frauen und Männer durchzusetzen. Es enthält ein Verbot unmittelbarer und mittelbarer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts sowie ein Entgeltgleichheitsgebot. Zur Überprüfung der Entgeltgleichheit hält das Gesetz individuelle Auskunftsansprüche in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten vor.

Das Auskunftsverlangen ist grundsätzlich an den Betriebsrat zu richten. Abweichend davon kann der Betriebsrat die Verpflichtung auf den Arbeitgeber übertragen. Der Arbeitgeber kann auch seinerseits die Auskunftsverpflichtung an sich ziehen. Über eingehende Auskunftsverlangen und die Antworten muss der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend und rechtzeitig informieren. Den Beschäftigten ist mitzuteilen, wer die Auskunft erteilt hat.

Zur Erfüllung von Auskunftsverlangen hat der Arbeitgeber dem Betriebsausschuss Einblick in nach Geschlecht aufgeschlüsselte Bruttoentgeltlisten zu gewähren. Dem Betriebsausschuss wird gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG das Recht gewährt, zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG, insbesondere der Auskunftsverlangen, Bruttoentgeltlisten einzusehen und auszuwerten. 

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts

Da das EntgTranspG ein junges Gesetz ist, das erstmals einen individuellen Anspruch auf Auskunft über das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt beim Arbeitgeber beinhaltet, werden richtungsweisende Entscheidungen des BAG mit Spannung erwartet. Der Beschluss des BAG nimmt zum Verhältnis des Einsichts- und Auswertungsrechts des Betriebsausschusses zum Auskunftsverpflichteten Stellung.

Im zugrundeliegenden Fall hat die Arbeitgeberin, ein Telekommunikationsunternehmen mit mehr als 4.000 Beschäftigten, von der Option Gebrauch gemacht, die Auskunftsverpflichtung nach dem EntgTranspG selbst zu erfüllen. Sie unterrichtete den Betriebsrat über die eingegangenen Auskunftsverlangen und gewährte ihm Einblick in die Bruttoentgeltlisten. Der Betriebsrat verlangte, dass ihm die Bruttoentgeltlisten übergeben werden. Dieses Verlangen blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte den Antrag des Betriebsrats als unbegründet zurückgewiesen, weil das EntgTranspG dem Betriebsrat nur ein Einsichts- und Auswertungsrecht gewähre sowie spiegelbildlich den Arbeitgeber zur Gewährung von Einblick verpflichte, nicht aber einen Überlassungsanspruch beinhalte. Durch das EntgTranspG sei auch nicht außerhalb der Erteilung von Auskünften ein Anspruch des Betriebsrats auf Überlassung einer Bruttoentgeltliste entstanden, den es bisher nicht gab.

Das BAG geht noch über die Begründung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hinaus. Auf das Bestehen eines Überlassungsanspruchs komme es gar nicht an, weil bereits kein Einsichts- und Auswertungsrecht des Betriebsrats bestehe, wenn der Arbeitgeber die Auskunftsansprüche selbst erfüllt. Zwar kann der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben, z. B. der Überwachung, ob der Arbeitgeber die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchführt, jederzeit Einblick in die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Bruttoentgeltlisten nehmen (BAG vom 7. Mai 2019 – 1 ABR 53/17, besprochen von RA Dr. Steffen Krieger in ArbRAktuell 2019, 473). Die Aufgabe, die ihn dazu berechtigt, kann allerdings nicht die Beantwortung von Auskunftsverlangen nach dem EntgTranspG sein, wenn diese Aufgabe durch den Arbeitgeber und nicht durch den Betriebsrat erfüllt wird. Das BAG hat damit klargestellt, dass das Einsichts- und Auswertungsrechts des Betriebsrats mit der Aufgabe korrespondiert, Auskunftsverlangen zu beantworten.

Fazit

Das EntgTranspG gewährt dem Betriebsrat kein allgemeines Recht auf Einsicht in und Auswertung von Bruttoentgeltlisten. Ein solches Recht besteht im Rahmen von § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG nur dann, wenn der Betriebsrat auch die Auskunftsverpflichtung nach dem EntgTranspG innehat. Das BAG betont, dass es sich bei dem Recht auf Einsicht und Auswertung von Bruttoentgeltlisten um ein aufgabenbezogenes Recht handelt, das abhängig davon ist, dass der Betriebsrat auch Adressat eines individuellen Auskunftsverlangens nach dem EntgTranspG ist. Da im vorliegenden Fall der Betriebsrat mangels Zuständigkeit für Auskunftsverlangen schon kein Einsichtsrecht in Bruttoentgeltlisten nach dem EntgTranspG beanspruchen konnte, konnte das BAG offenlassen, ob das Einsichts- und Auswertungsrecht auch einen Anspruch auf Übergabe der Gehaltslisten gewährt.

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