Arbeitsrecht

Wirksamkeit eines auf den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gerichteten Vorvertrages

Das Bundesarbeitsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung zur Wirksamkeit eines auf den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gerichteten Vorvertrages fortgeführt. Es hat die äußerste zeitliche Grenze präzisiert, innerhalb derer der Arbeitgeber auf der Grundlage eines Vorvertrages den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verlangen kann, ohne dass von einer unbilligen Erschwerung des Fortkommens i.S.v. § 74 Abs. 1 Satz 2 HGB ausgegangen werden muss.

BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 – 10 AZR 130/18
Sachverhalt

Der Kläger war in der Zeit vom 15. Juli 2014 bis 14. April 2016 als Vertriebsmitarbeiter der Beklagten tätig. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, wonach der Kläger sich auf Verlangen der Beklagten bereit erklärte, ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zu einer Dauer von zwei Jahren zu vereinbaren. Das Verlangen sollte die Beklagte nur so lange stellen können, wie der Arbeitsvertrag nicht von einer Vertragspartei gekündigt wurde. Das ausformulierte nachvertragliche Wettbewerbsverbot war dem Arbeitsvertrag als Anlage beigefügt. Der Arbeitsvertrag und dessen Anlage waren durchgehend paginiert. Beide Arbeitsvertragsparteien haben sowohl den Arbeitsvertrag als auch die Anlage unterschrieben. Mit Schreiben vom 15. März 2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich mit Wirkung zum 15. April 2016. Der Kläger wies daraufhin, dass er aufgrund der kurzfristigen Kündigung auf die Zahlung der Karenzentschädigung bestehen müsse, worauf die Beklagte nicht reagierte. Die Vorinstanzen wiesen die auf Zahlung der Karenzentschädigung gerichtete Klage ab.

Entscheidung des BAG

Die Klage blieb auch vor dem BAG erfolglos. Das BAG stellte zunächst fest, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht bereits durch den Abschluss des Arbeitsvertrages wirksam zustande gekommen war. Dass die Arbeitsvertragsparteien auch die Anlage unterschrieben haben, sei unschädlich. Denn aus der Auslegung des Arbeitsvertrages ergebe sich zweifelsfrei, dass die Parteien nur einen Vorvertrag schließen wollten. Zeitgleich einen Vorvertrag und einen Hauptvertrag (d. h. das nachvertragliche Wettbewerbsverbot) zu schließen, wäre widersinnig. Das BAG folgte auch nicht der Auffassung des Klägers, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unverbindlich gewesen sei und dem Kläger deshalb ein Wahlrecht zustehe. Ein Vorvertrag, der das Verlangen auf Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nur bis zum Ausspruch einer Kündigung durch eine der beiden Parteien zulasse, sei wirksam und begründe keine unbillige Erschwerung des Fortkommens i.S.v. § 74 Absatz 1 Satz 2 HGB. Insbesondere ergebe sich daraus kein Wertungswiderspruch zu § 75a HGB, der einen einseitigen Verzicht des Arbeitgebers auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur mit einer Frist von einem Jahr vorsieht. Da § 75a HGB den Arbeitgeber auch nach bereits erklärter Kündigung zum Verzicht berechtige, fehle es bereits an einer vergleichbaren Interessenlage.

Gleiss Lutz Kommentar 

In der Praxis fristet der Vorvertrag auf den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bislang ein Schattendasein. Dabei bietet der Vorvertrag in Fällen, in denen die künftige Entwicklung des Arbeitnehmers, die Weiterentwicklung der schützenswerten wettbewerbsrechtlichen Interessen des Arbeitgebers oder dessen finanzielle Belastbarkeit bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht hinreichend absehbar sind, eine für den Arbeitgeber interessante Gestaltungsvariante. Denn allzu häufig sind in der Beratungspraxis Fälle anzutreffen, in denen sich der Arbeitgeber vorschnell für den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots entschieden hat und sich nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung konfrontiert sieht, obwohl er an der wettbewerbsrechtlichen Beschränkung des Arbeitnehmers kein Interesse mehr hat. Die gesetzliche Verzichtsmöglichkeit nach § 75a HGB, wonach der Arbeitnehmer von den wettbewerbsrechtlichen Beschränkungen sofort frei wird, der Arbeitgeber jedoch für weitere zwölf Monate zur Zahlung der Karenzentschädigung ab Verzichtserklärung verpflichtet bleibt, bietet nur wenig Trost, wenn der Arbeitgeber verspätet von diesem Recht Gebrauch macht. Schließt der Arbeitgeber zunächst nur einen Vorvertrag und stellt er im Laufe des Arbeitsverhältnisses fest, dass er an einer wettbewerbsrechtlichen Beschränkung des Arbeitnehmers kein Interesse hat, muss er schlicht – wie in dem der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Sachverhalt – nichts tun.

In praktischer Hinsicht birgt der Vorvertrag jedoch umgekehrt das Problem, dass der Arbeitgeber das ihm eingeräumte Verlangen nicht mehr ausüben kann, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Kündigt der Arbeitnehmer daher das Anstellungsverhältnis, ohne dass der Arbeitgeber zuvor das Verlangen gestellt hat, z. B. weil er die Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht kommen sah, ist die Chance auf die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots vertan. In Fällen, in denen der Arbeitgeber weiß, dass eine spätere Wettbewerbstätigkeit des Arbeitnehmers für sein Unternehmen riskant werden könnte, kann zu langes Zuwarten daher gefährlich sein.

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