Arbeitsrecht

Arbeitsvertragliche Ausschlussklausel auf „Verfall aller Ansprüche“ ist nichtig

Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der alle Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden, ist nichtig, wenn sie Haftungsansprüche wegen Vorsatzes nicht explizit ausnimmt. Auf die Nichtigkeit kann sich auch der Arbeitgeber als Verwender der Klausel berufen.

BAG, Urteil vom 26. November 2020 – 8 AZR 58/20

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers aus vorsätzlichem Handeln. Die Klägerin und Widerbeklagte war als kaufmännische Angestellte im Handwerksbetrieb des Arbeitgebers beschäftigt. Ihr oblag die Finanz- und Lohnbuchhaltung des Arbeitgebers sowie die Vorbereitung der Buchhaltung bei einer Luxemburger Gesellschaft. Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthielt folgende Klausel:

§ 13 Verfallsfristen: Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen.“

Mitte August 2017 stellten die übrigen Geschäftsführer des Arbeitgebers fest, dass der frühere Ehemann der Klägerin – ebenfalls Geschäftsführer des Arbeitgebers – mehrfach private Rechnungen mit Firmengeldern des Arbeitgebers und der Luxemburger Gesellschaft beglichen hatte. Die entsprechenden Überweisungen wurden von der Klägerin gebucht. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin daraufhin. Im Kündigungsschutzprozess machte der Arbeitgeber widerklagend eigene und abgetretene Schadensersatzansprüche geltend. Die Widerklage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht.

Eine arbeitsvertragliche Klausel, wonach ausnahmslos alle Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen vom Anspruchsinhaber geltend gemacht werden, ist wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig.

  • § 202 Abs. 1 BGB verbietet nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen. Eine pauschale Ausschlussklausel – wie in § 13 des Arbeitsvertrags – erfasst alle wechselseitigen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien, also auch Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung.
  • Mangels Teilbarkeit entfällt die Ausschlussklausel insgesamt, wobei der Arbeitsvertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt (§ 306 Abs. 1 BGB). An ihre Stelle tritt das gesetzliche Verjährungsrecht.
  • Auch der Arbeitgeber als Verwender der pauschalen Ausschlussklausel kann sich auf ihre Nichtigkeit berufen. Die Grundsätze über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nicht anwendbar. Das sich aus §§ 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB ergebende Verbot ist umfassend.

Ansprüche aus abgetretenem Recht werden von einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel nicht erfasst, da sie ihren Ursprung nicht im Arbeitsverhältnis haben.

Gleiss Lutz kommentiert

Mit seiner Entscheidung hat das BAG eine grundlegende Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung eingeleitet. Noch im Jahr 2013 ging das BAG davon aus, dass Ausschlussklauseln in AGB, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen, auch ohne gesonderte Regelung solche Fälle ausnehmen, die gegen eine gesetzliche Verbotsnorm verstoßen. Zukünftig müssen Arbeitgeber bei der Formulierung von Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen darauf achten, - neben gesetzlich unverzichtbaren (z.B. Mindestlohn) oder von der Zustimmung Dritter abhängigen Ansprüchen - auch Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlich unerlaubter Handlung auszunehmen. Sonst ist die Klausel insgesamt nichtig. Hinsichtlich der Länge der Ausschlussfrist gilt weiterhin der Grundsatz, dass eine drei Monate unterschreitende Ausschlussfrist unwirksam ist.

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