Arbeitsrecht

DGB Reformentwurf Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Der DGB, seine Mitgliedsgewerkschaften und die Lehrstuhlinhaber der Universität Bremen (Prof. Dr. Wolfgang Däubler) und der Georg-August-Universität Göttingen (Prof. Dr. Olaf Deinert) haben Bundesarbeitsminister Hubertus Heil einen weitreichenden Reformentwurf des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vorgelegt. Wir möchten Sie über die wesentlichen Inhalte des Reformvorschlags – zunächst ohne nähere Kommentierung – informieren.

Gleichstellung

Der DGB, seine Mitgliedsgewerkschaften und die zuvor genannten Lehrstuhlinhaber schlagen insbesondere im Bereich der Gleichstellung weitreichende Änderungen des aktuellen Gesetzes vor. Dies beinhaltet:

  • Die Bildung von Gleichstellungsausschüssen im Betrieb, § 28 III BetrVG n.F.
  • Ein Initiativ- und Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für Maßnahmen der Entgeltgerechtigkeit, § 87 I Nr. 10a BetrVG n.F.

Auch sprachlich soll die Gleichstellung Einzug in das BetrVG erhalten. § 1 I BetrVG n.F. spricht nun von „Arbeitnehmer*innen“. Die selbe Terminologie soll an Stellen im Gesetzestext verwendete werden, an denen sich der Wortlaut zuvor auf „Arbeitnehmer“ bezog.

Umwelt- und Klimaschutz

Bezüglich des Umwelt- und Klimaschutzes werden folgende Änderungen vorgeschlagen:

  • Nach § 28 III BetrVG n.F. sollen Betriebsräten in Betrieben ab 100 Beschäftigten einen Umweltausschuss bilden.
  • Dem Betriebsrat soll dabei durch § 87 I Nr. 15 BetrVG n.F. das Recht eingeräumt werden, in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz tangierende Aspekte in Fragen der Produktion mitzubestimmen.

Datenschutz

Bedingt durch den technologischen Wandel und die Digitalisierung und deren Einfluss auf die Persönlichkeitsrechte auf die Arbeitnehmer*innen werden weitere Mitbestimmungsrechte gefordert:

  • Den Kern der Mitbestimmung des Betriebsrats im Bereich des Datenschutzes sollen § 87 I Nr. 6a und 6b BetrVG n.F. bilden. Hiernach soll dem Betriebsrat bei Maßnahmen zum Persönlichkeits- bzw. Datenschutz ein Mitbestimmungsrecht zukommen.
  • Bei der Bestellung und Abberufung des Datenschutzbeauftragten soll mit § 79a III BetrVG n.F. dem Betriebsrat ferner ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden.

Sicherung von Arbeitsplätzen

Die Rechte des Betriebsrats sollen in Bezug auf Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung erweitert werden. Hintergrund hierzu sind insbesondere Risiken, die sich für Arbeitsplätze auf Grund des Klimawandels und der Digitalisierung ergeben. So sollen die Rechte des Betriebsrats in Bezug auf Maßnahmen der Personalplanung und Beschäftigungssicherung erweitert werden, vgl. §§ 92, 92a BetrVG n.F.

Erleichterung von Betriebsratsgründungen und Stärkung der Gremien

Die Gründung von Betriebsräten soll generell erleichtert werden. Hierzu sind folgende Anpassungen enthalten:

  • Gemäß § 17 Ic BetrVG n.F. ist in betriebsratslosen Betrieben in Form einer Veranstaltung über mögliche Betriebsratswahlen zu informieren.
  • Im Kontext der Betriebsratswahl soll mit § 78a BetrVG n.F. bei Kündigungen von Wahlinitiator*innen eine der Kündigung vorausgehende Bestätigung durch das Arbeitsgericht erforderlich werden. Befristet Beschäftigte und arbeitnehmerähnliche Personen sollen hierbei ebenfalls verstärkten Schutz erfahren und so zu einer Mitwirkung im Betriebsrat motiviert werden. Beide Gruppen sollen gemäß § 5 I BetrVG n.F. nun dem betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff unterfallen.
  • Mit § 37 IV BetrVG n.F. soll außerdem gewährleistet werden, dass vermehrt Qualifikationen und Erfahrungen bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern berücksichtigt werden, die im Rahmen der Amtsführung erworben werden.

Globalisierung

Das Gesetz soll an die Anforderungen und Folgen der Globalisierung angepasst werden:

  • Die Definition des Betriebsbegriffs soll erweitert werden, vgl. § 1 BetrVG n.F.; in §§ 3, 3a BetrVG n.F. soll zudem verstärkt bzw. erstmals die unternehmens- bzw. konzernweite Interessenvertretung im In- und Ausland sichergestellt werden.
  • Der Wirtschaftsausschuss soll zudem mit § 107 BetrVG n.F. erstmals Arbeitnehmer*innen aus dem Ausland zugänglich sein.

Rechte der Arbeitnehmer*innen

Die individuellen Rechte der Arbeitnehmer*innen sollen wie folgt verstärkt werden:

  • Beschäftigte sollen etwa nach § 81 V BetrVG n.F. das Recht einer wöchentlichen Freistellung für die Dauer von einer Stunde haben, um in dieser Zeit ihren Beteiligungsrechten besser nachgehen zu können.
  • Mit § 82a BetrVG n.F. soll das Recht der Meinungsäußerung von Beschäftigten in inner- und außerbetrieblichen Fragestellungen gestärkt werden.
  • Nach § 102 VIII BetrVG n.F. soll eine Anhörung auch für den Abschluss von Aufhebungsverträgen erforderlich werden; entsprechende Verträge andernfalls unwirksam sein.

Tendenzschutz

Der Tendenzschutz soll durch eine Reform von § 118 BetrVG eingeschränkt werden:

  • Das BetrVG soll nun auch explizit auf Religionsgemeinschaften Anwendung finden.
  • Bei verkündungsnahen Tätigkeiten sollen zwar Mitbestimmungsrechte, aber nicht länger Mitwirkungs- und Beratungsrechte bestehen.

Gleiss Lutz kommentiert

Der Reformvorschlag enthält sehr weitgehende Initiativvorschläge, die wir zunächst nicht weiter kommentieren möchten. Es wird interessant sein, ob und wie sich die Verbände insgesamt und der Gesetzgeber hierzu weiter äußern wird. Über die aktuelle Entwicklung werden wir Sie auf dem Laufenden halten.

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