Healthcare und Life Sciences

Das TSVG und seine Auswirkungen für strategische Investoren

Der Bundestag hat am 14.03.2019 das TSVG (Termin- und Versorgungsgesetz) verabschiedet, was für Private Equity-Unternehmen u.a. die Beteiligung an Zahnarzt-MVZ einschränkt. Dr. Enno Burk, Experte für Gesundheitsrecht, erläutert welche Konsequenzen die neuen Regelungen für strategische Investoren haben.

I. Ausgangssituation

  • Seit einer Gesetzesänderung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 (BGBl. I S. 1211) können in Deutschland medizinische Versorgungszentren (MVZ) betrieben werden, in denen ausschließlich Zahnärzte tätig sind.
  • Zur Gründung zahnärztlicher MVZ berechtigt sind
    • zugelassene Ärzte,
    • zugelassene Krankenhäuser im Sinne der Krankenhausplanung der Bundesländer
    • Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 SGB V
    • gemeinnützige Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen,
    • Kommunen.
  • Die meisten Zahnärzte in Deutschland sind in eigener Praxis tätig. Hierbei handelt es sich nicht um MVZ, sondern um Personengesellschaften, für die berufsrechtliche Beteiligungsschranken bestehen. Nur bestimmte Heilberufsangehörige können sich an diesen Praxen beteiligen. Für Investoren sind deshalb MVZ der bevorzugte Weg, eigene zahnärztliche Einrichtungen zu betreiben.
  • Die Gründung eines zahnärztlichen MVZ ist in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. 
  • Es ist nicht erforderlich, dass Zahnärzte Anteile an der MVZ-Trägergesellschaft halten.
  • Private Equity Unternehmen konnten so kleinere Plankrankenhäuser erwerben und hatten damit praktisch unbegrenzten Zugang zur vertragszahnärztlichen Versorgung durch Neugründung von MVZ bzw. Kauf vorhandener Zahnarztpraxen.
  • Eine Bedarfsplanung findet im zahnärztlichen Bereich nur eingeschränkt statt. Praktisch besteht weitestgehend Niederlassungsfreiheit.
  • Auch eine Beschränkung auf eine Höchstmenge an zahnärztlichen MVZ, die von einem Krankenhaus betrieben werden, bestand nicht, sodass sich Ketten herausgebildet haben.
  • Von 25 zahnmedizinischen MVZ Anfang 2016 stieg die Zahl mehr als 600 im 3. Quartal 2018 vor allem in größeren Städten oder Metropolregionen
  • Die Bundeszahnärztekammer forderte vom Gesetzgeber im Juni 2016, die Gründung von MVZ im vertragszahnärztlichen Bereich durch Fremdinvestoren und Fremdkapitalgeber zu beschränken.

II. Maßnahmen im Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 14.03.2018 (TSVG)

1. Neugründung von zahnärztlichen MVZ hängt vom Versorgungsgrad ab

  • Eine Neugründung von zahnärztlichen MVZ durch ein zugelassenes Krankenhaus in einem Planungsbereich einer der 17 Kassenzahnärztlichen Vereinigungen ist ausgeschlossen, wenn das Krankenhaus damit einen Versorgungsanteil von mehr als 10 % erhält.
  • In schlecht versorgten Planungsbereichen, bei denen der bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 % unterschritten wird, haben Krankenhäuser immer eine Mindestgründungsberechtigung für zahnärztliche MVZ mit insgesamt fünf Vertragsarztsitzen.
  • Darüber hinaus darf in besonders schlecht versorgten Planungsbereichen, bei denen der bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50% unterschritten wird, das Krankenhaus auch MVZ bis zu einem Höchstversorgungsanteil von 20 % gründen.
  • In überversorgten Planungsbereichen (d.h. insbesondere in urbanen Räumen) darf der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreiten. Denn hier besteht nur ein reduziertes Versorgungsbedürfnis.
  • Das TSVG soll im Mai 2019 in Kraft treten.

2. Ziel der Beschränkung

  • Der Gesetzgeber verspricht sich von der Regelung, dass Krankenhäuser zukünftig dazu übergehen werden, MVZ in weniger gut versorgten Planungsbereichen zu gründen.
  • Die Begrenzung der Versorgungsanteile der durch ein Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen MVZ gilt auch für die Erweiterung bereits bestehender zahnärztlicher MVZ eines Krankenhauses gilt.
  • Sofern keine Erweiterung erfolgt, haben die Regelungen keine Auswirkung auf bereits bestehende zahnärztliche MVZ.
  • Die Nachbesetzung von Vertragszahnarztsitzen oder Anstellungen im Rahmen bereits bestehender Versorgungsanteile bleibt weiterhin möglich. Eine Berechtigung zur Gründung eines zahnärztlichen MVZ fällt nicht rückwirkend weg. Der Gesetzgeber gewährt also vorhandenen MVZ von Krankenhäusern Bestandsschutz.

3. Auswirkungen für strategische Investoren

  • Die Gründung von zahnärztlichen MVZ durch zugelassene Krankenhäuser bleibt möglich. Ein Fachbezug des Krankenhauses zur zahnmedizinischen Versorgung ist unverändert nicht erforderlich.
  • Eine Expansion in überversorgten Regionen wird jedoch für solche zahnärztliche MVZ eines Krankenhauses ausgeschlossen, auf die in einem überversorgten Versorgungsbereich bereits 5% oder mehr der vertragszahnärztlichen Leistungen entfallen.
  • Bei der Akquisition eines Krankenhauses, dass eine Kette von zahnärztlichen MVZ betreibt, ist zur Einschätzung der Expansionsmöglichkeiten dessen Versorgungsanteil innerhalb der Planungsbereiche zu ermitteln.
  • Das TSVG gewährt Bestandsschutz für bereits gegründete zahnärztliche MVZ. Die Gründungsberechtigung entfällt nicht rückwirken. Die Vertragszahnarztsitze können also nachbesetzt werden. Die Versorgungsanteile dürfen jedoch nicht durch Anstellung zusätzlicher Vertragszahnärzte erhöht werden.

III. Der Wortlaut der Neuregelung in § 95 Abs. 1b SGB V

„(1b) 1Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. 2In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. 3Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:

  1. in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet,
  2. in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.

4Der Zulassungsausschuss ermittelt den jeweils geltenden Versorgungsanteil auf Grundlage des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades und des Standes der vertragszahnärztlichen Versorgung. 5Hierzu haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen umfassende und vergleichbare Übersichten zum allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad und zum Stand der vertragszahnärztlichen Versorgung am 31. Dezember eines jeden Jahres zu erstellen. 6Die Übersichten sind bis zum 30. Juni des jeweils folgenden Jahres zu erstellen und in geeigneter Weise in den amtlichen Mitteilungsblättern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen. 7Die Sätze 1 bis 6 gelten auch für die Erweiterung bestehender zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren eines Krankenhauses.“

 

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